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Westbalkan – attraktiv für bayerische Firmen, hier Serbiens Hauptstadt Belgrad.

Der Westbalkan bietet etliche Geschäftschancen, vor allem als Beschaffungsmarkt. Ein Überblick über die Vorteile einer Region, die sich dynamisch entwickelt.

Von Sabine Hölper, IHK-Magazin 04/2024

Ende 2022 hat die MTU Aero Engines AG in Serbien ein neues Werk eröffnet. Aktuell reparieren dort rund 300 Mitarbeiter Triebwerksteile. Damit ist der Standort Nova Pazova in der Nähe der Hauptstadt Belgrad ein wichtiger Bestandteil des weltweiten MRO-Netzwerks des Münchner Triebwerksherstellers und Instandhalters für Flugzeugtriebwerke. MRO steht für Maintenance, Repair and Overhaul, zu Deutsch Wartung, Reparatur und Überholung. Dieser Geschäftszweig wird, neben der Herstellung neuer Flugzeugtriebwerke, immer wichtiger, sagt MTU-Pressesprecher Markus Wölfle (45).

Ersatzteile sind knappe Güter. „Reparieren ist deshalb günstiger, als neu zu bauen, und zudem nachhaltiger.“ Hinzu kommt: Die Luftfahrtbranche wächst – und somit das Reparaturvolumen. Im serbischen Werk soll mittelfristig eine Kapazität von 470.000 Reparaturstunden pro Jahr aufgebaut werden. Die aktuelle Kapazität von rund 1,9 Millionen  Reparaturstunden pro Jahr wird damit um etwa 25 Prozent erhöht. „500 Mitarbeiter sollen künftig in Nova Pazova arbeiten“, sagt Wölfle.

Fachkräfte-Ausbildung vor Ort

MTU hat sich für den Standort in Serbien entschieden, weil Deutschland recht schnell über den Landweg erreicht werden kann. „Zwischen unseren Werken in Hannover und Serbien transportieren wir die Teile per Lkw“, sagt Wölfle. Vor allem aber die Möglichkeit, Fachkräfte vor Ort auszubilden, war für das Unternehmen ausschlaggebend. Gemeinsam mit dem serbischen Bildungsministerium baut es die Aviation Academy in Belgrad zu einem führenden Ausbildungszentrum für Luftfahrtberufe aus. Die ersten Spezialisten der MTU Maintenance Serbia haben dort bereits Schulungen absolviert.

Die 6 Westbalkanstaaten Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien bieten für oberbayerische Firmen seit Jahren interessante Geschäftschancen. Insbesondere größere Unternehmen haben Produktionsstandorte eröffnet. „Die Investitionen nehmen stark zu“, sagt Antje Wandelt (55), Delegierte der AHK Nordmazedonien.

Günstig, stark industriell geprägt, unkompliziert

Vor allem aber blüht der bilaterale Handel. Aufgrund der wettbewerbsfähigen Kostenstruktur, der guten logistischen Anbindung und einer starken industriellen Basis gewinnen die Länder in Südosteuropa insbesondere als Beschaffungsmarkt mehr und mehr an Bedeutung. Mittelständler können im Westbalkan günstig und unkompliziert Teile einkaufen. Das gilt vor allem für die Warengruppen Zeichnungsteile, Stanz- und Biegeteile, Guss, Stahl, Montage, Plastik und Schweißteile.
 
Um kleinen und mittelständischen Unternehmen das Sourcing auf dem Westbalkan zu erleichtern, führt der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) jährlich eine sogenannte Einkaufsinitiative in verschiedenen Städten durch. Die nächste findet im Sommer in München statt. Hier treffen Einkäufer auf rund 120 Lieferanten aus dem Westbalkan. „Die Einkaufsinitiative folgt dem Reverse-Fair-Prinzip“, sagt Lisa Immensack, Projektmanagerin beim BME. „Jeder Einkäufer bekommt einen B2B-Tisch, auf dem er Teile auslegt. Die Lieferanten schauen dann, welche sie fertigen können.“

Partnersuche über Einkaufsinitiative

Muamer Babajic, Geschäftsführer der Masterwerk GmbH, eines Engineering- Dienstleisters für Automatisierung, SPS-Programmierung und Robotik, war schon bei der ersten Einkaufsinitiative vor 10 Jahren in München dabei. „Die Veranstaltung war sehr gut vorbereitet und deshalb hilfreich bei der Partnersuche“, sagt der 43-Jährige.
 
Die Eltern des Münchner Mittelständlers kommen aus Bosnien und Herzegowina, deshalb hat er einen Bezug zur Region. Aber nicht nur aus diesem Grund hat er mit diversen Firmen auf dem Westbalkan Kooperationen aufgebaut und in Bosnien und Herzegowina sowie in Serbien ein Projekt für den Kunden BMW gestartet. Seiner Meinung nach sind die Firmen im Westbalkan sehr engagiert. „Sie haben Hunger“, sagt Babajic.

Qualität, Motivation und Liefersicherheit als Pluspunkte

Antje Wandelt von der AHK Nordmazedonien bestätigt das: „Die Qualität und die Arbeitsmotivation der Mitarbeiter sind hoch.“ Als weitere Vorteile der Region nennt sie die Nähe zwischen dem Westbalkan und Deutschland. „Die Frachtkosten sind insgesamt erheblich gestiegen, die Lieferketten sind weltweit angespannt“, sagt Wandelt. „Da ist es für die Unternehmen wichtig, verlässliche Partner in Europa zu haben, die schnell reagieren und Liefersicherheit bieten.“
 
Die Automobilindustrie arbeitet aus diesem Grund schon seit vielen Jahren mit Firmen auf dem Westbalkan zusammen, ebenso wie die Textilbranche. Jetzt kommen auch immer mehr Unternehmen aus anderen Sparten hinzu, etwa Hersteller medizinischer Produkte, die metallverarbeitende Industrie, Photovoltaikanbieter oder Batteriehersteller. „Wir registrieren eine zunehmende Nachfrage nach spezifischen Bauteilen in kleinem Umfang, das geht schon fast in Richtung Maßanfertigung“, sagt Wandelt.

Hoffen auf den EU-Beitritt

Natürlich gibt es hier und da noch Hürden. Unternehmer Babajic etwa wünscht sich weniger Bürokratie. „Ein EU-Beitritt würde vieles harmonisieren“, sagt er. Korruption ist ebenfalls ein Thema. Viel wichtiger sei Unternehmen laut AHK-Expertin Wandelt aber, dass die 6 Länder sicher sind. Auch politische Spannungen, insbesondere zwischen Serbien und Kosovo, beinträchtigen die wirtschaftlichen Beziehungen offenbar nicht nachhaltig. Im Gegenteil: Im Ranking der Handelspartner belegt Deutschland Platz 1.

IHK-Veranstaltungstipp Business Breakfast Westbalkan:

Beim Business-Frühstück können sich interessierte Mittelständler einen Überblick über den seit Jahren dynamisch wachsenden Wirtschaftsraum Westbalkan verschaffen. Sie erhalten Informationen über aktuelle Trends und Geschäftschancen.

Aus erster Hand berichten die Experten Martin Gaber, Korrespondent für die sechs Länder bei der Germany Trade & Invest (GTAI), sowie Milan Krstić von der AHK Serbien.

Ort: IHK für München und Oberbayern, Max-Joseph-Straße 2, 80333 München

Termin: 16. April 2024, 9–11 Uhr

Die Veranstaltung ist kostenfrei, eine Anmeldung ist erforderlich. Anmeldungen hier auf der Webseite der IHK zum Business Breakfast Westbalkan.

IHK-Veranstaltungstipp 10. Einkaufsinitiative Westbalkan

Der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) führt in Zusammenarbeit mit den Außenhandelskammern des Westbalkans und der IHK für München und Oberbayern die 10. Einkaufsinitiative Westbalkan durch. Die Veranstaltung richtet sich an kleine und mittlere Unternehmen. Sie erhalten einen effektiven Marktzugang zu einer bedeutenden Sourcing-Region.

Etliche Lieferanten der Westbalkan-Staaten präsentieren sich. Sie decken vor allem die Warengruppen Zeichnungsteile, Stanz- und Biegeteile, Guss, Stahl, Montage, Plastik und Schweißteile ab.

Ort: IHK für München und Oberbayern, Max-Joseph-Straße 2, 80333 München

Termin: 12. Juni 2024

Kosten: 250–500 Euro – je nach Umsatz bzw. Anzahl der Mitarbeiter

Anmeldungen hier auf der Webseite der IHK zur 10. Einkaufsinitiative Westbalkan

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