Rainer Becker ©
Entlastet das Personal – Roboter als Helfer bei der Geschirrrückgabe

In Gastronomie und Hotellerie helfen Digitalisierung, künstliche Intelligenz und Robotik, effizienter zu arbeiten – die Vielfalt der Einsatzfelder ist enorm.  

Von Eva Elisabeth Ernst, IHK-Magazin 03/2024

Den Gästen gefällt es, den Mitarbeitenden spart es Zeit: Digitale Menüboards ersetzen in einigen Kaffeebars von chicco di caffè seit Kurzem die Wandtafeln mit den angebotenen Kaffeespezialitäten und Snacks. „Dort können wir nun auch Werbung für Aktionen und besondere Angebote einspielen – zentral gesteuert und ohne großen Aufwand“, sagt Ralf Meyer, Gründer und Geschäftsführer der chicco di caffè Gesellschaft für Kaffeedienstleistungen mbH.

Das Münchner Unternehmen betreibt mehr als 130 Kaffeebars in Betrieben, Hochschulen und Krankenhäusern. Die Menüboards sind nicht das einzige Digitalisierungsprojekt: 2023 startete eine App für die internen Qualitätsaudits. Diese laufen seither papierlos ab, was die Dokumentation und die Nachverfolgung der Verbesserungsmaßnahmen erleichtert. Für die Erstellung der Dienstpläne inklusive der Zeiterfassung gibt es ebenfalls digitale Lösungen.

Kasse an der Theke wird überflüssig

In diesem Jahr testet das Unternehmen an 3 Standorten Terminals, an denen die Gäste ihre Bestellungen aufgeben und auch gleich mit Karte bezahlen. „Dabei geht es weniger um Personaleinsparungen als vielmehr um eine Entlastung unserer Mitarbeitenden an den Bars, die dadurch mehr Zeit für die Zubereitung der Produkte und für Smalltalk mit den Kunden haben“, erklärt Meyer. „Und natürlich können wir auch am Terminal Bonusprogramme und Sonderaktionen bewerben.“

Als großen Vorteil der Neuerung sieht er, dass dadurch die Kasse an der Theke überflüssig wird, „denn das Kassieren braucht viel Zeit“. Barzahlung ist dann zwar nicht mehr möglich. Allerdings nutzen Meyers Kunden diese Zahlungsvariante ohnehin kaum mehr.

Alle Parameter mit nur einem Tool steuern

Demnächst wird die Warenwirtschaft mit dem internen Business-Informationstool verknüpft. „Dann können wir alle Daten wie Öffnungszeiten, Personal- und Wareneinsatz zusammenführen und die wirtschaftliche Steuerung optimieren“, freut sich der Unternehmer.

„Das Beispiel zeigt, dass es im Gastgewerbe erhebliches Optimierungspotenzial gibt, das durch die Digitalisierung ausgeschöpft werden kann“, betont Beatrice Frinzi, Referentin Tourismuswirtschaft bei der IHK für München und Oberbayern. Ansatzpunkte gebe es reichlich. Denn noch erfassen zahlreiche Unternehmen der Branche Informationen nicht digital. Zudem führen unterschiedliche Systeme ohne einheitliche Schnittstellen zu Medienbrüchen.

Wetter- oder Eventdaten integrieren

Hinzu kommt eine fatale Mischung aus handschriftlichen Aufzeichnungen, Excel-Listen und unsauberen Daten aus den Kassensystemen, die quasi ein Knäuel an Daten bilden. Das müsse erst einmal aufgedröselt werden, um daraus relevante Informationen zu gewinnen, so IHK-Expertin Frinzi. „Bei der Transformation, Kombination und Auswertung vorhandener Daten kann mittlerweile auch KI helfen.“ Zudem können betriebsinterne Daten mit externen Informationen angereichert werden.

Kundenandrang leichter abschätzen

Welche Vorteile dies bietet, zeigt das Hofbräuhaus München. Es kauft seit einigen Jahren nicht nur Wetterdaten, sondern auch Informationen über das Passagieraufkommen am Flughafen und am Hauptbahnhof München zu und wertet sie aus. Hochklassige Sportereignisse und andere große Events in der Stadt werden ebenfalls bei der Planung berücksichtigt. „In Kombination mit unseren internen Statistiken können wir nun schon 1 Woche vorher mit ziemlicher Sicherheit sagen, wie viel Kalbfleisch wir für unsere hausgemachten Weißwürste einkaufen müssen“, erklärt Michael Sperger, der mit seinem Bruder Wolfgang Sperger in der Sperger Gaststätten OHG das Hofbräuhaus betreibt.

Dort wurden in den vergangenen 10 Jahren Prozesse analysiert, neu aufgesetzt und digitalisiert. So gibt es zum Beispiel am Stammsitz am Platzl keine klassische Spülküche mehr. Das schmutzige Geschirr wird in die externe Spülzentrale nach Parsdorf geliefert, wo es wie in einem Industriebetrieb gereinigt wird. Die Mitarbeitenden in der Spülzentrale sind nun kontinuierlich ausgelastet und haben feste Standardarbeitszeiten – und im Hofbräuhaus steht immer frisches Geschirr zur Verfügung.

Dazu sind allerdings mehr Teller, Besteck & Co. notwendig. „Wir benötigen im Vergleich zu früher exakt die 2,4-fache Menge an Geschirr, um selbst in Spitzenzeiten ausreichend versorgt zu sein“, sagt Michael Sperger.  

Besser planen, weniger verschwenden

In Brunnthal befinden sich die hauseigene Metzgerei, die Bäckerei und Konditorei sowie eine Großküche. Das entlastet die Köche im Hofbräuhaus, in dem nach wie vor der Großteil der Speisen gekocht wird. Die benötigten Mengen gibt das IT-System vor. „Anhand unserer detaillierten Stücklisten wissen wir genau, welche Zutaten wir für jedes Gericht brauchen“, erklärt Sperger. „Die Algorithmen sorgen dafür, dass rund 60.000 verschiedene Artikel zur richtigen Zeit und in der richtigen Menge am richtigen Ort sind.“

Um auch andere Gastronomiebetriebe bei der Digitalisierung zu unterstützen, gründeten Michael und Wolfgang Sperger die Wirtshaus Dienstleistungs GmbH. „Je mehr Informationen zur Verfügung stehen, desto besser wird die Planung und desto weniger Lebensmittel werden verschwendet“, sagt Michael Sperger.

Ein Lkw reicht aus

Gute Planungsdaten ermöglichen zudem, dass die komplette interne Lieferlogistik des Hofbräuhauses mit einem einzigen Lkw abgewickelt werden kann. Das System mit externer Spülküche und Essensproduktion sorgt auch für mehr Ruhe am Platzl. „Ansonsten hätten wir täglich zwischen 40 und 60 Lieferanten in der Küche“, sagt Sperger. Personal sparte das Unternehmen damit nicht ein. „Dafür haben wir unseren Umsatz in den vergangenen 10 Jahren um über 40 Prozent gesteigert – ohne unser Team zu vergrößern.“

Ein weiterer Hebel für mehr Effizienz im Betrieb ist die Automatisierung von Arbeitsabläufen. „Dazu zählt auch der Einsatz von Robotern, die das vorhandene Personal zwar nicht ersetzen, aber unterstützen können“, sagt Rainer Becker, der mit seinem Unternehmen Becker Robotics herstellerunabhängige Lösungen für die Branchen Hospitality, Gesundheitswesen und Einzelhandel konzipiert.

„Es gibt für alles einen Roboter …“

Roboter können nicht nur Transportfunktionen übernehmen, sondern auch Gäste zu ihrem Platz oder Hotelzimmer führen. Sie können bei Check-in und Check-out helfen sowie Concierge-Funktionen übernehmen – und das mehrsprachig. Selbst bei der Reinigung von Toiletten, kompletten Bädern und Hotelzimmern unterstützen sie.

„Es gibt nicht einen Roboter für alles, aber es gibt für alles einen Roboter“, sagt Becker. Zu Akzeptanzproblemen komme es in der Hospitality-Branche grundsätzlich nicht: „Servicekräfte in der Gastronomie etwa schätzen Roboter sehr, weil sie es ihnen ermöglichen, mehr Zeit mit den Gästen zu verbringen, anstatt zwischen Küche und Restaurant hin- und herzurennen.“

Kollege Roboter erspart Wege …

Diese Erfahrung hat auch Klaus Löhmann gemacht, der mit seiner Familie die Schlosswirtschaft Herrenchiemsee GmbH betreibt. Seit knapp einem Jahr sind dort 3 Serviceroboter im Einsatz. „Bei uns ist die Strecke zwischen der Küche und den Service-Areas relativ lang. Die Roboter bringen das benutzte Geschirr von der Servicestation vor dem Gastraum in die Küche“, erklärt Löhmann. Da sie in eher gemächlichem Tempo unterwegs sind, lassen sich dadurch bislang lediglich 2 von 3 Essensläufern einsparen.

… und erspart vor allem Schlepperei

„Wir sind noch am Experimentieren, ob wir die Roboter auch zur Essensauslieferung einsetzen können. Dafür müssten wir allerdings unseren Pass, also die Theke, an der das Essen aus der Küche kommt, umbauen.“ Doch bereits jetzt schätzen die Mitarbeitenden es, dass die Roboter ihnen Schlepperei und Wege ersparen.

Mitarbeiter müssen Roboter akzeptieren

Eine positive Grundhaltung der Belegschaft gegenüber den Robotern ist Voraussetzung dafür, dass der Technikeinsatz zum Erfolg wird. Denn im Gegensatz zur Industrie, wo Roboter menschliche Arbeitskräfte weitestgehend ersetzen, kommen im Gastgewerbe vor allem kognitive Roboter zum Einsatz, die Aufgaben gemeinsam mit den Mitarbeitenden erfüllen.

Letzte Ecken putzt der Mensch

„Ein Roboter kann ein Hotelzimmer zu 80 Prozent reinigen, aber für die Ecken oder für empfindliche Designobjekte braucht man nach wie vor den Menschen“, erklärt Becker. Darüber hinaus funktioniere die robotergestützte Reinigung ohnehin nur in Zimmern, die nicht von Gästen belegt seien. Denn mit abgelegten Kleidungsstücken oder Zahnbürsten komme ein Roboter nicht zurecht. „Daher ist es sinnvoll, die Einsatzplanung für diese Reinigungsroboter mit den Buchungs- und Belegungssystemen der Hotels zu verbinden – zum Beispiel mithilfe einer KI, die selbstständig Servicepläne für den Roboter generieren kann.“

„Das Potenzial ist riesig“

Der Unternehmer ist davon überzeugt, dass sich der Personalmangel in der Hospitality-Branche durch Digitalisierung und Robotik zwar nicht komplett lösen, aber zumindest mildern lässt. „Bei den Einsatzmöglichkeiten sind wir derzeit erst am Anfang. Das Potenzial ist riesig.“

IHK-Veranstaltungstipp:
Tourismusforum Oberbayern 2024 am 15. April 2024
Tourismus neu denken im Zeitalter von KI und Digitalisierung

Welche KI-Anwendungen können den Tourismus künftig prägen? Wie können sich Destinationen und Gastgeber vor Cyberangriffen schützen? Um diese und weitere Fragen rund um Digitalisierung und KI dreht sich das Tourismusforum 2024. Organisiert wird es vom Tourismus Oberbayern München e.V. zusammen mit der IHK für München und Oberbayern sowie dem BHG DEHOGA Bayern e.V. Bezirk Oberbayern. Die Teilnahme ist kostenfrei.

Termin: 15. April 2024, 9:30 – 15:15 Uhr
Ort: Maritim Congress Centrum Ingolstadt, Gießerei-Platz 1, 85049 Ingolstadt

Mehr Infos und Anmeldung hier.

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