Digitalisierung | Betrieb + Praxis
Sparpotenziale im Fokus
Wie lässt sich die Energieeffizienz im Betrieb deutlich steigern? Digitale Lösungen zeigen, wo Unternehmen am besten ansetzen können.
Von Josef Stelzer, IHK-Magazin 07-08/2023
Anhaltend hohe Energiepreise machen zahlreichen bayerischen Unternehmen zu schaffen. In einer IHK-Umfrage im September vergangenen Jahres klagten 77 Prozent von ihnen über höhere Energiekosten. Viele sorgen sich deshalb um ihre Geschäfte und befürchten gar den Verlust ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Doch die hohen Kostenbelastungen lassen sich in den Griff bekommen, wenn die Unternehmen ihre Effizienzpotenziale ausfindig machen, vor allem in der Produktion.
Hilfe aus der Forschung
Auf Softwarelösungen fokussiert die Münchner fortiss GmbH, das Landesforschungsinstitut des Freistaats Bayern für softwareintensive Systeme. Markus Duchon (43), Leiter der fortiss Labs, beschreibt als Beispiel ein abgeschlossenes Projekt mit 6 Filialen zweier Münchner Großbäckereien. „Wir haben den Stromverbrauch aller dort eingesetzten Anlagen im laufenden Betrieb mittels spezieller Messgeräte und Sensoren zunächst detailliert erfasst“, erklärt der promovierte Informatiker – von Brotschneideanlagen über Kühlaggregate bis hin zu den Backöfen. Die Datenübertragung an die fortiss-Computer erfolgte per Funk, ohne zusätzliche Kabel. Die Messintervalle lagen deutlich unter einer Sekunde.
Stromverbrauch live visualisieren
Kernelement des Bäckerei-Projekts war eine Software, die fortiss gemeinsam mit weiteren Projektpartnern wie der Stadtwerke München GmbH und der auf Datenanalyse spezialisierten OmegaLambdaTec GmbH aus Garching entwickelt hat. Diese Software ermöglicht eine Live-Visualisierung des Stromverbrauchs in den Bäckereifilialen, sogar für jedes Gerät im Tagesverlauf. „Damit erkannten wir auf einen Blick, welche besonders viel Strom verbrauchten, welche man zeitweise abschalten könnte und wo Stromeinsparungen möglich wären“, erläutert Duchon und resümiert: „Die Unternehmen können mit unseren Projektergebnissen nun ihre Investitionen in neue, energieeffiziente Anlagen und Geräte in Abhängigkeit von deren Stromverbrauch planen. Und sie können herausfinden, in welchen Zeitabständen eine Neuanschaffung wirtschaftlich ist.“
KI als intelligenter Helfer
Für ein aktuelles Projekt bringt der Wissenschaftler die Anforderungen folgendermaßen auf den Punkt: „Ziel ist ein ökonomisch sowie ökologisch ausgerichtetes Energiemanagement, das es den Firmen ermöglicht, jeden Produktionsschritt bezüglich seiner CO2-Emissionen, seiner Energiekosten und des Energieverbrauchs zu optimieren.“ Beteiligt sind die Fraunhofer-Institute für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik (IGCV) und für Integrierte Schaltungen (IIS) sowie die tti Technologietransfer und Innovationsförderung Magdeburg GmbH.
Immer bedeutsamer wird für die Wissenschaftler das Thema künstliche Intelligenz. Duchon erläutert: „Damit lassen sich die Wechselwirkungen von Stromverbrauch, Netzbelastung und Erzeugungsleistung weitaus besser als bisher vorhersagen.“
Als weiterer Anbieter hat die Bayernwerk Netz GmbH, Regensburg, im August 2021 ihr EnergiePortal Business gestartet. „Damit helfen wir den Unternehmen, effizienter zu werden“, verspricht Marcel Häusler (34). „Denn alle Maschinen und Geräte sind involviert: von Gas- und Ölheizungen über strombetriebene Produktions- und Kühlanlagen bis zu Ladestationen, diversen Außenanlagen oder auch Geräten zur Eigenstromerzeugung.“
Sparen per Internetportal
Zunutze macht sich dies die Erste Dampfbierbrauerei W. Pfeffer GmbH & Co. KG, Zwiesel, die zu den ersten Portalkunden gehört. Für die Erfassung der Verbrauchsdaten sorgen Sensoren, die zum Beispiel an den Stromzählern befestigt sind. Die Verbrauchsdaten für Strom, Gas, Wärme, Kälte oder Wasser werden automatisch in regelmäßigen Zeitintervallen an das Bayernwerk-Rechenzentrum gesendet und dort weiterverarbeitet.
So lassen sich alle für die Brauerei relevanten Raumklimadaten überwachen: Temperatur, Kohlendioxid und Luftfeuchtigkeit. Aus den Tabellen und Grafiken, die das Portal zum Beispiel für den Stromverbrauch einer Kühlanlage im Tagesverlauf erstellt, kann das Unternehmen Einsparpotenziale ableiten. Der Portalzugang erfolgt einfach mit Passwort und Nutzernamen, in der Regel per Tablet.
„Digitaler Zwilling“ der Brauerei
„Dank Portal und Verbrauchsanalysen haben wir festgestellt, dass es günstiger ist, unsere Kälteanlage auf niedrigere Temperaturen zu stellen“, sagt Braumeister Andreas Keller (32). Dabei wird die mit Photovoltaik erzeugte Energie gewissermaßen in Kälte gespeichert. Damit sinkt der kostspielige Strombezug aus dem öffentlichen Netz deutlich.
Durch die Verbesserung der Energieeffizienz fließen immer mehr Verbrauchsdaten für sämtliche Anlagen und Maschinen ein, sodass letztlich ein „digitaler Zwilling“ der Brauerei entsteht. Dieses digitale Abbild soll helfen, Energie- und Materialverbrauch der gesamten Brauerei samt Produktion, Logistik sowie der Gebäudetechnik zu optimieren.
Firma nutzt Hinweise aus Planspiel
Ein weiteres Tool ist das kostenfreie „RE: Planspiel Materialflusskostenrechnung“. Als Gemeinschaftsprojekt des Bayerischen Umweltministeriums, des Bayerischen Landesamts für Umwelt mit den bayerischen Industrie- und Handelskammern (BIHK) fand es im Frühjahr dieses Jahres im Münchner IHK-Stammhaus statt. Teilnehmer Christian Schreiner (35), Produktionsleiter der Zambelli Fertigungs GmbH & Co. KG, Grafenau, lobt die Veranstaltung als „gelungene Mischung aus Theorie und Praxis mit hilfreichen Erkenntnissen über die einzelnen Produktionsschritte und deren Energieverbrauch“.
Mitgenommen hat er nützliche Hinweise, wie sich Material- und Energieflüsse mittels Software visuell darstellen lassen, sodass Einsparpotenziale rasch erkennbar werden. Für sein Unternehmen sagt er, nahezu allgemeingültig: „Im Grunde sind wir permanent auf der Suche nach Einsparmöglichkeiten, wollen Ressourcen sparen und beim Energie- sowie Materialverbrauch immer besser werden.“
So wird das Unternehmen, das Produkte zur Dachentwässerung fertigt, auf seinen Hallendächern eine Photovoltaikanlage mit rund 500 Kilowatt Leistung installieren. Und bei sonnigem Wetter dürfte die PV-Anlage sogar mehr Strom erzeugen, als der Betrieb selbst benötigt.