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InnoRoute ©
Erfolgreiche Zusammenarbeit – InnoRoute-Chef Andreas Foglar (l.) mit dem neu gewonnenen Werkstudenten Kirill Inozemtzev

Wie können kleine und mittlere Unternehmen junge Talente gewinnen? Das Projekt 1.000+ gibt Firmen die Chance, Studierende bei der Arbeit im Betrieb kennenzulernen.

Von Gabriele Lüke, IHK-Magazin 04/2024

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind der Motor der Wirtschaft und oft Innovationstreiber. Sie benötigen dringend Fachkräfte, haben aber in der Regel nur begrenzte Möglichkeiten, auf den universitären Talentpool zuzugreifen. Zugleich verkennen Studierende oft die Vorzüge der kleineren Firmen und konzentrieren sich bei der Stellensuche auf die großen Unternehmen. „So entgehen beiden Seiten Chancen“, sagt Nina Santner, Leiterin der Projektwoche 1.000+ der Technischen Universität München (TUM). Der Name ist Programm: Mindestens 1.000 Talente will die TUM im Laufe der Zeit an KMU vermitteln.

Der Weg dorthin führt über die Praxis. „Eine Woche lang arbeiten Master-Studierende im Unternehmen mit“, erläutert Projektleiterin Santner. „Dabei lernen sich beide Seiten fachlich und persönlich kennen. Im besten Fall hat das KMU am Ende ein neues Talent an Bord und das Talent eine aussichtsreiche erste Stelle.“ Das neue Angebot der TUM richtet sich speziell an kleine und mittlere Unternehmen aus der Industrie. Es startete im Januar 2024 und findet künftig einmal im Jahr statt.

Miteinander arbeiten, sich kennenlernen

„Als Methode für ein fundiertes Kennenlernen haben wir das Case-based Learning gewählt. Dabei stellen die Firmen den Studierenden fachliche Aufgaben“, erklärt die Projektleiterin. „Erfahrungsgemäß finden die Beteiligten über die gemeinsame Arbeit einen guten Zugang zueinander, können leichter abschätzen, ob sie auf Dauer zueinanderpassen.“ Die Unternehmen sind in der Aufgabenstellung frei. Entweder sie lassen abgeschlossene Projekte von den Studierenden wiederholen oder sie stellen neue Aufgaben.

Auch die IHK für München und Oberbayern unterstützt die Projektwoche. „Ihr fachlicher Ansatz ist in Zeiten des Fachkräftemangels besonders wichtig“, betont Birgit Petzold, IHK-Referentin für Innovation und Produktsicherheit. „Er stellt die Innovationskraft und fachliche Attraktivität des Mittelstands heraus. Was sich nach der Projektwoche sicherlich weiter unter den Studierenden herumspricht und Interesse weckt.“

Englisch als gemeinsame Sprache

An der ersten Runde nahmen 13 Unternehmen teil, darunter 8 IHK-Mitgliedsfirmen, die 53 Studierende zu Gast hatten. Angemeldet hatten sich sogar 200 Studierende, „die wir leider nicht alle unterbringen konnten“, so Santner.

"Zusammengestellt waren die Kleingruppen möglichst divers: Frauen und Männer aus ganz verschiedenen Fachrichtungen und unterschiedlichen Herkunftsländern. Die gemeinsame Sprache war Englisch.“ Und das Ergebnis? „Die Rückmeldungen waren sehr gut“, sagt Santner.

Wer passt zum Unternehmen?

Für die Studierenden ergaben sich Praktika oder Master-Arbeiten. Sie lernten interessante Arbeitgeber und Unternehmenskulturen kennen. Die Firmen wiederum profitierten vom frischen Blick der jungen Leute auf ihr Projekt und fanden potenzielle Jobkandidaten. „Eine Win-win-Situation für beide“, sagt Santner. Auch für die TUM zahlt sich das Projekt aus. „Wir als Universität können über die Rückmeldungen noch gezielter für die Industrie ausbilden“, ergänzt die Projektleiterin.

Positive Erfahrungen hat auch Robert Wichmann, Consultant im Bereich Systems Engineering bei der Münchner Rücker + Schindele Beratende Ingenieure GmbH, gemacht. Er will sich nächstes Jahr erneut an 1.000+ beteiligen. „Das Konzept eignet sich gut, um herauszufinden, ob jemand zum Unternehmen, zur Geschäftsidee, zum Team passt.“  

Studierende liefern pfiffige Lösungen

Den Studierenden stellte er eine anspruchsvolle Aufgabe: „Wir arbeiten viel in Projekten. Im Laufe eines Projekts ändern sich die Anforderungen. Das sollten die jungen Leute in einem digitalen Änderungsmanagementsystem abbilden.“ Das Ergebnis findet Wichmann gelungen: „Sie haben das gut gemacht. Eine pfiffige Idee, den einzelnen Anforderungen eines Projekts einen Lebenszyklus zuzuordnen – das werden wir in unsere Praxis übernehmen.“

Wichmann will Kontakt halten zu den Studierenden, um etwa zum Studienabschluss über eine mögliche Zusammenarbeit zu sprechen. Sein Urteil ist positiv: „Ich hatte eine gute Zeit mit den Studierenden und wünsche mir, dass sie ihren Mitstudierenden von dem tollen Projekt berichten.“

Neuen Werkstudenten gefunden

Andreas Foglar, CEO der InnoRoute GmbH in München, konnte sogar einen neuen Mitarbeiter gewinnen. Sein 1.000+-Student Kirill Inozemtzev arbeitet seit März als Werkstudent im Unternehmen. „Er ist kompetent und sympathisch, das hat uns die Projektwoche gezeigt“, so Folgar. InnoRoute hat bundesweit ein neuartiges, hochsicheres Routingnetz aufgebaut. Aktuell arbeitet die Firma an Anwendungen, um die Vorzüge des Netzes zu demonstrieren. Der Student war eingeladen, dies zu begleiten. „Er hat beste Arbeit geleistet, hat zielgruppengerecht für junge User die Demoanwendungen für den Videobereich programmiert“, freut sich Foglar. „Damit hat er unser Projekt beschleunigt.“

„Zeichen setzen für KMU als Arbeitgeber“

Was den Unternehmer außer einer potenziellen Rekrutierung bewogen hat, an 1.000+ teilzunehmen? „Ich möchte ein Zeichen setzen für KMU. Den Studierenden mitgeben, wie attraktiv und vielfältig sie sind, was man bei uns von der technischen Entwicklung über den Kundenkontakt bis zur Budgetierung alles lernen kann.“ Im nächsten Jahr will sich Folgar erneut an dem Projekt beteiligen: „Da wünsche ich mir Marketingstudierende – denn dann braucht unser Routingnetz verstärkt Werbung.“

IHK-Info zu 1.000+:

Informationen zum TUM-Projekt 1.000+ und zur nächsten Projektwoche gibt es online.

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