Klimaschutz | Standortpolitik

Klimaziele erreichen

Ralph Furtner ©
Neues Biomasseheizwerk für weniger Kohlendioxid – Salus-Betriebsleiter Thomas Günther, Architekt Thomas Maier, Salus-Gesellschafterin Katrin Greither-Block, Salus-Geschäftsführer Florian Block, Architekt Ferdinand Theinert und Salus-Projektleiter Thomas Reiß (v.l.) beim Spatenstich

Die Science Based Targets Initiative unterstützt die Wirtschaft mit klimawissenschaftlicher Expertise auf dem Weg zum 1,5-Grad-Ziel. Wie Unternehmen das Angebot nutzen können.

Von Gabriele Lüke, IHK-Magazin 04/2024

Die Pariser Klimakonferenz gilt als entscheidende Antwort auf die globale Klimakrise. 197 Staaten einigten sich 2015 auf ein neues, völkerrechtlich bindendes Klimaschutzabkommen. Sie setzten sich das Ziel, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf deutlich unter zwei, besser noch auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.

Die Forschenden des Weltklimarats (IPCC) hatten zuvor unmissverständlich klargemacht: Um unumkehrbare Schäden an Lebensräumen, Ökosystemen und Biodiversität aufzuhalten und die Anpassungskosten zu beschränken, seien die 1,5 Grad nicht diskutierbar. Die Weltgemeinschaft muss die CO2-Emissionen bis Ende 2030 um etwa die Hälfte senken, bis 2050 die Emissionen auf Netto-Null drücken, so die Ansage.

Hebelwirkung durch die Wirtschaft

Um die Ziele von Paris in der Praxis zu erreichen, sind neben den staatlichen aber noch weitere Akteure unverzichtbar. „Für die meisten Emissionen und damit auch umgekehrt für die größte Hebelwirkung steht die Wirtschaft“, erläutert Sebastian Öttl, Experte für nachhaltige Unternehmensführung bei der Umweltorganisation WWF Deutschland.

Um die Firmen bei einer wissenschaftsbasierten Klimazielsetzung zu unterstützen, wurde 2015 die auf die Privatwirtschaft zugeschnittene internationale Science Based Targets Initiative, kurz SBTi, ins Leben gerufen. Gründer waren die UN-Initiative Global Compact, der Thinktank World Resources Institute WRI, das aus der Wirtschaft hervorgegangene Carbon Disclosure Project CDP sowie der WWF.

Mit dem 1,5-Grad-Ziel im Einklang

„Die SBTi übersetzt kontinuierlich klimawissenschaftliche Erkenntnisse in sektorübergreifende und -spezifische Standards wissenschaftsbasierter Klimazielsetzung und validiert die von den Unternehmen ausgearbeiteten Ziele anhand dieser Standards“, erklärt Öttl. Auf dieser Basis setzen Unternehmen keine willkürlichen Reduktionsziele mehr, sondern bringen sie mit dem 1,5-Grad-Ziel weitestgehend in Einklang. „Plakativ vereinfacht, heißt das: Im Schnitt muss jedes Unternehmen seine CO2-Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette jährlich um 4,2 Prozent reduzieren – in einem Zeitraum beispielsweise von 2020 bis 2030 dann um 42 Prozent“, rechnet Öttl vor.

Dafür gibt die SBTi den Firmen wissenschaftlich fundierte Instrumente, sektorspezifische Ansätze und zusätzliche Orientierungshilfen an die Hand. Neue klimawissenschaftliche Erkenntnisse werden systematisch integriert und mit ausreichend Vorlauf kommuniziert.

Kompatibel: SBTi und ESRS

Auch wenn ein wissenschaftsbasiertes Klimaziel allein noch keine Transformation stemmt – das Konzept der SBTi erweist sich als attraktiv: Die Anzahl der validierten Klimaziele hat sich 2023 verdoppelt, aktuell sind mehr als 7.700 Unternehmen dabei. „Zugleich können auch Firmen, die nach der neuen EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen Nachhaltigkeitsinformationen offenlegen müssen, die SBTi nutzen – denn sie ist mit dem von der EU vorgelegten Klimaberichtsstandard ESRS E1 sehr gut vereinbar“, ergänzt IHK-Fachfrau Henrike Purtik.

Das DFGE Institute for Energy, Ecology and Economy GmbH in Greifenberg bei München ist seit 2018 SBTi-Partner und hilft bei der Berechnung und Umsetzung von Klimazielen. „Die Unternehmen bekennen sich auf der SBTi-Homepage zunächst grundsätzlich zu den wissenschaftlichen Zielen und Ansätzen der Initiative“, erläutert DFGE-Ingenieur Wolfgang Berger das Vorgehen. „Dann haben sie zwei Jahre Zeit, anhand von unterschiedlichen Kriterien ihren individuellen Weg zu entwickeln.“ Sie setzen sich kurz- oder längerfristige CO2-Reduktionsziele und können diese mit dem Netto-Null-Ziel kombinieren.

Vereinfachter Prozess für KMU

Das bedeutet, dass Betriebe bis 2050 überhaupt keine klimaschädlichen Gase mehr an die Atmosphäre abgeben. Ihre Ausführungen reichen Firmen bei der SBTi ein, die sie prüft. Sind Unternehmen final aufgenommen, dürfen sie auch mit der SBTi-Mitgliedschaft werben. Die Initiative erwartet einen jährlichen Bericht über die Fortschritte. Sanktionen gibt es keine. Die Teilnahme ist kostenpflichtig, die Kosten betragen je nach Größe der Unternehmen einmalig zwischen 1.200 und 15.000 US-Dollar.

„Unterm Strich sind die Unternehmen frei in der methodischen Umsetzung ihrer Reduktionsziele. Sie können aus dem Methodenportfolio wählen. Für manche Branchen gibt es spezifische Vorgaben. Zudem gibt es einen einfachen Prozess für KMU“, sagt Berger. Was er allen Betrieben rät: Sie sollten einen stringenten Transformationsplan, wie ihn auch die Nachhaltigkeitsberichtsstandards der EU verlangen, aufsetzen, der die Umsetzung systematisiert. Außerdem brauche es ein kompetentes Klimateam.

Herausforderung: CO2 in der Lieferkette

Der Knackpunkt für die meisten Unternehmen sind die sogenannten Scope-3-Emissionen. Scope-1- und Scope-2-Emissionen stößt das Unternehmen selbst aus oder verursacht sie etwa durch den Einkauf von Energie. Sie sind gut zu messen und entsprechend zu reduzieren.

Scope-3-Emissionen hingegen entstehen in der Lieferkette. „Sie machen gerade bei produzierenden Unternehmen einen Großteil der Emissionen aus“, sagt DFGE-Experte Berger. Die Unternehmen können sie nur bedingt selbst steuern und daher auch nicht konsequent reduzieren. Als Alternative nennt die SBTi sogenannte Supplier-Engagement-Ziele. Die Betriebe gehen mit ihren Zulieferern in den Dialog, ermutigen sie, sich ebenfalls ein wissenschaftsbasiertes Ziel zu setzen. „So soll und kann ein gewünschter Multiplikationseffekt entstehen“, sagt Berger. „Natürlich eignen sich auch andere Ansätze, um Klimaziele zu erreichen – die SBTi kann aber eine Art Taktgeber sein: wissenschaftlich fundiert, umfassend, transparent und immer auf dem neuesten Stand.“

Teil einer weltweiten Klimaschutz-Community

Der Naturarzneimittelhersteller Salus hat sich der SBTi 2022 angeschlossen. „Wir fanden es großartig, Teil dieser weltweiten Community zu sein, die der Überzeugung folgt, gemeinsam den Klimawandel zu stoppen, und dabei objektiv wissenschaftlich vorgeht“, sagt Thomas Günther, technischer Betriebsleiter bei Salus. Bezogen auf das Basisjahr 2020, will das Familienunternehmen bis 2030 mindestens 42 Prozent CO2 einsparen.

„Das ist für uns eine gewisse Herausforderung“, sagt Günther. „Da Klimaschutz und Nachhaltigkeit eine Herzensangelegenheit für uns sind, arbeiten wir seit Jahrzehnten an unseren Umweltauswirkungen. So werden Verbesserungen immer schwieriger. Wir sind mehrfach zertifiziert, Mitglied verschiedener Umwelt- und Klimainitiativen und über unsere 3 Standorte hinweg klimaneutral.“ SBTi habe aber geholfen, die Maßnahmen noch einmal zu schärfen.

Strom aus Wasserkraft

Beim Strom ist Salus schon länger klimafreundlich: „Wir sind unter anderem 1968 an den Standort Bruckmühl umgezogen, weil wir hier Wasserkraft zur Verfügung haben“, erklärt Günther. „Mit Wasserkraft und Photovoltaik decken wir heute bilanziell bis zu 90 Prozent unseres Strombedarfs. Den Rest kaufen wir seit 2002 als Ökostrom zu.“

Wärme mit neuem Biomasseheizwerk

Die große Herausforderung lag im Wärmebereich. Einen großen Klimaschub soll das neue Biomasseheizwerk in Bruckmühl bringen. Mit Altholz aus der Region befeuert, spart es pro Jahr 1.500 Tonnen CO2. „Wir tätigen damit die zweitgrößte Investition der Firmengeschichte – auch das zeigt, wie wichtig uns das Thema ist“, sagt der Salus-Betriebsleiter.

Pestizidfrei und regional

Nicht zuletzt summieren sich viele kleinere Maßnahmen: die Umstellung des Fuhrparks auf Elektrofahrzeuge oder die Prozesskühlung durch Gebirgswasser. Eine Herausforderung bleiben Scope-3-Emissionen. „In der Arzneimittelbranche ist es nicht so leicht, Lieferanten für die Rohstoffe zu wechseln und damit die Scope-3-Emissionen zu beeinflussen. Wir setzen hier aber auf pestizidfreie Bioprodukte, wann immer möglich, regional.“

Unterm Strich werde Salus durch das Biomasseheizwerk die geplanten CO2-Einsparungen schon 2025 geschafft haben – und das SBTi-Ziel vorzeitig erfüllen, freut sich Günther: „Als Nächstes sehen wir uns den Netto-Null-Standard genauer an.“


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