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Menschen mit Behinderungen sollen besser digital teilhaben können

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz verpflichtet ab dem 28. Juni 2025 auch Privatunternehmen zur digitalen Barrierefreiheit. Für kleine Unternehmen hat der Gesetzgeber Erleichterungen vorgesehen.

Von Gabriele Lüke, 7/2025

Wer im Internet recherchiert oder verschiedene Webshops anklickt, findet die Inhalte dort zunehmend auch in gesprochener Sprache oder entdeckt Buttons für sogenannte leichte Sprache. Bei solchen Webseiten haben sich die Betreiber bereits intensiv mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) auseinandergesetzt.

Das BFSG fordert in erster Linie digitale Barrierefreiheit: Es will allen Menschen, die sich auf Grund von Einschränkungen mit der Nutzung digitaler Geräte und Dienstleistungen schwertun, die digitale Teilhabe am Wirtschaftsleben erleichtern. Gesprochene Sprache hilft zum Beispiel sehbehinderten Menschen, leichte Sprache unterstützt Menschen mit kognitiven Einschränkungen. Bisher galten Vorgaben zur Barrierefreiheit schon für öffentliche Institutionen, seit dem 28. Juni 2025 nun auch für Privatunternehmen.

Ausnahmen für Kleinstunternehmen

„Bevor Unternehmen tiefer einsteigen, gegebenenfalls sogar einen Dienstleister beauftragen, der ihnen bei der Umsetzung hilft, sollten sie erst einmal prüfen, ob sie überhaupt betroffen sind“, betont IHK-Juristin Tatjana Neuwald. „Für Kleinstunternehmen bestehen nämlich Ausnahmen.“ Auch, wer ausschließlich im B2B-Bereich anbietet oder Produkte nur dafür herstellt, ist ausgenommen.

Unter Kleinstunternehmen versteht das Gesetz Betriebe, die weniger als 10 Personen beschäftigen UND einen Jahresumsatz oder eine Bilanzsumme von höchstens 2 Millionen Euro haben. Wenn sie keine vom BFSG betroffenen Produkte herstellen, fallen sie nicht unter das BFSG.

Das sagt das Gesetz

Ein genauerer Blick ins Gesetz: Das BFSG reguliert Barrierefreiheit, indem es digitale Produkte und elektronische Dienstleistungen auflistet, die barrierefrei sein müssen. Es geht dabei ausschließlich um Produkte und Dienstleistungen für Verbraucher, – also den Business-to-Consumer-Bereich (B2C) –, und zudem um die Verpackungen der Produkte, Anleitungen und Bedienungsmöglichkeiten. Ausdrücklich im Gesetz gelistet sind

  • Produkte wie Computer, Selbstbedienungsterminals, beispielsweise Geldautomaten oder Check-in-Automaten, ebenso Mobiltelefone, interaktive Fernseher oder E-Book-Lesegeräte
  • Dienstleistungen wie Telekommunikationsdienste, etwa Telefonie oder Messengerdienste, zudem Webseiten, Apps oder elektronische Ticketdienste, Bankdienstleistungen, E-Book-Software oder Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr mit Verbrauchern wie E-Commerce, Online-Terminbuchungstools oder Webshops

Wer diese als Hersteller, Importeur, Händler oder Erbringer in den Verkehr bringt, muss dafür sorgen, dass sie barrierefrei sind – oder darf sie nicht anbieten. Für bestehende Angebote, die bereits vor diesem Stichtag 28. Juni 2025 auf dem Markt waren, gilt eine Übergangsfrist bis 2030.

Genau hinschauen

Die folgenden Szenarien verdeutlichen, was Kleinunternehmen zu bedenken haben. „Im Zweifel können sich Unternehmen an die Bundesfachstelle für Barrierefreiheit wenden und um Klärung bitten“, so IHK-Expertin Neuwald.

  • Grundsätzlich gilt ein Onlineshop als elektronische Dienstleistung und muss barrierefrei sein. Ausnahme: Es handelt sich um den Onlineshop eines Kleinstunternehmers (siehe oben) oder der Onlineshop ist nur im B2B-Bereich aktiv. Dabei gilt zur zweiten Ausnahme: Sie erfasst nicht die Pflicht der genannten Produkte, barrierefrei zu sein. Diese müssen BFSG-konform sein.
  • Eine Website muss nicht barrierefrei sein. Auch hier Achtung: Um nicht als elektronische Dienstleistung eingeordnet zu werden, sollte die Website sich auf die bloße Bereitstellung von Informationen beschränken! Sie sollte insbesondere keine Angebote und keinen Warenkorb beinhalten.
  • Aus der Unternehmenspraxis: Ein Kosmetikstudio mit 11 Beschäftigten, das die Terminbuchung und den Verkauf von Cremes über seine Website anbietet, ist betroffen. Denn das Unternehmen ist groß genug und es bietet Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr an.
  • Ein Kosmetikstudio mit 8 Beschäftigten, das die Terminbuchung und den Verkauf von Cremes über seine Webseite anbietet, ist nicht betroffen. Das Unternehmen ist zu klein. Es bietet Dienstleistungen an. Cremes sind nicht im BFSG gelistet.
  • Ein Buchhändler mit 7 Beschäftigten bietet in seinem Webshop E-Book-Lesegeräte an. Er ist betroffen, denn das Produkt ist im Gesetz gelistet. Sein Webshop muss nicht barrierefrei sein, die Produkte aber schon. Anders sieht es mit den E-Books selbst aus. Sie gelten als Dienstleistung und müssen daher nicht barrierefrei sein, wenn der kleine Händler sie verkauft.
Zwei Sinne ansprechen

Wie können Unternehmen die Umsetzung angehen? Dienstleistungen und Produkte sind nach dem Gesetz immer dann barrierefrei, wenn sie für Menschen mit Einschränkung, in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. „Das heißt, eine Wahrnehmung muss immer mindestens mit zwei Sinnen möglich sein“, sagt IHK-Expertin Corinna Bruder.

Ideen für barrierefreie Webseiten

Die Expertin hat Ideen zusammengestellt, wie zum Beispiel Webshops und Webseiten barrierefrei werden können:

  • Bilder mit Alternativtexten versehen, damit Menschen mit Sehbehinderungen, die einen Screenreader verwenden, sich die Bildinhalte vorlesen lassen können
  • Stärkere Farbkontraste nutzen, auch sie helfen Sehbehinderten
  • Videos und Audiodateien mit Untertiteln für gehörbehinderte Menschen ausstatten
  • Vollständige Navigation über die Tatstatur gewährleisten, denn das hilft Menschen mit eingeschränkter Beweglichkeit – Menschen mit Tremor tun sich beispielsweise mit der Maus schwer, treffen kleine Schaltflächen nur mit Mühe
  • Komplexe Sprache und unklare Anweisungen vermeiden und damit Menschen mit kognitiven Einschränkungen nicht ausschließen
  • Unbedingt an die Kompatibilität mit unterstützenden Technologien wie Screenreadern oder Braille-Displays denken
  • Zur Barrierefreiheit gehören nicht zuletzt Mehrsprachigkeit und der Abbau interkultureller Barrieren 

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