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Ein durchdachter Plan

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Übergabe in Etappen – Katja Lindo übernahm die Geschäftsführung von LA VILLA schrittweise

Die Nachfolge ist für viele Mittelständler eine große Herausforderung. Gelingen kann sie nur mit sorgfältiger Vorbereitung und Geduld. Ein fließender Übergang hilft.

Von Sabine Hölper, IHK-Magazin 03/2024

Als Katja Lindo von ihrer Stiefmutter gefragt wurde, ob sie die Leitung des Tagungs- und Veranstaltungshotels LA VILLA am Starnberger See übernehmen möchte, sagte sie spontan: „Auf gar keinen Fall.“ Sie lebte damals in den USA, war zufrieden mit ihrem Beruf und der langjährigen Wahlheimat.

Heute sitzt die 48-Jährige als gut gelaunte Geschäftsführerin des Hotels in ihrem Büro. „Ich habe schließlich doch zugesagt, in die Heimat nach Oberbayern zurückzukehren“, sagt Lindo. Allerdings – das war die Voraussetzung – stieg sie 2017 erst als Sales- und Marketingmanagerin ins elterliche Unternehmen ein. Die Geschäftsführung übernahm sie 3 Jahre später.

Nur zu 36 Prozent: Übergabe in der Familie

Ein Glück, wenn die Unternehmensübergabe so reibungslos läuft. Leider ist das eher selten der Fall. Gerade die Sprösslinge winken immer häufiger ab. Entweder sie haben sich längst in ihrem eigenen Job gut eingerichtet. Oder aber sie haben als Kinder und Jugendliche erlebt, wie die Eltern sich 12 Stunden und mehr am Tag reinknien – und lehnen es ab, das Gleiche zu tun. Auch aus diesem Grund wollen laut einem aktuellen DIHK-Report nur noch 36 Prozent der befragten Unternehmer ihr Lebenswerk an die Kinder übergeben. 17 Prozent planen, den Betrieb an Mitarbeitende, 47 Prozent an Externe zu übertragen.

36.500 bayerische Betriebe suchen Nachfolger

Gleichzeitig wächst der Bedarf an Nachfolgern. In Bayern stehen bis Ende 2026 rund 36.500 Unternehmen mit fast 620.000 Mitarbeitern zur Übergabe an. Außerdem werden die Seniorchefs immer älter. Ein Drittel ist mindestens 60 Jahre alt.

Unternehmen attraktiv machen

Genau das sieht Markus Neuner, Nachfolgeexperte bei der IHK für München und Oberbayern, kritisch. Seiner Erfahrung nach sollten Chefs, 10 Jahre bevor sie ihre Firma übergeben wollen, mit den Vorbereitungen beginnen. „Der ideale Zeitpunkt ist mit Mitte 50“, sagt der Experte. Schließlich steht vor der finalen Übertragung noch an, das Unternehmen für potenzielle Übernehmer attraktiv zu machen, es zu modernisieren, zu digitalisieren, es auf wirtschaftlich gesunde Füße zu stellen. Das gilt insbesondere, wenn Externe oder Mitarbeitende die Firma übernehmen. Für sie ist die Übernahme eines kränkelnden Unternehmens in der Regel keine Option.

Anders sieht es manchmal bei Familienbetrieben aus. Katja Lindo übernahm ein Unternehmen, das wirtschaftlich nicht stabil war. „Wir hatten keine Rücklagen und standen wegen Corona kurz vor der Insolvenz“, sagt sie.

„Liebhaberei des Vaters fortführen“

Dass Lindo dennoch die Nachfolge antrat, liegt daran, dass sie nach 20 Jahren in den USA wieder eine stärkere Verbindung zur Familie herstellen wollte. „Ich wollte die Liebhaberei meines Vaters fortführen“, sagt sie. Ihr Vater Michael Roever hatte das Tagungshotel vor 34 Jahren eröffnet. Ein paar Jahre später verstarb er im Alter von 56 bei einem Autounfall.

Hinzu kam, dass Stiefmutter Andrea Roever bis heute die alleinige Gesellschafterin ist. Langfristig kann sich Lindo bezüglich der Eigentümerschaft zwar eine Veränderung vorstellen. Doch aktuell ist das noch kein Thema. Die neue Geschäftsführerin ging somit kein allzu großes Risiko ein.

Start ausgerechnet in der Coronazeit

Leicht war die Anfangszeit mit den schlechten Bilanzen inmitten der Pandemie trotzdem nicht. Aber die Ökonomin und Sportlerin mit 2 Hochschulabschlüssen sowie Erfahrung als Führungskraft in diversen Unternehmen packte die Aufgabe mit ihrer pragmatischen und stoischen Art an. Sie beantragte Förderkredite und strukturierte um. „Ich habe genau geschaut, wo wir straffer werden können, auch mithilfe eines sehr kompetenten Beraters“, sagt sie.

Förderkredite und eigene Akzente

Zudem habe sie „kulturell vieles umgekrempelt“ und damit das Team noch mehr motiviert, das Beste zu geben. „Ich habe eingeführt, dass sich alle duzen, und ich habe in einigen Abteilungen die Uniformen abgeschafft“, so Lindo. Das Team habe auch mehr Autonomie erhalten.

„Jetzt habe ich eine engagierte Mannschaft mit 30 Festangestellten und 10 bis 15 Azubis und es besteht ein tiefes gegenseitiges Vertrauen“, sagt die Unternehmerin und betont, wie sehr die langjährige Hoteldirektorin Margarete Schultes sie unterstützt habe. Insgesamt war es für alle eine Win-win-Situation: Lindo als neue Geschäftsführerin wurde nicht ins eiskalte Wasser geworfen. Und Andrea Roever als Übergeberin kennt die Frau, die ihr Hotel jetzt führt, lange und gut.

Tipp: Nachfolgebörsen nutzen

Andere Seniorchefs haben es da schwerer: Wer nicht in der Familie fündig wird, muss sich auf die Suche nach einem externen Nachfolger begeben. Dafür gibt es zwar etliche Möglichkeiten, wie zum Beispiel die überregionale Nachfolgebörse nexxt-change.org oder lokale Börsen und Zusammenkünfte, etwa die Nachfolgebörse der IHK für München und Oberbayern. Häufig müssen die Seniorchefs jedoch zahlreiche Anläufe unternehmen und viele Gespräche führen, bis ein passender Nachfolger gefunden ist.

Mindestens zwei Jahre Vorbereitungszeit einplanen

Selbst wenn ein Kandidat in Aussicht steht, zieht sich die eigentliche Übernahme oft noch rund 2 Jahre hin. Die Firmenübergabe ist ein komplexer Prozess, der in der Regel die Beratung durch etliche Fachleute wie Steuerberater, Rechtsanwälte, Banken, Kammern einschließt. Im Falle einer außerfamiliären Lösung muss zudem die Finanzierung für den Kaufpreis stehen. „Bei den aktuell hohen Zinsen ist das leider häufig problematisch“, sagt Neuner.

Senioren müssen emotional loslassen

Was für alle – auch familieninterne – Übergaben laut dem IHK-Experten immens wichtig ist: dass Übergeber emotional loslassen können. Übernehmer wiederum dürfen die Aufgabe, die auf sie zukommt, nicht unterschätzen. Ferner muss Einigkeit darüber herrschen, ob die Übergabe abrupt erfolgt oder schrittweise.

Übernahme in kleineren Schritten

Katja Lindo und Andrea Roever haben sich für Letzteres entschieden. „Ich sehe immer das große Ganze, ich bin eine Strategin“, sagt die neue Geschäftsführerin, die auch Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Starnberg ist. Sie schaute ihrer Stiefmutter und der Hoteldirektorin 2,5 Jahre lang über die Schultern, übernahm zunehmend mehr Verantwortung und traf mehr Entscheidungen.

Vertrauen der Mitarbeiter gewonnen

Sie hätte es, aus Amerika an den Starnberger See kommend, nicht gut gefunden, direkt die Leitung zu übernehmen. „Ich musste mir zunächst Vertrauen erarbeiten“, sagt Lindo. „Erst als klar war, dass mich die Mitarbeiter als Führungskraft akzeptieren, konnte ich den Posten mit gutem Gewissen antreten.“

IHK-Info zum Generationswechsel

Ausführliche Informationen zu allen Facetten des Generationswechsels und der Firmenübernahme finden sich auf der IHK-Website.

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