Standortpolitik

Trotz Krise vorsichtig optimistisch

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Mehr als die Hälfte der bayerischen Firmen setzen überwiegend erneuerbare Energien ein

Bayerns Wirtschaft beurteilt die Auswirkungen der Energiewende insgesamt leicht positiv. Doch die Unterschiede sind je nach Branche und Firmengröße erheblich, zeigt das IHK-Energiewende-Barometer 2020.

Josef Stelzer, Ausgabe 02/21

Klimaschutz und Energiewende bleiben für Bayerns Unternehmen trotz Coronakrise ein zentrales Anliegen. Allerdings sieht knapp ein Viertel der Firmen in der Energiewende eine Gefahr für die eigene Wettbewerbsfähigkeit. Dies sind Ergebnisse des aktuellen Energiewende-Barometers 2020, für das die IHK-Organisation deutschlandweit 2.559 Unternehmen befragt hat, 308 davon aus Bayern. Auf die Frage nach den Auswirkungen der Energiewende auf die Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Betriebs überwiegen die positiven Antworten leicht: Der Wert des diesjährigen Barometers erreicht +0,6. Im Jahr zuvor fiel das Urteil mit –2,1 noch deutlich pessimistischer aus.

Zur Einordnung: Bei einem Barometerwert von 0 würden sich negative und positive Einschätzungen die Waage halten oder nur neutrale Bewertungen vorliegen. Doch das Stimmungsbild fällt keineswegs einheitlich aus, sondern variiert je nach Wirtschaftssektor und Unternehmensgröße.

Das IHK-Energiewende-Barometer 2020 für Bayern ist auf der IHK-Webseite abrufbar.

Chancen unterschiedlich bewertet

Vor allem der Mittelstand hadert derzeit mit der Energiewende. Betriebe mit zehn bis 250 Mitarbeitern sorgen sich am meisten um ihre Wettbewerbsfähigkeit. Kleinere Firmen (weniger als zehn Beschäftigte) sowie Großunternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten schätzen die Energiewende am chancenreichsten ein. Von den Wirtschaftssektoren blickt die Industrie am pessimistischsten (–16,5 Barometerwert) auf die Auswirkungen der Energiewende.

Hier macht sich der Anteil der Energie an der gesamten Wertschöpfung sowie in der Wertschöpfungskette stärker bemerkbar als in anderen Wirtschaftsbereichen. Eher als Profiteur der Energiewende sieht sich der Bausektor. Er erreicht einen Barometerwert von +20, das sind 6,25 Punkte mehr als im Jahr zuvor. Wegen der klimapolitischen Maßnahmen der vergangenen Monate wie zum Beispiel der Einführung der nationalen CO₂-Bepreisung im Wärmebereich erwarten die Unternehmen gute Geschäfte im Gebäudesektor. Insgesamt kämpft die Wirtschaft in Bayern laut Energiewende-Barometer weiterhin mit Rekordstrompreisen. So berichten gut 46 Prozent der befragten Betriebe über steigende Strompreise in den vergangenen zwölf Monaten, lediglich neun Prozent melden sinkende Preise.

Energiewende und Klimaschutz

Trotz Pandemie arbeitet die Mehrheit der bayerischen Unternehmen weiter am Fortgang von Energiewende und Klimaschutz. Im Vorjahresvergleich haben sie ihr Engagement bei vielen Energie- und Klimaschutzmaßnahmen sogar nochmals gesteigert. Krisenbedingt verschieben sich bei einem Drittel der befragten Betriebe die geplanten Maßnahmen aber zeitlich.

Für acht Prozent erweist sich die Krise als Katalysator für Energie- und Klimaschutzmaßnahmen oder trägt sogar zur Umsetzung zusätzlicher Vorhaben bei (s. Grafik »Trotz Pandemie – Energiewende bleibt wichtig«). Im Vordergrund stehen dabei die Steigerung der Energieeffizienz, der Bezug von Ökostrom, der Aufbau einer Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge sowie die Schaffung eigener Kapazitäten für die Versorgung mit erneuerbaren Energien.

Bayerische Betriebe als Vorreiter

Im Deutschlandvergleich ist Bayerns Wirtschaft in vielen Bereichen der betrieblichen Energiewende und des Klimaschutzes Vorreiter. Vor dem Hintergrund eines wachsenden Bewusstseins für Klimaschutz sowie steigender CO₂-Preise befassen sich immer mehr Unternehmen mit der eigenen CO₂-Bilanz und den Möglichkeiten einer Stromversorgung aus nachweislich erneuerbaren Quellen. Diese Entwicklung unterstreicht den Bedarf und das Potenzial eines Systems nationaler Herkunftsnachweise, die bescheinigen, wie der Ökostrom produziert worden ist und wo.

CO₂-Fußabdruck

Mittlerweile nutzen mehr als die Hälfte der bayerischen Unternehmen überwiegend erneuerbare Energien. Ebenso viele setzen auf eine CO₂-ärmere Wärmeerzeugung oder kümmern sich aktiv um ihre Treibhausgasemissionen. Gut 50 Prozent der Firmen kennen ihren CO₂-Fußabdruck oder arbeiten daran. Er gibt an, welche Mengen an Treibhausgasen beispielsweise durch Produkte, Geschäfts- oder Produktionsprozesse entstehen.

Erfasst werden sämtliche Treibhausgase, also nicht nur Kohlendioxid. Im Januar 2021 startete die nationale CO₂-Bepreisung in den Bereichen Wärme und Verkehr. Unternehmen, die Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel in den Markt bringen, müssen jetzt für den Treibhausgasausstoß, den diese Brennstoffe verursachen, Emissionsrechte erwerben. Das geschieht über den neuen nationalen Emissionshandel. 45 Prozent der im Barometer befragten Betriebe schätzen die CO₂-Bepreisung als Instrument für mehr Klimaschutz in der Wirtschaft positiv ein. 47 Prozent nehmen sie als Anlass, bei Investitionen stärker auf klimafreundliche Technologien zu achten.

Wettbewerbsrisiken durch den neuen CO₂-Preis?

Jedoch stimmt nur rund jeder Zehnte der Aussage voll zu, dass sich durch die Bepreisung Chancen für neue Geschäftsmodelle oder Technologieentwicklung ergeben. Vor allem die Industriebetriebe fürchten Wettbewerbsrisiken durch den neuen CO₂-Preis, über die Hälfte fordert eine Entlastung.

Zwei Hauptforderungen

Die Unternehmen arbeiten engagiert an Energiewende und Klimaschutz. Wo erwarten sie dabei mehr Unterstützung von der Politik? Auch darüber gibt das Energiewende-Barometer Aufschluss: Wie in den Vorjahren sind den Firmen in Bayern schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie der Ausbau der Stromnetze am wichtigsten. Die Mehrzahl der Betriebe fordert von der Politik eine Entlastung bei den Steuern und Abgaben für Strom sowie Fortschritte beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Beim Netzausbau wünscht sich vor allem die Industrie mehr politischen Nachdruck.

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