Digitalisierung | Standortpolitik

Kostbarer Daten-Rohstoff

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Welche Artikel gehen gut? Wann sind Rabattaktionen erfolgreich? Eine Datenanalyse gibt Antworten

Daten aus dem eigenen Betrieb oder externen Quellen bergen enormes Potenzial für Unternehmen. Wie lassen sich die Informationen am besten auswerten und nutzen?

Von Josef Stelzer, IHK-Magazin 01–02/2024

Tobias Schuhmacher muss wissen, was sich gut verkauft. Der Geschäftsführer und Mitinhaber der InnKaufhaus Schuhmacher KG in Wasserburg am Inn fahndet gezielt nach neuen Trends für Bekleidung und Accessoires. Die Ergebnisse dieser Suche fließen in seine Einkaufsplanung, in die Lagerhaltung und das Warenwirtschaftssystem ein. Aus den Verkaufsdaten im Kaufhaus, das auf 4 Etagen rund 1.400 Quadratmeter umfasst, sowie aus dem Onlinegeschäft zieht er wertvolle Hinweise für Lagerhaltung und Marktstrategie: Welche Artikel sind vielversprechend? Welche gehören zu den Ladenhütern? Könnten Rabatte hilfreich sein, um den Verkauf anzukurbeln? Und wann ist eine solche Aktion sinnvoll?

Tiefere Einblicke in Marktrends und Kundenverhalten

Daten sind ein überaus wertvoller Rohstoff, mit dem Unternehmen ihr Geschäft voranbringen können. Das gilt nicht nur für den Einzelhandel, sondern für nahezu alle Branchen. Die Informationen bieten einen tiefen Einblick in Kundenverhalten, Markttrends und betriebliche Abläufe. Sie helfen zum Beispiel, Kunden gezielter anzusprechen, Ressourcen effizienter einzusetzen, die Produktivität zu erhöhen oder Wartungsintervalle zu optimieren. Sie ermöglichen es, fundierte und gut abgewogene Entscheidungen zu treffen.  

Wertvolle Daten stammen beispielsweise aus dem Warenwirtschafts- und Kassensystem, aus der betriebseigenen Werkstatt oder aus externen Quellen wie der öffentlichen Verwaltung. Aber wie lässt sich der Datenschatz am besten nutzen?

Die folgenden 3 Unternehmensbeispiele zeigen, wie vielfältig der Einsatz von Daten in der Praxis ist.

KI optimiert Datenauswertung

Bei der Auswertung der Daten spielt künstliche Intelligenz (KI) eine wichtige Rolle. Tobias Schuhmacher als Chef des InnKaufhaus etwa will den Textbot ChatGPT einsetzen. „Die KI soll Artikelbeschreibungen formulieren und Kundenfrequenzen sowie Umsatzdaten auswerten, die sich aus unseren Kassendaten ergeben“, erläutert der Unternehmer, der den Betrieb seit 2017 gemeinsam mit seiner Frau Sibylle Schuhmacher führt.

Gezielterer Ein- und Verkauf

Vorgesehen ist außerdem, dass die KI-Software aus den Kassendaten treffsichere Verkaufsprognosen für einzelne Artikel und Warengruppen erstellt. „Künstliche Intelligenz kann künftig aufgrund der vorhandenen Daten sogar Vorschläge zur Auswahl von Lieferanten sowie von Artikeln samt Bestellvolumen generieren“, ist der Warenhausinhaber überzeugt.

Wartung vereinfachen

Einen anderen Anwendungsbereich zeigt die zur Deutschen Bahn AG gehörende Münchner S-Bahn. Sie will mithilfe von Maschinendaten die Wartung der fast 300 Züge der S-Bahn-Flotte beschleunigen. 

Datenauswertung, die durch KI gestützt ist, kann für die vorausschauende Instandhaltung hilfreich sein, beispielsweise bei der Wartung von Türen. Damit lassen sich Störungen vermeiden, was im dicht befahrenen S-Bahn-System mit hohem Fahrgastaufkommen auch der Pünktlichkeit dient.

Weniger Verspätungen

Unterstützen soll die KI zudem bei der Disposition der S-Bahn-Fahrten. „Die KI hat den laufenden Betrieb im Blick, erkennt frühzeitig mögliche Verspätungsursachen und gibt unseren Disponenten direkt eine entsprechende Empfehlung“, erklärt Heiko Büttner, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Münchner S-Bahn.

Minutenschnelle Auswertung der Bilddaten

Im S-Bahn-Werk München Steinhausen fahren die Züge bereits durch sogenannte Kameratore. Die KI wertet die Bilddaten aus und erkennt, an welcher Stelle Wartungsbedarf besteht. Während die Techniker für eine Sichtprüfung oft mehrere Stunden pro Zug benötigen, dauert die Prüfung per Kamerasystem nur wenige Minuten.

Eine Laseranlage vor dem Kamerator misst obendrein die Radsätze. Die Deutsche Bahn testet zudem einen Roboter, der die S-Bahnen von unten inspiziert. Letztlich soll ein detailliertes Gesamtbild des Fahrzeugzustands und des Instandhaltungsbedarfs entstehen.

LkSG: Lieferanten leichter überwachen

Der Telekommunikationsanbieter Telefónica Germany GmbH & Co. OHG in München verwendet KI-unterstützte Software unter anderem zur Überwachung von 2.100 Lieferanten gemäß den Anforderungen des Lieferkettengesetzes. Hierzu scannt die KI rund 150 Millionen Onlinequellen weltweit und kann dabei Verstöße von Lieferanten gegen die gesetzlichen Vorgaben aufspüren.

Zum Einsatz kommen Datenanalysen mithilfe künstlicher Intelligenz auch in den Telefónica-Frühwarnsystemen, die auf drohende Stromnetzausfälle und Wetterrisiken hinweisen oder Sicherheitslücken in Datennetzen ausfindig machen.

open.bydata.de: Zugriff auf Behördendaten

Damit ausreichend Informationen für die Analyse zur Verfügung stehen, können Unternehmen auch auf Daten der öffentlichen Verwaltung zurückgreifen. Vor knapp einem Jahr hat byte – Bayerische Agentur für Digitales GmbH, München, das Portal open.bydata.de ins Leben gerufen.

1.200 öffentliche Datensätze verfügbar

Es dient als Sammelpunkt für Daten, die zum Beispiel Ministerien, Städte, Landesämter, Gemeinden und Landkreise öffentlich bereitstellen. Im November 2023 waren auf open.bydata.de, das seine Inhalte auch an das Bundesportal govdata.de und das EU-Portal data.europa.eu überträgt, insgesamt mehr als 1.200 Datensätze verfügbar.

Was alles abgerufen werden kann

Dazu zählen zum Beispiel:

  • Landkarten und Standortinformationen, die unter anderem für die Planung von Solaranlagen, für den Betrieb von Navigationsapps, für Bauvorhaben oder bei der Umweltüberwachung genutzt werden können
  • Wetterdaten wie Temperatur, Niederschlagsmengen oder Luftqualität, die sich für Wettervorhersagen, Klimaanalysen oder Umweltstudien verwenden lassen
  • Daten zu medizinischen Versorgungseinrichtungen oder Gesundheitsrisiken
  • Bebauungspläne und gewerbliche Bauflächen.
Automatisierte Abfragen möglich

Konzipiert ist die Plattform als Open-Data-Portal. Dies soll sicherstellen, dass Informationen von Staat und Behörden frei verfügbar sind und gebündelt vorliegen. Die Plattform bietet eine Suchfunktion sowie die Möglichkeit, Datenabfragen automatisiert durchzuführen.

Neue, datenbasierte Geschäftsmodelle

„Wir stehen noch am Anfang und wollen uns mit Unternehmen, egal aus welcher Branche, über die Nutzungs- und Verbesserungspotenziale von open.bydata.de austauschen“, sagt Luis Moßburger, der bei der Agentur als Product Owner Open Data tätig ist und die Weiterentwicklung des Portals vorantreibt. Gefördert wird die Agentur vom Bayerischen Staatsministerium für Digitales sowie vom Finanzministerium. Das Potenzial des Datenschatzes ist groß.

Moßburger: „Die im Portal angebotenen Datenpools könnten zum Beispiel Standortentscheidungen beschleunigen und als Grundlage für neue, datenbasierte Geschäftsmodelle dienen.“

IHK-Info zu Digitalisierung und Mobilität

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