Lesen auf vielen Kanälen

Mit Apps, Webshop und Events ist der traditionsreiche Buchhändler Hugendubel sehr erfolgreich – auf das klassische Filialgeschäft kommt es trotzdem an.
Von Daniel Boss, IHK-Magazin 09/2025
Lies lieber mal ein gutes Buch, anstatt die ganze Zeit nur am Handy zu hängen! Sätze dieser Kategorie dürften vielen jungen Menschen bekannt vorkommen. Die H. Hugendubel GmbH & Co. KG beweist allerdings, dass sich die Welt der bedruckten Seiten und die der Klicks im Netz sehr gut miteinander verbinden lassen. Mit rund 11,5 Millionen Likes (Stand Anfang April 2025) gehört der TikTok-Kanal nach Unternehmensangaben zu den „beliebtesten Plattformen der Branche weltweit“.
Am „Kulturgut Buch“ hält Hugendubel fest. „Einige Menschen lesen am liebsten digital, einige schätzen nur das Haptische, das Blättern, den Duft von Papier“, sagt Nina Hugendubel, geschäftsführende Gesellschafterin des Unternehmens. Andere seien „Hybrid-Leser“ und wechselten zwischen digital und physisch.
„Stellenwert des Lesens bewahren“
Die Unternehmerin ist Nachfahrin von Heinrich Karl Gustav Hugendubel, der 1893 mit der Übernahme einer Buchhandlung am Salvatorplatz den Grundstein für eines der größten familiengeführten Buchhandelsunternehmen Deutschlands legte. Vieles hat sich seitdem rund ums Lesen getan – vor allem in den vergangenen 20 Jahren. Wer Informationen und Unterhaltung sucht – ob in der Bahn, im Flugzeug oder im Liegestuhl, muss nicht mehr unbedingt zum Buch greifen.
Was bedeutet dieser Wandel für das Unternehmen? „Wir möchten unsere Kundinnen und Kunden dort erreichen, wo sie sind – ob in unseren Filialen, online oder mobil“, so die Geschäftsführerin.
„Omnichannel ist für uns nicht bloß Strategie, sondern Ausdruck davon, dass wir offen bleiben für neue Wege, ohne unsere Wurzeln zu vergessen. Wir möchten den Stellenwert des Lesens in der Mitte unserer Gesellschaft bewahren.“ Das gehe nur mit einem stimmigen Gesamterlebnis, „das flexibel und zeitgemäß ist“.
Mehr als ein klassischer Buchladen
Konkret heißt das: Die stationären Verkaufsorte bilden nach wie vor die Basis. Deutschlandweit gibt es mehr als 100 Filialen und 800 Shop-in-Shops. Hinzu kommen der digitale Buchvertrieb über den Webshop, die Kunden-App und eBook.de. „Das macht uns besonders reichweitenstark“, sagt Hugendubel.
Seit 2021 gehört außerdem LovelyBooks zu Hugendubel, die größte deutschsprachige Community-Plattform für Leser. „Damit bündeln wir unter unserem Dach nicht nur stationären und digitalen Buchhandel, sondern auch den Austausch rund um das Buch – von der Empfehlung bis zur Diskussion.“
Fokus auf Omnichannel-Strategie
Einzigartig sei der deutsche Buchmarkt in vielerlei Hinsicht – gerade durch die Buchpreisbindung, die Vielfalt an Verlagen, individuell geführte Buchhandlungen und das ausgeprägte kulturelle Bewusstsein. Zugleich steht die gesamte Branche vor verschiedenen Herausforderungen, darunter das breite Spektrum an Medien, die miteinander konkurrieren. Wer als alteingesessenes Unternehmen in dieser Welt überleben will, braucht kreative Lösungen.
In dieser Hinsicht scheint Hugendubel vieles richtig zu machen. Die Omnichannel-Strategie sowie der kontinuierliche Ausbau und die Integration der verschiedenen Vertriebskanäle haben bei den Münchnern und ihrer Digitaltochter „höchste Priorität“. 2023 wurde dieses Engagement durch eine Verdreifachung des Onlineumsatzes über die vergangenen 5 Jahre hinweg deutlich. Der digitale Shop Hugendubel.de konnte ein 2-stelliges Wachstum verzeichnen, insbesondere im Bereich eBooks.
Nachhaltig: Rückkauf von Büchern
Das Unternehmen habe es geschafft, das Wachstum in allen wichtigen Bereichen weiter voranzutreiben, meint Nina Hugendubel. Dies zeige, „dass unsere strategischen Entscheidungen, sowohl im stationären Handel als auch im eCommerce, die richtigen Weichen für die Zukunft gestellt haben“.
Um die Erfolgsstory fortzuschreiben, probiert das Unternehmen immer wieder Neues aus. „Unsere Gaming-App beispielsweise verbindet spielerische Elemente mit Literatur und eröffnet ganz neue Wege, Geschichten zu entdecken“, sagt die Geschäftsführerin. Auch Nachhaltigkeit spiele eine große Rolle. So bietet der Händler seit dem vergangenen Jahr in Kooperation mit dem Wiederverkaufsdienstleister Zeercle ein Rückkaufsystem für Bücher an.
Spielerisch: Escape-Room am Stachus
Das Angebot an Events erweitert das Unternehmen ebenfalls stetig. Es veranstaltet nicht nur zahlreiche klassische Lesungen und Signierstunden deutschlandweit. Formate wie der Escape-Room in der Hugendubel-Filiale am Stachus sollen zusätzlich „neue Zugänge zur Welt der Bücher“ schaffen. Der speziell ausgestattete Themenraum richtet sich an Spiele- und Rätselfans, denen das reine Brettspiel zu langweilig ist.
Größte Livestream-Show Europas
Inzwischen in die 7. Runde geht das Festival Bookstock – das Nina Hugendubel ein „ganz besonderes Highlight“ nennt. Es habe sich „zur größten Livestream-Show für Bücher in Europa entwickelt“. Live und mit Studiopublikum sendet die Show im Stil von Late-Night-Talks. Im Zentrum sollen persönliche Geschichten, überraschende Anekdoten und der direkte Austausch mit der Community in Echtzeit stehen. Das Konzept kommt an.
400.000 Views in 3 Tagen
Mit 42.000 Zuschauern an beiden Showtagen und 400.000 Views nach nur 3 Tagen schaffte die Ausgabe 2024 einen neuen Rekord. Die Tickets für Bookstock 2025 waren bereits am ersten Vorverkaufstag vergeben. „Das Festival hat eine Lücke geschlossen – vor allem für eine junge Generation von Bücherfans“, ist Nina Hugendubel überzeugt.
Generationswechsel ohne Druck
Sie und ihr Bruder Maximilian Hugendubel stellen in der Geschäftsführung die 5. Generation. Nummer 6 steht noch nicht in den Startlöchern. „Meine Kinder und die meines Bruders gehen ihren Weg – neugierig und offen. Sie sind aktuell noch nicht in der Lebensphase, in der man solche Weichen stellt“, sagt Nina Hugendubel. Ob sie später ins Unternehmen eintreten, sollen sie zu gegebener Zeit selbst entscheiden. „So wie wir damals die Freiheit hatten, unseren Platz bei Hugendubel zu finden – ganz ohne Druck –, so möchten wir das auch der nächsten Generation ermöglichen.“