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Berufsorientierung auf Augenhöhe

Thorsten Jochim ©
Vom Programm überzeugt – AusbildungsScout Antonia Hoch (l.) mit Ausbildungsleiterin Tanja Rottler, Sparkasse Ingolstadt Eichstätt

Ein bewährtes Programm wurde um drei Jahre verlängert: Auch künftig können IHK AusbildungsScouts in den Schulen aus ihrem beruflichen Alltag erzählen und so Werbung für den Betrieb und die duale Ausbildung machen.

Sabine Hölper, Ausgabe 10/2021

Im Juni war Antonia Hoch (19) in ihrer ehemaligen Schule. Der Zufall hatte die Auszubildende zur Bankkauffrau bei der Sparkasse Ingolstadt Eichstätt bei ihrem ersten Einsatz als AusbildungsScout dahin geführt. Die Freude war groß, als sie auf ehemalige Lehrer traf. Noch mehr allerdings freute sich Hoch, dass ihre Präsentation so gut gelaufen war: »Die Schüler waren interessiert und hatten einige Fragen vorbereitet.«

Seit Jahren sind die IHK AusbildungsScouts bei Schülern, Schulen, Azubis und Ausbildungsbetrieben beliebt. Bereits 2015 hatte der Bayerische Industrie- und Handelskammertag das Programm zur besseren Berufsorientierung und -vorbereitung ins Leben gerufen, jetzt wurde es bis Sommer 2024 verlängert. Die IHK für München und Oberbayern beteiligt sich von Beginn an. Ebenso ist die Sparkasse Ingolstadt Eichstätt vom ersten Moment an dabei. Die Erfahrung nach sechs Jahren und jährlich zwei neuen Scouts: »Das Format hat uns schon etliche Bewerber für Ausbildungs- und Praktikumsstellen beschert«, sagt Tanja Rottler (43), Ausbildungsleiterin bei der Sparkasse Ingolstadt Eichstätt.

»Gymnasiasten hören wenig über die duale Ausbildung«

AusbildungsScout Hoch kam ebenfalls auf diesem Weg zur Sparkasse. »Die Schüler in den Gymnasien werden größtenteils aufs Studium vorbereitet und hören wenig über die duale Ausbildung«, sagt sie. »Daher hatte ich lange auch nicht an eine Ausbildung gedacht.« Nachdem ein AusbildungsScout in der Schule dann aber Einblicke in den Beruf des Bankkaufmanns gegeben hatte, war ihr Entschluss pro Ausbildung und für die Sparkasse gefallen.

Auszubildende werben Auszubildende – so lässt sich kurz und knapp das Prinzip des Projekts IHK AusbildungsScouts beschreiben. Dies ist auch der Grund, warum es so gut ankommt: Es ist eben nicht gleich, ob Lehrer oder Ausbilder Informationen über verschiedene Berufe geben oder ob Gleichaltrige von ihrem Alltag im Betrieb erzählen. Letzteres ist Berufsorientierung auf Augenhöhe.

Authentischer, glaubwürdiger

Junge Leute, die selbst vor Kurzem noch auf der Schulbank saßen und nun im Berufsleben stehen, sind authentischer und damit glaubwürdiger als Menschen mit 20 Jahren Berufserfahrung. »Sie werden viel mehr akzeptiert«, weiß Ausbildungsleiterin Rottler. Außerdem trauen sich die Schüler eher, Fragen zu stellen. »Die Sprache der jungen Leute ist anders«, sagt sie. »Somit können die Azubis die Schüler besser motivieren als jeder andere.«

Gleichzeitig, da die Scouts selbstverständlich erzählen, bei welchem Arbeitgeber sie beschäftigt sind, repräsentieren sie das Unternehmen. Das Programm IHK AusbildungsScouts ist folglich eine gute Möglichkeit, sich als attraktiver Arbeitgeber in der Region einen Namen zu machen. »Es ist eine gute Werbung für uns als Unternehmen«, unterstreicht Rottler.

Aktuell sind rund 260 Azubis aktiv - auch virtuell

Andere Ausbildungsbetriebe sehen das genauso. Kein Wunder, dass sich in den vergangenen sechs Jahren mehr als 500 Unternehmen an dem Format beteiligt und seither mehr als 1.400 Scouts in die Schulen geschickt haben (siehe Stichwort unten). Und jedes Jahr stehen wieder neue Azubis in den Startlöchern, um ihre Vorgänger, die nach bestandener Prüfung ihren »Job« niederlegen müssen, zu beerben. Selbst Corona konnte die Beliebtheit und den Erfolg nicht dämpfen. Aktuell sind rund 260 Azubis aktiv. Über den Winter haben sie ihre Einsätze fast ausschließlich virtuell abgehalten. Seit einigen Monaten sind sie laut IHK-Regionalkoordinatorin Marie Kostner größtenteils wieder »vor Ort« in den Schulen.

So wie zum Beispiel Nicole Simon, technische Produktdesignerin bei der Seidenader Maschinenbau GmbH in Markt Schwaben. Bis zum Ausbildungsende im Sommer war sie mehrfach als AusbildungsScout im Einsatz. Für sie nachgerückt ist Annika Wagner, seit Kurzem Azubi im Betrieb. Insgesamt hat die Firma seit 2016 schon rund zehn Azubis in dem Programm angemeldet. »Wenn jemand als Scout aufhören musste, weil er die Ausbildung beendet hat, hat er immer selbst einen Nachfolger gesucht«, sagt Lisa Fleischmann (29), in der Personalabteilung von Seidenader Maschinenbau für die Ausbildung zuständig.

»Die Azubis bekommen eine Bühne«

Allein diese Form des jahrgangsübergreifenden Miteinanders ist ein Gewinn für jeden Azubi und damit für den Betrieb. Darüber hinaus stärkt das Präsentieren vor einer Schulklasse das Selbstbewusstsein der jungen Leute. »Sie lernen, sich Netzwerke mit anderen Scouts aufzubauen, und trainieren das Kommunizieren«, sagt Fleischmann. Außerdem, und auch das ist wichtig: Es macht ihnen Spaß und erfüllt sie mit Stolz. »Die Azubis bekommen eine Bühne«, ergänzt Sparkassen-Ausbildungsleiterin Rottler.

Die Unternehmen profitieren von engagierten Azubis mit zusätzlichen Kenntnissen. Vor allem aber ist das Format effizientes Ausbildungsmarketing. »Wir beteiligen uns, um auf unseren Betrieb aufmerksam zu machen, Bewerber für Ausbildungsplätze zu gewinnen und somit Fachkräfte zu entwickeln«, erklärt Personalerin Fleischmann. »Das Programm ist eine der besten Möglichkeiten, junge Menschen von der Berufsausbildung zu überzeugen.«

Wissen, was sich hinter den Ausbildungsberufen verbirgt

Oft wüssten die Schüler nicht, was sie nach der Schule machen sollten. Vor allem sei ihnen nicht bewusst, was sich hinter den Ausbildungsberufen verberge. Genau da setzen die AusbildungsScouts an: Sie berichten von ihren Erfahrungen, geben Einblick in die Tätigkeiten und Abläufe im Betrieb. Für viele Schüler sind solche Berichte der Auslöser, sich zu bewerben. »Wir fragen unsere Bewerber regelmäßig, wie sie auf den Beruf und auf unser Unternehmen aufmerksam wurden«, sagt Fleischmann. »Häufig hören wir dann, dass es die IHK AusbildungsScouts waren.« Viele Bewerber sagen, dass sich die Präsentation der Scouts »gut angehört habe«.

AusbildungsScout Hoch von der Sparkasse Ingolstadt Eichstätt freut sich über solche Rückmeldungen, verweist aber auch auf die gute Vorbereitung durch die IHK: »Im Seminar haben wir wertvolle Tipps für die Präsentation bekommen.«

Stichwort: IHK AusbildungsScouts
  • Unternehmen, die bisher teilgenommen haben: mehr als 500
  • Schulen, die sich beteiligt haben: mehr als 230
  • Derzeit aktive AusbildungsScouts: 258
  • Durchgeführte Vorbereitungsseminare für neue Scouts: 160
  • AusbildungsScouts insgesamt: 1.455
  • Besuchte Schulklassen: 1.891
  • Dort erreichte Schüler: 38.774

Mehr Informationen auf der BIHK-Website der AusbildungsScouts

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