Mehr Aufbruch, bitte!

Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und 500 Gäste kommen zum IHK-Jahresempfang. DIHK-Chefin Helena Melnikov fordert einen harten Wachstumskurs.
Von Martin Armbruster, IHK-Magazin 09/2025
Am späten Abend meldete sich der Hausherr auf Social Media persönlich zu Wort. „Der größte, schönste und coolste Wirtschaftsstammtisch Münchens neigt sich dem Ende zu“, schrieb IHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl. Da klang eine Spur von Bedauern mit. Es war auch nach Ansicht der Gäste ein gelungener Abend. Vollversammlungsmitglied Herbert Klein gratulierte der IHK auf LinkedIn „zum wirklich phantastischen Jahresempfang“.
Für den IHK-Jahresempfang 2025 im Juli war das Wetter wie bestellt. Keine Hitze, kein Gewitter, aber noch so warm, dass sich die gesamte IHK-Location genießen ließ. Mit fast 500 Teilnehmern lag die Gästezahl erneut auf dem Rekordniveau des Vorjahrs. Neben den tollen Räumlichkeiten gibt es laut IHK-Präsident Klaus Josef Lutz für die Beliebtheit des Events einen entscheidenden Grund: Auf dem IHK-Jahresempfang redet man nicht nur über die Wirtschaft. Man trifft dort auch genau die Unternehmerinnen und Unternehmer, die mit ihrem Engagement das Land voranbringen.
„Berliner Bubble“
Lutz belegte das mit der stolzen Zahl der ehrenamtlich Engagierten. Gut 11.000 sind es bei der IHK für München und Oberbayern, 46.000 bei den bayerischen IHKs. Und schließlich bürgt der IHK-Jahresempfang für spannende Reden. Diesmal hatte die IHK die DIHK-Hauptgeschäftsführerin Helena Melnikov als Rednerin gewonnen. Ihr Thema: Wie tickt Berlin?
Das verstehen bisweilen auch die Berliner nicht. Melnikov, selbst gerade einmal gut 6 Monate im Amt, stellte als Erstes fest: Berlin ist anders. Gemeint ist damit der politische Betrieb, das mediale Umfeld, das Gefühl der unheimlichen Beschleunigung. Melnikov beschrieb ein Stakkato aus Sitzungen, Pressemeldungen, Postings, Talkshows, Beschlüssen und Interviews. Auch sie lebe in dieser Berliner „Bubble“.
In der Flut aus News und Infos verliere man leicht den Blick auf das, worum es gehe: 3 Jahre ohne wirtschaftliches Wachstum – das sei einmalig in der bundesdeutschen Geschichte. Sie habe das Gefühl, dass dies nicht von allen Politikern ernst genug genommen werde. Melnikov versprach, sie werde in jeden ihrer Gesprächspartner eine Botschaft „hineinmassieren“: Das Land brauche „Wachstum, Wachstum, Wachstum“.
„Keine Schulden ohne Reformen“
Ähnlich skeptisch wie zuletzt die IHK-Vollversammlung äußerte sie sich über die geplante Neuverschuldung bis 2029 von rund 850 Milliarden Euro. Fast wortgleich unterstrich sie die Warnung von IHK-Chef Manfred Gößl vor neuen Schulden ohne Reformen.
Auch Melnikov sieht die Gefahr, das viele Geld könnte wirkungslos „verpuffen“. Wie es sich für einen Sommerempfang der Wirtschaft gehört, warb Melnikov für Zuversicht. Sie zog ein positives Fazit aus ihren Gesprächen mit Kabinettsmitgliedern. Zwar habe man mit dem gebrochenen Versprechen bei der Senkung der Stromsteuer eine „erste Karambolage“ erlebt, gleichwohl habe sie den Eindruck: Kanzler Friedrich Merz (CDU), Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) und Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) wollten etwas bewegen.
Verkrustete Strukturen aufbrechen
Was laut Melnikov Hoffnung macht: Das Land habe riesiges Potenzial, man müsse nur endlich seine Bremsen lösen. Knapp 10 Jahre für einen Bebauungsplan, das sei um Lichtjahre zu langsam. Es sei daher an der Zeit, radikal Neues auszuprobieren. Sie schlug eine Prämie vor für den Beamten, der die wenigsten Neubauten blockiert – oder für den Landkreis mit den kürzesten Bearbeitungszeiten.
Sie bat die IHK, bei der Bayerischen Staatsregierung weiter auf Reformen zu drängen („Der Ministerpräsident geht bei Ihnen ja ein und aus“). Sie werde in Berlin alle Kontakte nutzen, um verkrustete Strukturen aufzubrechen. Melnikov versicherte: Die DIHK habe in Berlin Einfluss. Kein Verband, keine Lobbygruppe sei von der neuen Bundesregierung so häufig zum Gespräch geladen worden wie die DIHK. Man stehe eben für 4 Millionen IHK-Mitgliedsunternehmen.
Bei der Forderung nach einem Klimaschutz-Moratorium von Unternehmer Reinhold Krämmel in der Fragerunde wollte Melnikov so pauschal nicht mitgehen. Erstens gehe es auch da vorrangig um weniger Bürokratie – und zweitens seien auf dem Feld auch viele IHK-Mitglieder aktiv. Melnikov sprach sich stattdessen für einen „Realitätscheck“ aus: prüfen, was wirklich machbar sei. Man dürfe jedenfalls nicht „in Schönheit sterben“.
Grenzschließungen verschärfen Fachkräftemangel
IHK-Vizepräsident und Spediteur Georg Dettendorfer wollte wissen, was die DIHK beim Thema Fachkräfte vorschlägt. Es sei ihm kaum noch möglich, Fahrer und Fachkräfte zu finden. Melnikov räumte ein, die aktuellen Grenzschließungen verschärften das Problem. Nötig sei ein Kompromiss zwischen Sicherheit und wirtschaftlicher Vernunft. Die Politik habe noch nicht begriffen, wie dringend Deutschland seine Attraktivität für Fachkräfte aus dem Ausland verbessern müsse.
Melnikov stimmte dem Unternehmer Herbert Klein zu, der ein anderes „Mindset“ im Land gefordert hatte. Melnikov sagte, es sei absurd, Begriffe wie Leistung und Wettbewerb rein negativ zu werten. Der Aufbruch, auf den alle warteten, fange tatsächlich mit einem anderen Denken an.
Offensichtlich beeindruckt zeigte sich Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) von Melnikovs Rede. Sein Fazit des Jahresempfangs („volles Haus bei der IHK“) auf X entsprach Melnikovs Mahnung, das Land müsse endlich aufhören, sich selbst im Weg zu stehen. Aiwanger erwies sich überdies als einer der ausdauerndsten Teilnehmer der Gesprächsrunden, die nach der Rede Melnikovs entstanden. Die Unternehmer fanden das gut.
Im ausdauernden Dialog
Auffallend zudem, wie gut sich Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, im Gespräch mit den Unternehmerinnen aus dem IHK-Ehrenamt verstand. Der FDP-Landesvorsitzende Martin Hagen und der SPD-Mann Florian von Brunn suchten ebenfalls den Dialog mit den Unternehmern.
Zu den Stammgästen des Events gehören die CSU-Landtagsabgeordnete Kerstin Schreyer, Handwerkskammer-Chef Frank Hüpers, Angela Inselkammer vom DEHOGA Bayern, Münchens Strippenzieher Stavros Kostantinidis und Sabine Lehmann, Verbandschefin der Bayerischen Spediteure.
HVB-Chefin Marion Höllinger bezeichnete den IHK-Jahresempfang als „Höhepunkt“ ihres Veranstaltungskalenders: Der Abend sei „hervorragend organisiert“ und besteche mit einer „tollen Atmosphäre“. Die Top-Bankerin äußerte sich beeindruckt von den „klaren Botschaften“ von DIHK-Hauptgeschäftsführerin Melnikov, die mit ihrer Rede „wichtige Impulse“ gesetzt habe.
Besuch aus Südtirol
Münchens Wirtschaftsreferent Christian Scharpf war zum ersten Mal dabei. Michl Ebner, Präsident der Handelskammer Bozen, war für das Event eigens über den verstopften Brenner gefahren. Starke Präsenz zeigte das diplomatische Korps. Und nicht zuletzt war der Jahresempfang erneut das große Netzwerktreffen des Ehrenamts der IHK.
Ehrenpräsident Eberhard Sasse brachte Tochter Laura Sasse und seine Frau Christine Sasse mit. Die ehemaligen Hauptgeschäftsführer Reinhard Dörfler und Peter Driessen haben den Termin noch nie verpasst. Das Präsidium war mit Dagmar Schuller, Georg Dettendorfer, Karin Elsperger, Ingrid Obermeier-Osl, Denise Schurzmann, Florian Schardt und Kathrin Wickenhäuser-Egger stark vertreten.
Get-together des Ehrenamts
Dazu kamen aus der Vollversammlung und aus den Regionalausschüssen: Herbert Klein, Petra Göckel, Reinhard Häckl, Eduard Kastner, Sven Keussen, Katja Lindo, Werner Mooseder, Sabine Fanderl, Franz Schabmüller, Erika Schindecker, Günes Seyfarth, Sonja Ziegltrum, Beate Mader, Denise Amrhein, Klaus Bauer, Helen Brugger, Christian Krömer, Andreas Eisele, Katrin Eissler, René Fassbender, Stefan Fichtl, Florian Loserth und Michael Zink.