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Der Paket-Kreislauf

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"Wir wollen vor allem den Onlinehandel für unsere Lösungen begeistern.“ Doris Diebold, Gründerin hey circle

Viele Start-ups arbeiten an wiederverwendbaren Versandverpackungen. Kunden reagieren aufgeschlossen auf die Mehrwegpakete, Unternehmen auch. Wie die Systeme funktionieren.

Von Stefan Bottler, IHK-Magazin 03/2024

Wochenlang durchkämmte Anja Frank, Geschäftsführerin der Frank Dental GmbH, den Versandmarkt. Sie suchte nach Mehrwegverpackungen für Ansichtssendungen, die das Gmunder Familienunternehmen an Zahnarztpraxen und Dentallabore schickt.

„Jeder Kunde oder Interessent soll unsere Produkte nicht nur im Onlinekatalog studieren, sondern auch zwei Wochen lang persönlich ansehen können“, sagt Frank. Anschließend schickt der Empfänger die Sendung im Originalzustand wieder zurück. „Für Mehrwegkonzepte bietet sich dieser Kreislauf geradezu an.“

Mehrweg = weniger Müll und CO2

Allerdings konnte kein großer Paketdienst eine überzeugende Lösung präsentieren. Ausgerechnet ein Mitarbeiter des DHL Innovation Center gab den entscheidenden Tipp. Er empfahl das 2021 gegründete Münchner Start-up hey circle GmbH. Das zehnköpfige Team um die frühere Lufthansa-Managerin Doris Diebold hat auf Basis von wiederverwendbaren Kunststoffboxen und -taschen ein IT-gestütztes Versandsystem aufgebaut, das in eine externe Paketlogistik integriert werden kann.

Jetzt verschickt Frank Dental seine Sortimentskästen ausschließlich mit diesen Boxen. „Die faltbaren Produkte sind sehr robust und können schnell aufgebaut und verschlossen werden“, lobt Frank. „Sie verbessern unsere Klimabilanz erheblich. Wir können den Verpackungsmüll um 94 Prozent reduzieren und 76 Prozent weniger CO2 verursachen.“

Recycling ist die schlechtere Lösung

Rund 4,15 Milliarden Paketsendungen (2022) werden laut Bundesverband Paket- und Expresslogistik (BIEK) jährlich in Deutschland verschickt. Jede in Kartons verpackte Sendung verursacht Müll. Außer dem Karton selbst müssen häufig auch Innenverpackungen entsorgt werden. Selbst wenn die weitaus meisten Materialien nach der Entsorgung recycelt werden, fällt die CO2-Bilanz unbefriedigend aus. Fürs Recycling werden schließlich Energie und Wasser verbraucht.

An Versuchen, Einweg- durch Mehrwegverpackungen zu ersetzen, hat es bislang nicht gefehlt. Einen frühen Vorstoß wagte der fränkische Büroartikelhändler Memo. Seit mehr als zehn Jahren bietet er Geschäftskunden die Zustellung in „Memo-Boxen“ aus Kunststoff an. Die Empfänger geben die Box innerhalb einer festgelegten Frist zurück oder zahlen rund 20 Euro, wenn sie diese behalten wollen.

Neue – smarte – Mehrweglösungen

Von solchen Pionieren unterscheiden sich neue Mehrweganbieter in entscheidenden Punkten: Sie haben außer Verpackungen auch Softwareprogramme entwickelt, die den gesamten Kreislauf bis zur Rücksendung abbilden und in die Systeme ihrer Kunden integriert werden. Die Unternehmen können so tracken, welche ihrer Verpackungen wo unterwegs sind und wie viele aktuell im Bestand existieren.

Die Verpackungen selbst gibt es in unterschiedlichen Größen. Sie werden in der Regel aus Polypropylen und anderen leichten Kunststoffen hergestellt. Sie sind leicht verschließbar und können auf DIN-A4-Größe zusammengefaltet werden. Das macht die Rückführung einfach. Der Empfänger gibt die zusammengefaltete Box einfach als Großbrief auf – in der Regel ist das für die Kunden gebührenfrei.

Mietboxen als weitere Variante

„Wir wollen vor allem den Onlinehandel für unsere Lösungen begeistern“, sagt hey-circle-Gründerin Diebold. Mit Paketdiensten führt sie deshalb Gespräche, wie sich Geschäftskunden, die keine eigenen Boxen und Taschen erwerben wollen, mit Mietlösungen unterstützen lassen. Die österreichische Post etwa bietet ab 2024 rund 40.000 Mehrwegtaschen an. Die Rücksendung läuft über IT-gestützte Pfandlösungen: Der Endkunde zahlt bei der Bestellung eine Pauschale im einstelligen Euro-Bereich und erhält diese erstattet, wenn die Verpackung wieder beim Versender eingetroffen ist.

Zum Üben: Mehrweg in der Intralogistik

Aktuell 8 Verpackungen in verschiedenen Größen und Formaten bietet die Firma an, eine 9. in Palettengröße folgt demnächst. Damit will Diebold vor allem Unternehmen begeistern, die ihre Intralogistik optimieren. Sie sind die zweite wichtige Zielgruppe des Start-ups. Weil hier 100-prozentige Rücklaufquoten garantiert sind, fällt der Wechsel leicht. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass viele Kunden, die sich für Mehrwegverpackungen interessieren, wegen der niedrigen Einstiegshürden mit der Intralogistik beginnen“, sagt Diebold.

Kunden reagieren aufgeschlossen

Das trifft zum Beispiel auf die VIU Deutschland GmbH zu. Der Münchner Spezialist für Designbrillen beliefert 4 der über 50 Filialen mit Mehrwegverpackungen. Jetzt will er weitere Filialen in den Kreislauf integrieren. Die Agentur Hansmann PR, ebenfalls aus München, verschickt mittlerweile auch Sendungen, die nicht retourniert werden, mit Mehrwegverpackungen. Von einwandfreien Rücklaufquoten berichtet Beraterin Tabea Grüner. „Unsere Geschäftspartner in der Medienbranche reagieren sehr aufgeschlossen auf unseren Umstieg.“

So wächst denn auch die Zahl der Anbieter von Mehrweglösungen. Die Münchner The Ocean Package UG wirbt zum Beispiel mit Boxen, die zum Teil aus Plastikmüll hergestellt werden, der am Meer eingesammelt wurde. In Hamburg haben bayerische und hanseatische Jungunternehmer das Start-up Boomerang Systems UG gegründet, das sich ebenfalls auf den Onlinehandel konzentriert.

Jeder 5. Kunde pro Mehrweg

Beim Endkunden kommen Mehrweglösungen offenbar gut an. „Jeder 5. Kunde entscheidet sich gegen Einwegverpackungen“, sagt Philipp Reuter, Gründer des Aschaffenburger Modelabels Dirts, der Boomerang-Verpackungen verwendet. In die Logistikkette konnten die Boxen und Taschen trotz eines kleinen Zusatzaufwands problemlos integriert werden: Weil Mehrwegverpackungen leicht zu öffnen sind, bestehen Transportversicherungen auf Plombierungen oder Versiegelungen.

Gute Ökobilanz bei Mehrweg zwingend

Bleibt eine wichtige Anforderung: „Wenn Mehrwegverpackungen wirklich Einwegverpackungen ersetzen wollen, müssen sie eine überzeugende Ökobilanz vorweisen“, sagt Sabrina Schröpfer, Referentin für Umweltpolitik bei der IHK für München und Oberbayern. Dies wollen alle Anbieter zumindest für den Nachlauf erreichen: Alle Taschen und Boxen, die ausgemustert werden, gelangen in die Recyclingströme für Polyester und Polypropylen. Vorher sind bis zu 50 Umläufe möglich. Recycelte Kartonagen schaffen hingegen höchstens 20 Umläufe.

Ansonsten spielt die Zeit den Newcomern in die Hände. 2030 soll den Vorschlägen der EU-Kommission zufolge jedes zehnte Paket in wiederverwendbaren Verpackungen verschickt werden.

IHK-Info zu Verpackungen

Weitere Infos, etwa zum Verpackungsgesetz oder zu nachhaltigen Verpackungen, gibt es auf der IHK-Website.

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