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Rechtsmissbrauch festgestellt

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Mehrere Gerichte wiesen den Abmahnverein IDO nun in seine Schranken

Der Abmahnverein IDO war durch die Änderung des Abmahnrechts bereits ausgebremst. Nun erklären mehrere Oberlandesgerichte seine ursprüngliche und aktuelle Praxis explizit für rechtsmissbräuchlich.

Von Gabriele Lüke, 7/2025

Massenhafte Abmahnungen wegen kleinster Verstöße gegen Kennzeichnungs- und Informationspflichten im Internet – der Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e. V., kurz IDO, war wegen dieser Praxis unter Onlinehändlern regelrecht gefürchtet. Mit der Abmahnung forderte IDO von den Abgemahnten Unterlassungserklärungen und Vertragsstrafeversprechen für die Zukunft. Die Änderung des Abmahnrechts im Dezember 2020 machte diese Vorgehensweise des IDO jedoch eigentlich obsolet. 
Nun verunsichert der IDO den Onlinehandel aber erneut: Der Verein fordert Vertragsstrafen für nicht eingehaltene Unterlassungserklärungen aus der Zeit vor der Gesetzesänderung. Mehrere Oberlandesgerichte (OLG) haben dem IDO dies nun mit der Begründung des Rechtsmissbrauchs untersagt. Was ist der Hintergrund und was bedeutet es für betroffene Unternehmen?

Abmahnrecht 2020 reformiert

Ein kurzer Exkurs zur aktuellen Rechtslage: Um abmahnen zu dürfen, müssen Abmahnvereine wie der IDO seit Dezember 2021 auf der Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände eingetragen sein. Diese wird vom Bundesamt für Justiz geführt. Zugleich geht mit der Änderung des Abmahnrechts einher, dass kleine formale Fehler weniger hart bestraft werden, kleine und mittlere Unternehmen mit unter 100 Mitarbeitenden zum Beispiel bei der Erstabmahnung nicht mit Vertragsstrafen belegt werden dürfen. „KMU kommt die Reform des Abmahnrechts zu Gute, sie ist pragmatisch und angemessen. Die IHKs haben fast ein Jahrzehnt für Regeln gegen Abmahnmissbrauch gekämpft“, sagt IHK-Juristin Tatjana Neuwald.

Neue Aufschlag nach roter Karte

Zurück zu IDO: Stand jetzt ist IDO nicht auf der Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände, darf also auch nicht mehr abmahnen. In einem aktuellen Fall forderte der Verein nun aber von einem Onlinehändler doch wieder die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 3.500 Euro nebst Zinsen. Der IDO berief sich dabei auf eine im Mai 2020 geschlossenen Unterlassungs- und Vertragsstrafenvereinbarung, also aus der Zeit vor der Reform des Abmahnrechts. 

Gegen diese Unterlassungsvereinbarung soll der Onlinehändler nun erneut verstoßen haben. In der ersten Instanz vor dem Landgericht Hannover wurde der IDO-Forderung stattgegeben. Begründung: Der abgemahnte Onlinehändler habe sein Unterlassungs- und Vertragsstrafeversprechen nicht wirksam angefochten.

Im Berufungsverfahren erfolgreich

Der Händler ging vor dem OLG Celle in Berufung. Hier urteilten die Richter im Februar 2025 umgekehrt, dass IDO keinen Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe habe. Die Gesamtwürdigung der Umstände habe ergeben, dass schon die ursprüngliche Abmahnung rechtsmissbräuchlich erfolgt sei, folglich auch die Geltendmachung der neuerlichen Vertragsstrafe. Der Onlinehändler beziehungsweise seien Anwälte hatten dem Gericht mehrere Indizien vorlegen können, die für einen Rechtsmissbrauch sprechen. IDO hatte diese Indizien nicht entkräften können. 
Der Rechtsmissbrauch bezog sich dabei nicht auf die die Auslegung der Verstöße gegen die Informations- und Kennzeichnungspflichten, sondern auf die Vereinsstruktur und Geschäftspraxis des IDO. Das war der Eindruck des Gerichts: Die Tätigkeit eines Abmahnvereins und die durch seine Arbeit generierten Einnahmen müssen der Finanzierung einer Abmahn- und Klagetätigkeit im öffentlichen Interesse dienen.

Ungleiche Behandlung

Beim IDO bestehe aber die besondere Gefahr, dass die Einnahmen aus der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen letztlich nicht dem öffentlichen Interesse, sondern vor allem dem Interesse weniger Beteiligter zufließe. So seien etwa im Jahr 2020 44 Prozent der Einnahmen, die durch die Abmahnungen erwirtschaftet werden konnten, an nur sechs Personen ausgeschüttet worden, die außerdem in einer engen persönlichen Beziehung zueinander stünden. 
Zudem würden die weiteren Mitglieder des Vereins gezielt von der Willensbildung ausgeschlossen, um diese Einnahmequelle nicht zu gefährden. Auch beklagten die Richter, dass der IDO zwar auch eigene Mitglieder abmahne, diese aber deutlich anders und milder als Nicht-Mitglieder behandle. Diese systematische Ungleichbehandlung sei durch sachliche Gründe nicht zu rechtfertigen. All das spricht in den Augen der Richter für Rechtsmissbrauch. Eine Revision ließ das OLG Celle explizit nicht zu.

Weitere Urteile erfolgt

Inzwischen haben weitere Gerichte geurteilt: Das OLG Köln entschied im April 2025, dass die fehlende Eintragung des IDO in der Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände des Bundesamts für Justiz ein wichtiger Grund für eine Kündigung einer dem IDO gegenüber abgegebenen Unterlassungserklärung sei. Das OLG Hamm stellte schließlich im Mai 2025 einmal mehr Rechtsmissbrauch durch IDO fest, nachdem der Bundesgerichtshof zum OLG Hamm zurückverwiesen hatte.
 „Falls die Einforderung von Vertragsstrafen durch IDO bei Unternehmen auf dem Schreibtisch landen: Ruhe bewahren, die Einigungsstelle für Wettbewerbsstreitigkeiten bei der IHK anrufen oder einen Anwalt konsultieren. Die Änderung der Abmahnpraxis und die Urteile zeigen, dass der IDO sich nicht mehr sicher sein kann, dass er mit seiner Vertragsstrafenforderung durchkommt“, betont Juristin Neuwald.

Bedeutung des fairen Wettbewerbs

Sie unterstreicht zugleich: „Onlinehändler müssen ihren Informations- und Kennzeichnungspflichten dennoch nachkommen und können auch weiter abgemahnt werden, wenn sie es nicht tun – aber das IDO-Urteil macht einmal mehr klar, dass es bei Abmahnungen um die Durchsetzung fairen Wettbewerbs geht und nicht die Generierung von Einnahmen.“

IHK-Info: Die Urteile rund um den Abmahnverein IDO zum Nachlesen

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