Alessandro Biascioli/Adobe Stock ©
Digital Natives – potenzielle Azubis lassen sich im Netz besonders gut erreichen

Keine Jobbörsen, keine Praktika, keine Schulbesuche – Corona krempelt das Azubi-Recruiting um. Werben auf Social Media bringt gute Erfolge.

Sabine Hölper, Ausgabe 06/2021

Peter Wiedemann (65), Geschäftsführer der Wiedemann Parfümerie GmbH, hat sein Ausbildungsrecruiting bisher auf drei Säulen gestellt: Schülerpraktika, Aushänge in den Schaufenstern seiner Geschäfte – und Social Media. Praktika sind in Lockdown-Zeiten nicht möglich. Plakate kann man zwar in die Schaufenster hängen, sie werden aber wenig beachtet, wenn kaum ein Kunde im Laden ein- und ausgeht. Bleibt das digitale Anwerben über Kanäle wie Instagram oder Facebook als aktuell wichtigster Baustein. Nach Ansicht des Unternehmers sind sie sowieso der beste Weg, um Azubis aufs Unternehmen aufmerksam zu machen und junge Leute für die Ausbildung zu gewinnen. »Wir sind damit erfolgreich«, sagt Wiedemann.

Die Zeiten ändern sich, der Bedarf der Unternehmen an guten Fachkräften bleibt. Vorausschauende Firmen suchen daher nach wie vor talentierte junge Leute für die Ausbildung. Leicht war das schon in den letzten Jahren nicht. Seit Beginn der Virus-Ausbreitung ist es noch schwieriger geworden. Denn viele etablierte Möglichkeiten, Kontakte zu potenziellen Bewerbern zu knüpfen, sind weggefallen: Azubi-Messen wie etwa die IHKjobfit! finden vorübergehend nicht statt. Auch Besuche und Bewerbertrainings in Schulen sind kaum noch möglich, geschweige denn ein Tag der offenen Tür im Unternehmen. Schulklassen dürfen nicht vorbeikommen, Praktikanten sind nahezu außen vor. Aber: Alles Digitale geht. Und es geht sogar ziemlich gut.

»Inhalte in Videos besser vermitteln als in herkömmlichen Annoncen«

»Instagram, TikTok – das sind die Plattformen, auf denen die jungen Leute zu Hause sind – und deshalb sind sie fürs Recruiting eine gute Wahl«, sagt Anja Fuchs, Bildungsberaterin bei der IHK für München und Oberbayern. »Ein Hashtag spricht die Jugendlichen heutzutage weit mehr an als eine Anzeige, sie stoßen ganz zufällig beim Surfen durchs Netz darauf und bleiben im Idealfall hängen.« Im Übrigen seien die sozialen Medien schon länger interessante Recruitingkanäle. »Corona wirkt lediglich wie ein Brandbeschleuniger.« Vor allem Instagram- und TikTok-Videos hält Fuchs für adäquate Mittel zur Ansprache der jungen Leute: »In den Videos kann ein Unternehmen Inhalte viel besser vermitteln als in herkömmlichen Annoncen.

Die Bandbreite an Möglichkeiten ist nach gut einem Jahr Corona allerdings noch größer. Vieles, was zuvor analog lief und nun digital möglich ist, wird auch digital umgesetzt. Beispiel AzubiScouts: Früher gingen die Azubis in die Abschlussklassen und gaben den Schülern Einblicke in ihre Berufe. Heute tun sie das über die Webcam – und die Jugendlichen sind genauso aufmerksam und begeistert. Beispiel Azubi-Messen: Früher bauten die Firmen Stände in Hallen auf und präsentierten sich den potenziellen Lehrlingen und ihren Eltern. Mittlerweile chatten sie online mit ihnen.

Azubi-Messen gehen online

Diverse Messen sind in den vergangenen Monaten ins Netz gegangen. Die »Woche der Ausbildung« der Bayerischen Staatsregierung lief Mitte März online ab, Ende Februar fand bereits die FirstWeek im Web statt, so wie im Herbst zuvor die LastWeek. Das Format geht auf die vor sechs Jahren von diversen Partnern, darunter der IHK, initiierte LastMinute zurück. Mit 36 teilnehmenden Firmen und rund 600 Besuchern war der digitale Ableger der Ausbildungsmesse noch kein durchschlagender Erfolg, »aber doch bedeutend besser als nichts«, sagt Cengiz Onur, Referent für Arbeit und Wirtschaft bei der Landeshauptstadt München.

Christian Wiedemannn (47), Personalkoordinator beim Pflegedienstleister MÜNCHENSTIFT GmbH, hat sich sowohl an der LastWeek als auch an der FirstWeek beteiligt und spricht von einer überschaubaren Zahl an Kontakten dort. Dennoch wird er, sofern es in nächster Zeit keine Präsenzmessen gibt, bei der nächsten digitalen Variante wieder dabei sein, um die jährlich benötigten 150 Azubis für die Pflege zu finden. Die größeren Recruitingerfolge, so Wiedemann, habe MÜNCHENSTIFT jedoch über die sozialen Medien erzielt. »Wir haben potenzielle Interessenten über Facebook- und Instagram-Anzeigen angesprochen. Mit einem Klick sind sie auf unserer Webseite gelandet, direkt auf der Seite mit der speziellen Azubi-Kampagne.« Dieses Vorgehen sei effizient gewesen. »Wir konnten die offenen Plätze besetzen.«

Branchenübergreifender Trend des Online-Recruitings

Derartige Erfolge zeigen: Der Ausnahmezustand hat vielleicht auch etwas Gutes. Er macht Unternehmen, die bislang stark auf analoges Azubi-Marketing gesetzt haben, klar, dass das Werben in der digitalen Welt auch aufgeht. Vielleicht sogar besser. Die potenziellen Azubis sind nun einmal Digital Natives. Sie sind ohnehin im Internet und dort in den sozialen Medien aktiv. Also sollte man sie dort ansprechen und abholen.

Das hat auch die Münchner Bank eG erkannt. Auf Facebook ist das Geldhaus schon länger präsent, auf Instagram seit 2020. »Als moderne Genossenschaftsbank war und ist es uns wichtig, neue junge Mitglieder für unser Netzwerk und genossenschaftliches Banking zu begeistern. Dazu gehört für uns inzwischen ebenso Insta – nicht nur für unsere jungen Mitglieder, sondern auch als Ansprachekanal für interessierte junge Bewerber, die einen Ausbildungsplatz suchen«, sagt Claudia Zink (50), Leiterin Privat- und Gewerbekunden.

Selbst aktiv werden wirkt

Außer auf Instagram präsentiert sich die Bank seither ebenfalls auf der digitalen Jobbörse Azubi.de. »Diese neuen Kanäle haben uns einen Schwung an Anfragen gebracht«, sagt Ausbilderin Ilektra Lamprousi (31). Der Erfolg auf diesen Plattformen erklärt sich auch daraus, dass die Azubis dort selbst aktiv werden. Sie drehen kleine Videos, stellen sich und den Beruf vor. Diese Authentizität kommt an. Davon ist auch Parfümerie-Unternehmer Wiedemann überzeugt. »Einer unserer erfolgreichsten Spots auf Instagram war der, bei dem unsere Azubis Nachfolger gesucht haben«, sagt er. Sein Resümee nach mehreren Jahren in den sozialen Medien: »Kostet am wenigsten, bringt am meisten.«

Verwandte Themen