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Kompetenz von nebenan

Hans-Rudolf Schulz/IHK ©
Alles Gewinner – Michael Steinbauer (r.) mit den Siegerteams, Initiator Jürgen Biffar (2. v. l.) und IHK-Referent Max Keneder (l.)

Der erste IHK-Start-up-School-Cup begeistert mit überraschenden Geschäftsideen aus Gymnasien im Landkreis Fürstenfeldbruck – und der Fortentwicklung des Pionierprojekts.

Von Eva Schröder, IHK-Magazin 09/2025

Bruchfestes Glas, eine App für schnelle Nachhilfe und ein flexibler Mehrfachstecker – diese Geschäftsideen von Schülerinnen und Schülern setzten sich an die Spitze des ersten IHK-Start-up-School-Cups im Landkreis Fürstenfeldbruck.

Die drei Siegerteams „EternaGlass“ vom Gymnasium Gröbenzell, „Studybuddy“ aus Gilching vom Christoph-Probst-Gymnasium und „easyclick“ vom Germeringer Max-Born-Gymnasium überzeugten die Jury in Pitches von 15 Minuten mit ihren ausgefeilten Konzepten. Für die Finalrunde hatten sich zuvor aus rund 1.000 insgesamt teilnehmenden Schülern 8 Teams jeweils in schulinternen Wettbewerben qualifiziert – allesamt mit praxisbezogenen Ideen. Und als Pioniere.

Praktische Wirtschaft vermitteln

2017 wurde in Bayern das 9-jährige Gymnasium wieder eingeführt. Seitdem sind 2 Unterrichtsstunden während 10 Wochen im Lehrplan der 10. Jahrgangsstufe vorgesehen für die Entwicklung eines Geschäftsmodells im Fach „Wirtschaft und Recht“. Das war gewissermaßen der Startschuss für den jetzigen Schülerwettbewerb und den Cup als großes Finale Ende Mai.

Denn in der Lehrplanänderung sah Jürgen Biffar die Gelegenheit, „mehr Praxisbezug zur Wirtschaft in die Schulen zu bringen“, wie er seine Mission beschreibt. Der Betriebswirt hat 2 Alleinstellungsmerkmale des Schülerwettbewerbs ausgemacht, den seine Stiftung Digitale Bildung, der IHK-Regionalausschuss Fürstenfeldbruck sowie der Arbeitskreis Schule-Wirtschaft Germering ausrichten.

Echte Unternehmer als Coaches

Erstens werden alle Zehntklässler über den regulären Vormittagsunterricht erreicht, wenn ein Gymnasium sich entschließt, am Cup teilzunehmen. Denn dann ist die Teilnahme für die Schüler verpflichtend. Das ist der große Unterschied etwa zur Initiative „Jugend gründet“, bei der interessierte Jugendliche in Arbeitsgemeinschaften am Nachmittag freiwillig an ihren Geschäftsideen feilen.

Zweitens hat Initiator Biffar schon damals 8 Unternehmer verschiedener Branchen aus der Region als kostenfreie, praxisnahe Coaches für die Schüler an den beiden Gymnasien in Germering gewinnen können.

Berufsbild Firmenchef

Inzwischen kommen 41 Unternehmerinnen und Unternehmer immer wieder als Gast in die Unterrichtsstunden an 8 Gymnasien, darunter ein Chef einer IT-Firma und ein Finanzierungsanbieter. Sie beantworten individuelle Fragen, wie sie ihre Firma aufgebaut haben und führen, und geben Tipps aus ihrer Erfahrung.

Diese Wirtschaftskompetenz von nebenan, der Kontakt zu „echten“ Unternehmern als Vorbild multipliziere den Nutzen, ist der gebürtige Germeringer überzeugt: „Die Jugendlichen kommen auch als potenzielle Mitarbeiter mit Firmen vor Ort in Kontakt“, sagt Biffar. Manche nähmen zum ersten Mal überhaupt das potenzielle Berufsbild „Firmenchef“ wahr, weil sie es aus ihrem Umfeld nicht kennen.

Unternehmergeist zeigen

Biffar selbst gründete 1988 eine Softwarefirma, verkaufte sie 2019 und ist heute vor allem als Vorstand der Stiftung Digitale Bildung aktiv. Schon vor 15 Jahren ergriff der Digitalisierungspionier die Initiative, um Schule und Wirtschaft zu vernetzen. Dazu rief er an seinem Heimatort gemeinsam mit der Stadt Germering eine Arbeitsgruppe von lokalen Firmenchefs und Schulen ins Leben: „Durch Praxisbezug, zum Beispiel Unternehmerbesuche, wollten wir mehr Realismus und Qualität zu den Jugendlichen bringen, denn das steigert ihre Aufmerksamkeit und Motivation.“

Häufig gehe die Note aus dem Fach Wirtschaft und Recht nicht in die Abiturnote ein und friste deshalb ein Nischendasein, was Biffar bemängelt: „Für jeden Einzelnen, aber auch für uns als Gesellschaft ist es existenziell, wirtschaftliche Zusammenhänge zu verstehen. Die Kernmotivation von Unternehmerinnen und Unternehmern, eigenverantwortlich zu handeln, gehört in die Breite getragen, gerade bei den nächsten Generationen. Das ist in den vergangenen Jahren verloren gegangen.“ Dafür seien Lehrer leicht zu gewinnen, „wenn es die Schülermotivation fördert und den eigenen Lehrerfolg stärkt“.

Überraschende Geschäftsideen

Den Vorgaben des Kultusministeriums gemäß sollen bayerische Zehntklässler eine Geschäftsidee auf ihre Marktchancen hin untersuchen, sich mit Finanzierungs- und Produktionsüberlegungen befassen bis hin zu Preiskalkulation, Vertrieb und Marketing sowie Bilanzierung – und je nach selbst gewähltem Objekt und Tiefe dies im Projektmanagement selbst anwenden und präsentieren.

Dass das beim School-Cup funktioniert und sogar getoppt wird durch die persönliche Unterstützung der Firmenchefs, belegen eindrucksvoll die ausgefeilten Konzepte, die in Fürstenfeldbruck alle am Finale teilnehmenden Schüler präsentierten – entstanden aus Begeisterung und mit Fleiß, zusätzlich zum Unterricht an vielen Abenden und Wochenenden: Pläne zum Beispiel für ein Geschäft mit unverpackten Lebensmitteln, für eine durch Piezozündung, also Kristalle, wiederaufladbare Handyhülle oder einen Kugelschreiber, der genauso gut auf Papier wie auf einem Tablet schreibt, überraschten in ihrer Vielfalt die Cup-Jury.

„Lust auf Unternehmertum“

„Extrem innovativ und kreativ“ nannte Michael Steinbauer, Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses Fürstenfeldbruck, die Schülerideen. „Sie haben gezeigt, was Unternehmertum bedeutet, und ihre Konzepte mit großer Ernsthaftigkeit und Engagement ausgearbeitet.“ Wenn von Krisen die Rede sei, stimme ihn „diese Begeisterung und die Lust der Jugendlichen auf Gründen und Unternehmertum sehr optimistisch für unsere Region als Wirtschaftsstandort“.

Ziel: 100 bayerische Gymnasien bis 2030

Auf der Preisverleihung dankte Steinbauer auch den Lehrkräften, die die Jugendlichen Dinge ausprobieren ließen, den Coaches aus den Unternehmen für ihr ehrenamtliches Engagement sowie dem Initiator Biffar für seinen großen persönlichen Einsatz. Der Unternehmer will bis 2035 rund 100 bayerische Gymnasien erreichen, Sponsoren und unterstützende Institutionen sind willkommen.

Cup-Idee zieht Kreise

Die heimische Wirtschaft freue sich laut Steinbauer auf die Fortsetzung des Cups im frisch beginnenden Schuljahr. Hinzukommen wollen in der 2. Runde Gymnasien aus den Landkreisen Landsberg am Lech, Weilheim, Starnberg und München, 2 Wettbewerbe soll es geben. Voraussichtlich 15 Schulen, etwa doppelt so viele wie diesmal, treten im nächsten Frühjahr für das große Finale ihres IHK-Start-up-School-Cups an, sowohl im Landkreis Fürstenfeldbruck als auch in Landsberg. Die Cup-Idee zieht Kreise.

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