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Klare Worte dank KI

SUMM AI ©
Macht Sprache leichter – das SUMM-AI-Gründungsteam Vanessa Theel (l.), Nicholas Wolf und Flora Geske

Wie lassen sich Texte so umformulieren, dass sie leicht verständlich sind? Das Münchner Start-up SUMM AI hat eine viel beachtete Lösung entwickelt.

Von Josef Stelzer, IHK-Magazin 04/2024

Als Flora Geske (30), Vanessa Theel (30) und Nicholas Wolf (27) im April 2022 die SUMM AI GmbH in München gründeten, hatten sie ein klares Ziel vor Augen: Sie wollten eine künstliche Intelligenz (KI) zur Marktreife entwickeln, die Texte in sogenannte Leichte Sprache übersetzt – also ohne schwer verständliche abstrakte Formulierungen, ohne Schachtelsätze, Fremdwörter oder Passivkonstruktionen. Selbst komplexe Zusammenhänge sollen mit Leichter Sprache auf Anhieb verständlich werden. Vom unkomplizierten Satzbau mit einfachen, verständlichen Wörtern profitieren Personen mit geringen Deutschkenntnissen, aber auch Menschen mit Behinderungen oder Lernschwächen.

Ihr Ziel haben die 3 erreicht. Noch im Gründungsjahr stellten Wirtschaftsinformatikerin Geske, Mathematikerin Theel und Informatiker Wolf ihr Tool fertig – und stießen auf reges Interesse. Zur Kundschaft gehören heute zum Beispiel Stadtverwaltungen und das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration, aber auch Medien- und Telekommunikationsunternehmen, Übersetzungsbüros sowie Sparkassen. Eingesetzt wird das Programm etwa mittels gängiger Browser als Web-Applikation, also ohne Software-Downloads oder Apps.

Leichte Sprache fördert Barrierefreiheit

Dass Werkzeuge, die komplizierte Texte verständlich machen, gefragt sind, liegt auch am Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Es regelt die Anforderungen für Produkte und Dienstleistungen, die nach dem 28. Juni 2025 für Verbraucher auf den Markt kommen. Das Gesetz gilt beispielsweise für Computer, Smartphones, Telekommunikationsdienste, Fernsehgeräte mit Internetzugang, Selbstbedienungsterminals, Bankservices und bestimmte Personenbeförderungsdienste. Zwar enthält das BFSG keine direkten Vorgaben für Leichte Sprache. Diese kann aber zu einer besseren Verständlichkeit beitragen und so helfen, BFSG-Anforderungen zu erfüllen.

SUMM AI hat für sein Produkt bereits öffentliche Anerkennung erhalten. Im Vorjahr bekamen die 3 Firmengründer den Smart Country Startup Award. So heißt der Innovationspreis, den der Digitalverband Bitkom an junge Unternehmen mit herausragenden Lösungen für den öffentlichen Sektor vergibt.

Verständliche Beiträge via Mausklick

„Städte und Gemeinden können sich mit künstlicher Intelligenz viel Geld und Zeit sparen, da nicht mehr jeder Text von externen Übersetzern und Übersetzerinnen zeitaufwendig in leicht verständliche Beiträge umformuliert werden muss“, erklärt Geschäftsführerin Geske die Vorteile. Was früher Tage oder Wochen gedauert habe und deswegen oft nicht umgesetzt worden sei, schaffe die KI jetzt per Mausklick in wenigen Sekunden.

Die Finanzierung des Start-ups mit derzeit 15 Beschäftigten steht auf mehreren Säulen. Zu den Investoren gehören der Münchner Risikokapitalgeber VENTURE STARS GmbH, die Nürnberger Müller Medien GmbH & Co. KG sowie Business Angels aus ganz Deutschland.

Schnell und vielseitig einsetzbar

Praxisbeispiele, wie das KI-Tool eingesetzt werden kann, gibt es mittlerweile reichlich. Die Stadt Aschaffenburg nutzt es, um jährlich rund 300 Pressemeldungen in Leichte Sprache zu übersetzen. Jeder Satz enthält nur eine Information und ist ohne Nebensätze oder Genitive formuliert. Damit werden Texte leichter lesbar. „Wir sind mit der KI sehr zufrieden, gelegentlich kommen zwar Fehler vor, die wir manuell berichtigen“, sagt Redakteurin Susanne Vielhauer (54), „doch die KI wird immer besser.“

Zum Einsatz kommt das SUMM-AI-Tool auch in Hamburg. Damit kann die Onlineredaktion die bereits auf dem Stadtportal veröffentlichten Inhalte per Knopfdruck in Leichte Sprache übersetzen. Die KI ist hierzu mit dem Content-Management-System (CMS) der Stadt verbunden. Mit ihr lassen sich zudem bestimmte Zielgruppen in Krisensituationen schnell und verständlich informieren.

„Mit den herkömmlichen Methoden wäre dies nicht möglich“, sagt Marcel Schweitzer (43), Sprecher des Hamburger Senats. Der große Vorteil der KI sei ihre Geschwindigkeit. Sie ermögliche es, Texte sowie Beiträge mit nur kurzer Aktualität zu veröffentlichen und somit Menschen mit Lernschwierigkeiten mehr Teilhabe anzubieten.

Nächster Schritt: Texte bebildern

Seit einiger Zeit werden in Hamburg auch Reden und Videobotschaften des Ersten Bürgermeisters Peter Tschentscher (SPD) in Leichte Sprache übersetzt. Um die Bearbeitung der per KI übersetzten Inhalte weiter zu vereinfachen, entwickelt die Pressestelle des Senats gemeinsam mit SUMM AI eine KI-basierte Bebilderung von Texten. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales fördert das Projekt.

Die Deutsche Telekom AG nutzt das Programm der Münchner, um auf ihrer Website Leichte Sprache anbieten zu können. Die Deutsche-Bahn-Tochter DB Regio AG verwendet sie, um Fahrgast- und Störungsinformationen bereitzustellen.

Sprechender Roboter im Amt: komplexe Infos in einfacher Sprache

Dass sich das Tool auch in Robotern einsetzen lässt, zeigte sich Anfang dieses Jahres auf einem Flur des Einwohnermeldeamts im Kieler Rathaus. Der sprechende Roboter Pepper informierte dort mit KI-Hilfe die Besucher zu diversen Themen. Er führte Gespräche auf Deutsch oder Englisch und übersetzte die teils komplexen Informationen in einfache Sprache. Das Dänisch-Deutsche Forschungszentrum für sicheres intelligentes eGovernment untersuchte dabei, wie die Amtsbesucher die Auskünfte des 1,20 Meter großen Roboters annehmen.

Neues Einsatzgebiet: Arbeitsplatzbeschreibungen

Nützlich könnte die SUMM-AI-Lösung zudem bei der Anwerbung von Arbeitskräften werden. „Gerade für Bewerber und Bewerberinnen, die wenig Deutsch verstehen, ist unser System wahrscheinlich sehr hilfreich, zum Beispiel für Leichte Sprache bei Arbeitsplatzbeschreibungen“, betont Geske. „Dank unserer KI lassen sich auch solche Inhalte verständlicher formulieren.“

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