Digitalisierung | Standortpolitik

Enorme Vorteile für alle

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Geht gemeinsam schneller – Arbeitsabläufe digital neu gestalten

Um die Digitalisierung der Verwaltung zu beschleunigen, setzen Landkreise auf Kooperation. Der Bayerische Innovationsring ist einer der Treiber – mit sichtbaren Fortschritten.

Von Eva Müller-Tauber, IHK-Magazin 11-12/2023

Wenn Andreas Bensegger für seinen Betrieb in Rosenheim ein Fahrzeug zulassen lassen will, war dies bisher immer recht aufwendig. Der Geschäftsführer des Büroausstatters Bensegger GmbH musste mit einem Formular zur Zulassungsstelle gehen, dort die Bankdaten – die der ausstellenden Behörde bereits dutzendfach vorliegen – eintragen, den Geschäftsführerausweis vorzeigen und die Gewerbeanmeldung für das Unternehmen nachweisen.

Verfechter des Once-Only-Prinzips

„Das Once-Only-Prinzip, bei dem das Unternehmen seine Daten nur einmal angibt und diese dann innerhalb einer Behörde oder sogar zwischen mehreren Behörden ausgetauscht werden, wäre eine enorme Erleichterung und würde deutlich Bürokratie einsparen“, sagt der Unternehmer. Er fordert: „Die Unternehmen haben eine Vielzahl von Behördenkontakten und die müssen wir möglichst effizient abwickeln.“

Weniger Fachkräfte – straffere Prozesse

Für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft ist die Digitalisierung ein wichtiger Baustein – und die digitale Kommunikation mit der Verwaltung gehört unbedingt dazu. „Die Digitalisierung bietet beiden Partnern, den Unternehmen und der öffentlichen Hand, enorme Vorteile“, sagt Alexandra Heimisch-Röcker, Referentin Wirtschaftspolitik, Regionalausschüsse Wirtschaftsregion München bei der IHK für München und Oberbayern. Das zeige sich auch im Hinblick auf den Fachkräftemangel. „Wenn dem Arbeitsmarkt in Zukunft weniger Menschen zur Verfügung stehen, dann müssen Prozesse möglichst gestrafft ablaufen und Aufgaben priorisiert werden“, so Heimisch-Röcker. Das gelte für Unternehmen wie für Behörden.

Franziska Neuberger, Leiterin des IHK-Referats Digitalisierung und IKT, registriert erste Fortschritte. Sie nennt zum Beispiel das Unternehmenskonto als zentrale Authentifizierungslösung für Verwaltungskontakte, die Pläne für eine einheitliche Unternehmensplattform, um für Unternehmen ohne große Suche einen zentralen Einstieg für Behördengänge zu ermöglichen, oder die Registermodernisierung, die das Once-Only-Prinzip ermöglichen soll. „Allerdings erwarten Unternehmen hier schneller Ergebnisse, um endlich mehr Bürokratiekosten einsparen zu können“, betont Neuberger.

Fahrzeugzulassung internetbasiert

Unternehmer Bensegger kann sich immerhin bei der Autozulassung wohl bald den Weg zur Behörde sparen. Seit dem 1. September 2023 wird i-Kfz bundesweit vollständig automatisiert und vereinfacht. Dann können erstmals auch juristische Personen und nicht nur Privatleute die internetbasierte Fahrzeugzulassung nutzen.

An Benseggers Standort Rosenheim sind auch einige andere Verwaltungsleistungen für Unternehmen bereits online abwickelbar, etwa Gewerbean-, -um- und abmeldungen sowie die überwiegende Zahl weiterer Zulassungs- und Abmeldevorgänge. An der Digitalisierung der Sondernutzungserlaubnisse arbeitet die Stadt gerade.

100 Verwaltungsdienstleistungen digitalisiert

Einer der Digitalisierungstreiber im öffentlichen Bereich ist der Innovationsring des Bayerischen Landkreistags. Derzeit leitet Josef Niedermaier (FW), Landrat des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen, das Gremium (siehe Kasten). Es unterstützt die Landratsämter bei ihrer Digitalisierung mit praxisgerechten Empfehlungen und konkreten Projekten. „Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir schon rund 100 Verwaltungsleistungen digitalisiert und werden dies weiter ausbauen“, zog Niedermaier Ende Juni bei den Bayerischen Innovationstagen Bilanz.

Nach dem erfolgreichen Abschluss des Pilotprojekts „Digitaler Werkzeugkasten 1.0“ im Oktober 2020 hatten das Bayerische Digitalministerium und der Innovationsring das Projekt ausgeweitet und knapp ein halbes Jahr später das Folgeprojekt „Digitaler Werkzeugkasten 2.0“ gestartet. Insgesamt 25 Landkreise aus allen bayerischen Regierungsbezirken waren dabei. Die Anzahl der teilnehmenden Landkreise war damit mehr als dreimal so hoch wie beim ersten Projekt.

Austauschnetzwerk als „Bestes Kooperationsprojekt“

Das Besondere war das arbeitsteilige Vorgehen: Die 25 Landkreise setzten in einem abgestimmten Vorgehen Onlineanträge für wichtige Verwaltungsleistungen um und stellten sie anschließend den übrigen Landratsämtern kostenlos bereit. So entstand ein starkes Austauschnetzwerk. Dieser kooperative Ansatz hat auch die Jury beim eGovernment-Wettbewerb vor zwei Jahren überzeugt. Das Projekt wurde in der Kategorie „Bestes Kooperationsprojekt“ ausgezeichnet.

Um die Nachnutzung der Onlineanträge zu vereinfachen und zu beschleunigen, initiierte der Innovationsring gemeinsam mit dem Digitalministerium zudem eine zentrale Austauschplattform. Seit Juli 2022 ist der DigitalStore freigeschaltet. Zu den zentral bereitgestellten digitalen Servicedienstleistungen zählen beispielsweise die Beantragung einer Gaststättenerlaubnis sowie eines Parkausweises für Handwerker. Bis Ende 2022 wurde das Angebot um weitere 30 Onlineanträge mit Schwerpunkt auf Unternehmensleistungen ausgebaut.

„Digitaler Werkzeugkasten 3.0“

Aktuell läuft das Projekt „Digitaler Werkzeugkasten 3.0“ mit 40 teilnehmenden Landkreisen. Es ist geplant, mindestens 2 weitere Anträge pro Teilnehmer zu entwickeln. „Die Unternehmen erwarten, dass sie alle Anträge bayernweit digital und einheitlich finden können“, sagt IHK-Expertin Neuberger.

Dass Landkreise den Aufwand nicht scheuen, ihre Services zu optimieren und zu digitalisieren, zeigt das Beispiel Ebersberg, 2018 als erste Kommune in Bayern mit dem RAL-Gütezeichen „Mittelstandsorientierte Kommunalverwaltung“ ausgezeichnet und ebenfalls Mitglied im Innovationsring. Für das Siegel galt es, 14 Serviceversprechen in der Verwaltung in unterschiedlichen Fachbereichen einzuführen.

Prozesse mit Kennzahlen hinterlegen

„Dabei geht es ja nicht um die Versprechen als solche, sondern um die ›Beweisführung‹. Das heißt, es mussten Prozesse standardisiert und mit Kennzahlen hinterlegt werden“, erläutert der Ebersberger Landrat Robert Niedergesäß (CSU). „Das ist nicht einfach, vor allem wenn sachgebietsübergreifende Zusammenarbeit gefragt ist.“ Was bisher unter Kollegen besprochen wurde und von Schreibtisch zu Schreibtisch wanderte, muss nun digital abgebildet werden.

Um einen vollständig digitalen, also medienbruchfreien Prozess zu schaffen, sind diverse Hürden zu nehmen. Zuerst brauche es digitale Anträge, deren Daten nahtlos in die Fachverfahren übertragen werden können, so Niedergesäß. Anschließend könne die fachliche Arbeit vorgenommen werden. Die Daten sollten dabei in der elektronischen Akte gespeichert werden, sodass nicht analog auf Ausdrucken weitergearbeitet werden muss. Hier ist eine Schnittstelle vom Fachverfahren zum Dokumentenmanagementsystem (DMS) notwendig. Zuletzt muss es einen sicheren Rückkanal zum Kunden geben, etwa einen BayernID-Postkorb und ein ELSTER-Unternehmenskonto, über die Dokumente verschlüsselt und rechtssicher übertragen werden können.

Nicht kompatibel: unterschiedliche Techniken und Systeme

„In der Praxis fehlen aber verbindliche Standards hinsichtlich Schnittstellen der verschiedenen Systeme. Dies erschwert die Digitalisierung der Dienstleistungen“, bemängelt Niedergesäß. Onlineanträge werden von verschiedenen Akteuren aus Bund, Ländern und Kommunen mit unterschiedlichen Techniken und Systemen entwickelt. „Jede Behörde hat andere Systeme im Einsatz und benötigt entsprechend auch andere Schnittstellen“, so Niedergesäß. „Die sind aber von den Softwareherstellern zum Teil noch gar nicht realisiert.“

Vom Antrag bis zum Bescheid alles online

Innovationsring-Leiter Niedermaier fordert eine stärkere Zusammenarbeit von Freistaat und Kommunen bei der Digitalisierung der Verwaltung als gemeinsame und dauerhafte Aufgabe. Er plädiert für einen ganzheitlichen Denkansatz vom „Antrag zum Bescheid“ und dafür, die strikte Trennung zwischen staatlicher und kommunaler Digitalisierung aufzuheben. „Wir brauchen digitaltaugliche Gesetze, nutzerfreundliche Identifizierlösungen und mehr Pragmatismus“, ist er überzeugt. Nur so lasse sich die Verwaltung digitalisieren. Und das müsse das Ziel sein, betont Unternehmer Bensegger: „Denn ohne 100-prozentige Digitalisierung wird es keine Erleichterungen für die Nutzer geben.“

Stichwort: Bayerischer Innovationsring

Im Innovationsring des Bayerischen Landkreistags haben sich 26 Landkreise zusammengeschlossen, um die aktuellen und künftigen Herausforderungen der Verwaltungen gemeinsam zu bewältigen. Überzeugender Service für die Bürger ist einer der wichtigsten Leitgedanken des 1997 gegründeten Gremiums.

Ganz oben auf der Agenda stehen heute die Digitalisierung, die Bewältigung des Fachkräftemangels und die Kommunalfinanzen.

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