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Verfügt über viele, aber nicht unendliche Ressourcen – die Erde

Der nationale Erdüberlastungstag am 2. Mai 2024 gibt den Anstoß: Wer gründet, sollte den sozialen und ökologischen Impact sofort mitdenken. Dabei unterstützen der Social Startup Hub Bayern oder die Stadt München.

Von Gabriele Lüke, 05/2024

Am 2. Mai 2024 ist eigentlich Schluss… An diesem Tag haben die Deutschen alle natürlichen Ressourcen ausgeschöpft, die ihnen die Erde für dieses Jahr 2024 anteilig zur Verfügung stellt. „Ab dem 3. Mai leben wir also über unsere Verhältnisse“, sagt IHK-Nachhaltigkeitsfachfrau Henrike Purtik. „Wir Deutschen bräuchten pro Jahr quasi drei Erden, um all das zu regenerieren, was wir verbrauchen.“

Der 2. Mai ist der sogenannte deutsche Erdüberlastungstag; in anderen Ländern liegt dieser Tag früher oder später im Jahr. Berechnet werden die Erdüberlastungstage vom Global Footprint Network im US-amerikanischen Oakland. Sie sind als Aufruf gedacht, nachhaltig mit den Ressourcen der Erde umzugehen, um so auch die Klimaziele besser zu erreichen.

Nachhaltigkeit ist in der Wirtschaft angekommen

„Jeder kann dazu beitragen“, sagt Purtik. Ihr Blick gilt der Wirtschaft. „Inzwischen integrieren immer mehr Unternehmen Ressourcenschonung und Klimaschutz in ihre bestehenden Geschäftsmodelle – aufgrund gesetzlicher Anforderungen oder einfach aus Überzeugung. Impact beziehungsweise Social Startups sehen von vornherein ihre Geschäftsidee darin, soziale oder ökologische Probleme wirtschaftlich zu lösen.“  

Schweben statt fahren

Als Impact Startup versteht sich auch die Ottobahn GmbH in München. Sie möchte den Stadtverkehr ökologisch transformieren. „In den großen, kontinuierlich weiterwachsenden Städten fahren wir über- und unterirdisch, bauen Straßen, U-Bahn- und S-Bahnstrecken immer weiter aus.

Dennoch sind die Verkehrssysteme massiv überlastet“, erläutert Ottobahn-Gründer Marc Schindler. „Wir hängen Züge nun einfach in die Luft, lassen sie fünf bis zehn Meter über dem Boden fahren. So entlasten wir die überfüllten Straßen und bestehenden Bahnsysteme und schaffen eine zusätzliche Möglichkeit, von A nach B zu kommen oder Fracht zu transportieren.“ Für diesen Ansatz hat das Unternehmen im Jahr 2023 den Deutschen Nachhaltigkeitspreis gewonnen.

Individuell und öffentlich zugleich fahren

Wer die altehrwürdige Wuppertaler Schwebebahn kennt, hat eine Vorstellung davon, wie die Ottobahn grundsätzlich funktionieren wird. Dabei geht Schindler noch weiter. Die Ottobahn soll eine innovative Kombination aus Individualverkehr und öffentlichem Nahverkehr werden: Die Kabinen sind in Autogröße, sie lassen sich modular immer wieder neu zu Zügen zusammenstellen. Die Abfahrtzeiten sind nach Bedarf steuerbar.

Die Ein- und Ausstiegspunkte sind flexibel, so kommen die Fahrgäste fast von Tür zu Tür, in der Regel ohne Zwischenstopp. Zusatzleistungen wie Erfrischungsgetränke oder Arbeitsplätze in den Kabinen sind angedacht. Gebucht werden die Kabinen per App. „So soll die Ottobahn langfristig das Auto ersetzen“, sagt Schindler. „Schon das ist ressourcen- und klimaschonend. Zugleich wird sie über ein integriertes Solarsystem vollelektrisch und CO2-frei betrieben.“

Inzwischen führen Schindler und sein Team viele Gespräche mit Investoren und Industriekunden in Deutschland, aber auch mit verschiedenen Megastädten im Ausland, arbeiten zugleich weiter an Prototyp, Referenzstrecke und den Details.

Beratung für Impact-Unternehmen

Wer ebenso wie Ottobahn mit einer Geschäftsidee ökologisch und sozial wirken möchte, muss die Gründung nicht allein stemmen. Unterstützung leisten unter anderem der Social Startup Hub Bayern oder das Team Impact Entrepreneurship & Social Innovation der Landeshauptstadt München (LHM).

Der Social-Startup-Hub Bayern startete im September 2022 auf Initiative des Freistaats Bayern. Er wird getragen von der Social Entrepreneurship Akademie (SEA). „Als zentrale Anlaufstelle in Bayern beraten und begleiten wir Unternehmen, die einen Impact erzielen wollen, in der Gründungsphase. Zudem vernetzen wir sie untereinander sowie mit Investoren und Förderern“, erläutert SEA-Direktorin Kristina Notz. Und zwar sowohl diejenigen,

  • deren Geschäftsidee es ist, ein ökologisches oder soziales Problem zu lösen – etwa Unternehmen, die betriebliche Kinderbetreuung, Pfandsysteme für To-go-Kaffeebecher, Berufsintegration für Geflüchtete aufbauen oder an der Verkehrswende arbeiten.
  • Beraten werden aber auch diejenigen, deren Geschäft nicht (ausschließlich) auf eine soziale oder ökologische Problemlösung ausgerichtet ist, die aber dennoch von Anfang an soziale oder ökologische Ansätze mitdenken wollen: etwa Firmen, die ganz normale Dekoartikel verkaufen oder Webseiten bauen, zugleich aber auch faire Lieferketten installieren oder sich energetisch optimieren möchten.
Nachhaltigkeit stets mitdenken

„Es muss nicht gleich das Geschäftsmodell sein, aber der Impact-Gedanke sollte in Zukunft in jede Gründung einfließen“, wünscht sich Notz. „Wenn das zum Selbstverständnis wird, meistern wir auch Herausforderungen wie die Ressourcenübernutzung oder den Klimawandel viel besser.“

In die Stadtgesellschaft hineinwirken

Beratung, Begleitung und Vernetzung für soziale und ökologische Gründungen bietet auch das Team Impact Entrepreneurship & Social Innovation der Landeshauptstadt. „München soll bis 2035 klimaneutral sein. Da ist die Wirtschaft ein starker Faktor“, erklärt Teammanagerin Birgit Siepmann. „Die Gründer stellen uns ihre Idee vor, wir prüfen, inwieweit München davon sozial oder ökologisch profitieren kann und vernetzen die Gründer im besten Fall gleich mit den passenden Stellen innerhalb der städtischen Administration.“ Siepmann freut sich: „So setzen wir Ideen zum sozialen Nutzen der Stadtgesellschaft oder der Klimaneutralität gleich gemeinsam um.“

Doch auch in der klassischen Gründungsberatung der LHM werden soziale und ökologische Fragen inzwischen stets mit angesprochen. Wer sich als bestehendes Unternehmen sozial oder ökologisch engagieren will, erhält bei der Fachstelle Unternehmensengagement Unterstützung. Darüber hinaus ist München Teil des Umweltberatungs- und Klimaschutzprogramms ÖKOPROFIT und bietet Unternehmen eine qualifizierte Unterstützung für umweltfreundliches Wirtschaften.  

Vier Handlungsfelder definiert

Aktuell entwickelt die Stadt ihre Ansätze in einer Social Innovation Strategie weiter. Diese sieht vier Handlungsfelder vor:

  • Impact Entrepreneurs unterstützen
  • Vergabe und Beschaffung innovationsfreundlicher gestalten
  • Kompetenzen und Bewusstsein für Social Innovation in allen Bereichen der Stadtgesellschaft entwickeln
  • und das Thema Impact Entrepreneurship insgesamt sichtbarer machen
Positive wirtschaftliche Folgen

Henrike Purtik hält das für die richtigen Wege: „Den Impact immer mitzudenken – das ist nicht nur ökologisch und sozial nachhaltig, sondern auch wirtschaftlich: Partner, Kunden, Investoren und Mitarbeitende achten verstärkt darauf. Mit Nachhaltigkeit und Impact lässt sich gleich mehrfach punkten.“

IHK-Infos: 9 Link-Tipps zu nachhaltiger Gründung und nachhaltigem Wirtschaften

Gründende, die den Impact-Gedanken von vornherein einbinden, finden hier Unterstützung:

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