Auf Mission im All

The Exploration Company entwickelt ein modulares wiederverwendbares Raumfahrzeug. Die junge Firma wächst rasant, das Potenzial ist enorm.
Von Sabine Hölper, IHK-Magazin 09/2025
Der 23. Juni 2025 war ein großer Tag für The Exploration Company GmbH (TEC). Von der Vandenberg Space Force Base in Kalifornien startete ihre Raumkapsel „Mission Possible“ zum Testflug ins All. Vieles ging glatt: Die Kapsel wurde erfolgreich gestartet, die Nutzlasten ein- und ausgeschaltet, die Kapsel nach der Trennung von der Trägerrakete stabilisiert. Sie überstand den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre – die kritischste Phase der Mission. Einige Minuten vor der Landung im Wasser brach jedoch die Kommunikation ab, die Kapsel konnte nicht geborgen werden.
Auf LinkedIn schreibt das Unternehmen von einem „Teilerfolg“. Das ist wie das berühmte halb volle beziehungsweise halb leere Glas, also eine Frage der Sichtweise. The Exploration Company sieht es von 2 Seiten: Einerseits zeige die Mission die Risiken der Innovation auf, andererseits aber auch die technischen Meilensteine, die in der kurzen Zeit und zu den vergleichsweise geringen Kosten erreicht wurden. Man werde aus den folgenden Untersuchungen Lehren ziehen und dann so schnell wie möglich wieder abheben.
Lieferdienst für den Weltraum
Ins All zu fliegen, ist das Kernanliegen des Unternehmens. Die von TEC entwickelten und gebauten Raumfahrzeuge sind unbemannt, sie befördern also (zumindest vorerst) keine Menschen, sondern Fracht. „Wir agieren wie eine Art DHL im All – als Dienstleister, der Raumstationen unter anderem mit Essen oder Werkzeugen beliefert“, sagt Victor Maier, der bei TEC für die Geschäfte in Deutschland und Zentraleuropa verantwortlich ist.
Beim Testflug waren etwa Proteine für die Krebsforschung, Pilze für DNA-Experimente oder Haarproben für die Entwicklung von Shampoos an Bord. „Viele Forschungsexperimente können in der Schwerelosigkeit weit besser durchgeführt werden als auf der Erde“, erklärt Maier. Dabei kann es sich um den Test von Krebstherapien handeln oder um die Entwicklung von Sonnencremes. Maier berichtet, dass das Darmstädter Pharmaunternehmen Merck KGaA im All einen Arzneistoff zur Behandlung von Tumoren entwickelt hat. China, neben USA und Russland führend im Weltraumlogistikmarkt, forscht im All an einem Düngemittel für Reis.
Erste Aufträge von ESA und DLR
Unterwegs in diesem Markt ist The Exploration Company noch nicht lange. 2021 gründete die ehemalige Airbus-Managerin Hélène Huby TEC in Oberbayern und im französischen Bordeaux. Heute beschäftigt TEC laut Maier mehr als 290 Mitarbeiter an 4 Standorten in Deutschland, Frankreich, Italien und den USA. Die Gesamtfinanzierungssumme von privaten Investoren liegt bei 225 Millionen Euro. Mit seinem schnellen Wachstum gilt das Unternehmen als Scale-up.
Dass es sich so schnell entwickeln konnte, liegt nicht zuletzt an der Europäischen Weltraumorganisation ESA und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR, die erste Aufträge erteilten. „Staatliche beziehungsweise überstaatliche Ankerkunden waren und sind sehr wichtig für uns“, sagt Maier. „In der Folge haben wir Verträge mit kommerziellen Raumfahrtunternehmen wie Starlab oder Vast unterschrieben.“ Mit Axiom Space konnte sich das Scale-up bereits vor dem ESA-Vertrag eine kommerzielle Mission sichern.
5 bis 7 Raumstationen bis 2030
Sie alle interessieren sich für die Entwicklung des deutsch-französischen Unternehmens und sein nach der griechischen Göttin der Nacht Nyx benanntes Raumfahrzeug. Die modulare, auftankbare und wiederverwendbare Kapsel soll eine bezahlbare Logistikinfrastruktur im Weltraum sicherstellen. Der Markt dafür ist riesig.
Bis 2030 sind laut Maier 5 bis 7 Raumstationen geplant, 2 davon auf dem Mond. Das Umsatzvolumen für die Weltraumwirtschaft soll weitere 10 Jahre später in Billionenhöhe liegen und von da an stetig weiter ansteigen.
Bald schon 4 Tonnen Nutzlast
TEC will nicht nur ein kleines Stück vom Kuchen, sondern europäischer Marktführer sein. Die Kapsel Nyx soll Fracht – und später vielleicht Menschen – zu Raum- und Mondstationen bringen. Bis zu 4 Tonnen Nutzlast soll das Raumfahrzeug in Kürze transportieren können.
Beim Testflug Ende Juni waren es 300 Kilogramm. Aber da handelte es sich auch „nur“ um eine kleine Variante mit etwa 2,5 Metern Durchmesser und 1,6 Tonnen Gewicht. An dem finalen Produkt der Frachtkapsel Nyx Earth baut TEC gerade mit Hochdruck, es ist mit einem Durchmesser von 4 Metern und einem Gewicht von 13 Tonnen bedeutend größer und schwerer.
Angestrebt: NASA-Zertifikat
Ziel ist 2028 die Internationale Raumstation ISS. Das soll der Durchbruch werden. „Sind wir erfolgreich, werden wir von der NASA zertifiziert sein“, sagt Maier. Das sei das höchste Zertifikat in der Branche. Ab spätestens 2030 schweben dem Unternehmen dann 2 Flüge pro Jahr vor, „ein institutioneller für die ESA, einer kommerziell“. Die ersten 6 Flüge ab 2028 seien bereits gebucht.
Bis dahin gibt es noch eine Menge zu tun. Umweltfreundliche Treibstoffe und ein auftankbares Triebwerk mit hohem Leistungsniveau sind Alleinstellungsmerkmale, aber noch nicht die sichere Eintrittskarte ins Weltall.
Hitze unter Kontrolle bringen
Eine der größten Herausforderungen sei „das Thema Hitze“, sagt Maier. Das Team muss die Raumkapsel gegen die unvorstellbar hohen Temperaturen, die beim Eintritt in die Erdatmosphäre entstehen, immun machen. „Wir sprechen von 2.600 bis 3.000 Grad Celsius“, so der TEC-Manager. Ein vom DLR entwickeltes Material soll der Gluthitze standhalten.
Lehren aus dem Testflug
Aus den Daten des Testflugs will das Unternehmen wertvolle Informationen liefern, um das Projekt insgesamt weiter voranzubringen. „Trotz des Verlusts von 2 Millionen Euro konnten wir eine Menge lernen“, sagt Maier. Die rund 3-stündige Mission hat er entsprechend gefeiert. Nicht in Kalifornien, sondern am Firmenhauptsitz in der Nähe von München. Mit dabei: Kollegen, Investoren, Kunden und Politiker aus mehreren Ländern.
IHK-Info: Scale-ups aus Oberbayern
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