ProGlove ©
Technologie am Arm – tragbares Miniterminal für mobile Datenerfassung

Mit sogenannten Wearables beschleunigt ProGlove Abläufe im Lager. Seit dem Start 2016 Jahren hat das Unternehmen seine Produkte konsequent weiterentwickelt.

Von Stefan Bottler, IHK-Magazin 07-08/2025

Die Innovation wiegt 65 Gramm, liegt bequem auf dem Handrücken auf und misst alle möglichen Lagerdaten. Mit dem Miniterminal „MAI“, einem Gerät für mobile Datenerfassung (MDE), will das Unternehmen ProGlove aus München Lagermitarbeiter entlasten und Lagerarbeiten effizienter machen.

„MAI ist das kleinste und leichteste Gerät seiner Art“, versichert Stefan Lampa, ProGlove-Geschäftsführer seit 2023. Für die Bedienung reichen 4 konfigurierbare Knöpfe, der Akku soll den ganzen Tag durchhalten und über eine Schnittstelle ist eine Integration in das Lagerverwaltungssystem möglich. „Das Lagermanagement kann ineffiziente Arbeitsabläufe sofort erkennen und diese in Echtzeit optimieren“, sagt Lampa, der zuvor bei verschiedenen großen Automatisierungs- und Logistikunternehmen als Manager tätig war.

Kundenfeedback initiiert Produktwandel

Mit „MAI“ will ProGlove auf Kurs bleiben. Seit das Unternehmen 2015/16 gegründet wurde, haben sich seine Produkte deutlich gewandelt. ProGlove hat kontinuierlich an der Optimierung gearbeitet – und dabei konsequent das Feedback der Kunden berücksichtigt.

Gegründet wurde die Firma von 4 Absolventen und Studenten der Technischen Universität München (TUM). Ihr Ziel: Mit sogenannten Wearables, also Computern, die am Körper getragen werden, sollen Lagermitarbeiter logistische Abläufe beschleunigen.

Die Idee hatte Mitgründer Paul Günther, der damals beim Autohersteller BMW als Werkführer arbeitete und sich dort ein Bild über den Materialfluss in Logistik und Fertigung machen konnte: Wenn Mitarbeiter Produkte und Komponenten abscannten, mussten sie immer eine Hand für das MDE-Gerät frei haben, was die Abläufe erheblich verlangsamte. Günther wollte das ändern.

Dank Wearable-Wettbewerb zum Vorreiter

Mit seinen Kommilitonen entwickelte er im Gründer- und Innovationszentrum UnternehmerTUM in Garching einen Handschuh mit eingebautem Scanner und beteiligte sich mit diesem Prototyp an einem Wearable-Wettbewerb des US-Halbleiterherstellers Intel. Das Team gewann den 3. Platz und Preisgelder von insgesamt 250.000 Dollar (ca. 220.000 Euro).

Jetzt musste der Prototyp zu einem marktreifen Produkt weiterentwickelt werden. Auf dem Markt fanden die 4 Gründer weder Handschuhe noch Scanner, die für Wearable-Lösungen geeignet waren. Sie mussten deshalb eigene Produkte ausarbeiten.

„Ganzheitliches Produktverständnis“, darin sieht Lampa den steilen Aufstieg von ProGlove begründet. „Wir entwickeln die Wearables inklusive Scanner vollständig im eigenen Haus und können nur so gewährleisten, dass beide Komponenten perfekt aufeinander abgestimmt sind und auch auf die Bedürfnisse der Menschen abgestimmt werden, die täglich mit ihnen arbeiten.“

Barcode-Technologie ergonomisch integriert

Den Start 2016 unterstützten Bayern Kapital und zwei US-Investmentgesellschaften mit 2,2 Millionen Dollar (1,9 Millionen Euro). Für den Scanner konnten die ProGlove-Gründer auf bewährte Technologien für das Erfassen von Barcodes zurückgreifen und ergänzten diese mit besonderen produkttechnischen und ergonomischen Vorgaben. Die Geräte mussten auch Standort, Batteriestatus, Verfügbarkeit und weitere Daten erfassen und kommunizieren.

Die Produktion übernahm zunächst das Seefelder Elektronikunternehmen TQ-Systems GmbH. Als Folge der starken Nachfrage liegt die MDE-Produktion mittlerweile beim ungarischen Auftragsfertiger Videoton.

Patentierte Komponenten plus XXL-Schützenhilfe

Beim Handschuh zog sich die Produktentwicklung hin. „Rund 10 Mitarbeiter waren mit dieser Herausforderung ein halbes Jahr lang beschäftigt“, sagt Mitgründer und Aufsichtsrat Thomas Kirchner (39). „Am Ende konnten wir zahlreiche Patente anmelden.“ Das ProGlove-Team entwickelte mithilfe der Technischen Hochschule (TH) München atmungsaktive Mesh-Materialien, die Stoffen für Sportschuhe ähneln und Halterungen für die Scanner sowie Kontakte für die Elektronik enthalten. Bis vor Kurzem noch stellte ProGlove diese Wearable-Komponenten selbst her, nun ist die Fertigung an europäische Partner ausgelagert.

Bei der Produktentwicklung unterstützte der Autohersteller BMW das Start-up – und löste einen Auftragsboom aus. Viele andere europäische Autokonzerne sowie ihre Zulieferer folgten als ProGlove-Abnehmer. Außerdem konnte das Münchner Unternehmen bekannte Logistikdienstleister, Handelskonzerne und Industrieunternehmen im In- und Ausland als Kunden gewinnen.

Auf Wachstumskurs: 250 Mitarbeiter, 2.000 Kunden

Heute erzielen rund 250 Mitarbeitende mit mehr als 2.000 Kunden einen Umsatz von über 50 Millionen Euro. Seit 2018 ist das Unternehmen auch im Ausland präsent und hat ein Büro in den USA. 2022 übernahm der schwedische Private-Equity-Investor Nordic Capital die Mehrheit von ProGlove und zahlte hierfür dem Vernehmen nach einen hohen 3-stelligen Millionenbetrag.

Den Wachstumskurs der vergangenen Jahre will ProGlove auch in der aktuellen Wirtschaftskrise fortsetzen. „Wir liefern den Unternehmen Werkzeuge, mit denen sie in schwierigen Zeiten besser aufgestellt sind“, sagt Lampa zuversichtlich und kündigt neue Software an.

Manschette mit Miniterminal

Bei den Neuerungen spielen Verbesserungsvorschläge der Kunden eine wichtige Rolle. Viele wünschten sich Alternativen zum Handschuh. Denn weil Lagermitarbeiter den Handschuh nach kurzer Zeit gewohnheitsmäßig wechselten, waren den Kunden die Kosten bald zu hoch. 2018 ersetzte ProGlove den Handschuh durch Manschetten, die nur Handballen und Handrücken bedecken und die Finger frei lassen. Sie werden von den Mitarbeitenden auch für längere Arbeitsphasen akzeptiert.

Heute entwickelt das Unternehmen fast nur noch Lösungen mit Manschetten. Auch das Miniterminal „MAI“ ist auf einer Manschette befestigt. Der Lagermitarbeiter streift sie vor Arbeitsbeginn über sein Handgelenk und hat die Hände für andere Arbeiten frei.

Erinnerung an den früheren Handschuh

Während er Waren einlagert, kommissioniert oder verpackt, kann er nicht nur Daten aufnehmen, sondern intuitiv auch Anleitungen und Anweisungen abrufen. Mit Audio- und Fototools erfasst er Fehler, mit akustischen, haptischen und optischen Rückmeldungen dokumentiert er, dass er seine Arbeiten einwandfrei erledigt hat. „Der Handschuh hat ausgedient“, sagt Mitgründer Kirchner. An ihn wird bald nur noch das „glove“ (englisch für Handschuh) im Unternehmensnamen erinnern.

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