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Logistik auf hohem Niveau – everstox-Gründer (v.l.) Boris Bösch, Johannes Tress, Felix Haberland

Onlinehändler müssen Lager und Auslieferung im Griff haben. Das Start-up everstox will mit seiner Plattform E-Commerce-Firmen maßgeschneiderte Logistiklösungen ermöglichen.

Von Stefan Bottler, IHK-Magazin 05-06/2024

Wenn E-Commerce-Unternehmen Bestellungen aufnehmen, löst dies eine Fülle von Logistikprozessen aus. Die angeforderten Artikel werden aus den Lagerregalen genommen, kommissioniert, verpackt und einem Paketdienst übergeben. Der Zustellprozess sollte per Sendungsverfolgung überwacht und die Warenübergabe digital dokumentiert werden. Und natürlich sind die Abgänge in den Warenbeständen zu notieren und Nachbestellungen aufzugeben. Solche Abläufe stehen bei jedem Onlineeinkauf an.

Hinzu kommen vor- und nachgelagerte Prozesse: Regelmäßig müssen die Händler oder ihre Logistiker neue Waren bestellen, auf Qualität prüfen und in den Regalen einlagern. Wenn Kunden Produkte retour gehen lassen, stehen Rücktransporte und Wiedereinlagerung sowie – abhängig vom Artikel – Reinigung und Neuverpackung an.

Kostentreiber im E-Commerce: die Logistik

Solche und weitere Prozesse bildet das Münchner IT-Unternehmen everstox GmbH auf seiner Plattform „Logistics as a Service“ (LaaS) ab. „Jeder Onlinehändler kann seine gesamte Logistik auf unserer cloudbasierten Lösung abwickeln“, versichert Johannes Tress, Vorstandschef von everstox.

Gemeinsam mit Co-Vorstandschef Boris Bösch und Technikvorstand Felix Haberland hat der frühere Unternehmensberater das Start-up 2019 gegründet. Im florierenden Onlinehandel witterte das Trio damals eine Marktlücke. Viele E-Commerce-Anbieter hatten in individuelle Logistiklösungen investiert und ihre Waren in eigenen oder angemieteten Standorten gelagert und von dort ausgeliefert. Das ging ins Geld. Manche Händler gaben bis zu 40 Prozent ihres Umsatzes für Logistik aus.

Mit LaaS Logistik ganzheitlich steuern

Die Plattform soll helfen, Kosten zu sparen und die Zusammenarbeit mit professionellen Logistikern zu verbessern. Weil alle Logistikprozesse erfasst werden, können Händler und Dienstleister ganzheitliche Lösungen konzipieren und maßgeschneiderte Auftragsabwicklungs- und Versandprozesse entwickeln. „Logistik auf Amazon-Niveau“ versprechen die everstox-Gründer. Der US-Konzern ist auch deshalb so erfolgreich, weil er in eigenen Logistikzentren alle Prozesse managt und Endkunden mit schnellen Auslieferungen begeistert.

„Mit LaaS haben wir das Beste aus zwei Welten zusammengeführt und Fulfillment-Exzellenz mit Software-Know-how kombiniert“, versichert Tress. Für ihre Komplettlösungen können die Gründer eigene berufliche Erfahrungen nutzen. Tress und Bösch lernten als Berater der Boston Consulting Group (BCG) die Anforderungen von Onlinehändlern an eine automatisierte Auftragsabwicklung, also das Fulfillment, kennen. Haberland beschäftigte sich unter anderem als Vorstand bei Delivery Hero Germany mit der Optimierung von IT-gestützten Logistikprozessen.

Startups als Kunden

Mit dem everstox-Start 2019 standen die Unternehmer vor zwei Herausforderungen: Sie mussten Onlinehändler als Kunden akquirieren, die dem Newcomer eine anspruchsvolle Lösung zutrauten und gegebenenfalls zu einem Wechsel ihres IT-Partners bereit waren. Und sie mussten ausreichend Fulfillment Center finden, die zusätzliche Nutzer aufnehmen konnten.

KMU als Fulfillmentpartner

Das Trio wurde bei kleinen und mittleren Marktteilnehmern fündig. Als Kunden gewannen sie vor allem Start-ups, die ihre Logistik noch nicht vollständig aufgebaut hatten und mit LaaS ihr Geschäftskonzept deutlich schneller realisieren konnten. Als Fulfillment-Partner engagierten sie mittelständische Logistikdienstleister und E-Commerce-Unternehmen, die schnell erkannt hatten, dass auch ihre eigene operative Performance von der everstox-Technologie profitierte.

Die ersten Kunden und Partner standen Anfang 2020 unmittelbar vor Ausbruch der Coronapandemie fest. Im Nachhinein hatte der Newcomer damit einen günstigen Zeitpunkt erwischt. „Corona hat dem E-Commerce einen Schub gegeben“, blickt Tress zurück. „Hiervon haben auch wir profitiert.“

Schnittstellen zu den großen Paketdiensten

Viele everstox-Kunden vertreiben Modeartikel, Kosmetikprodukte, Getränke und Trockenlebensmittel. Auf einmal florierte der Verkauf solcher Produkte im Internet. Für weiteres Wachstum sorgten zusätzliche Finanzierungsrunden, die dem jungen Unternehmen insgesamt über 24 Millionen Euro in die Kassen spülten.

Heute sieht das Start-up Onlinehändler mit mehr als 10 Millionen Euro Umsatz als Kernzielgruppe. Die Münchner haben bislang rund 100 Anbieter akquiriert, die rund 70 Logistikzentren im In- und Ausland nutzen. Gleichzeitig erweitert everstox die Plattform um neue Features vor allem für den Versand. Dadurch können alle großen Paketdienste sowie weitere Logistikunternehmen, die regelmäßig E-Commerce-Sendungen ausliefern, mit ihren Trackinglösungen angebunden werden.

Viel internationale Konkurrenz

An Wettbewerbern herrscht kein Mangel: Das Spektrum reicht vom globalen Riesen Shopify aus Kanada, der über eine Million Handelskunden zählt, bis hin zu weiteren Start-ups, die sich ebenfalls auf kleine Onlineshops spezialisiert haben.

Sperrige Güter? Kein Problem!

Auf diesem hart umkämpften Markt will sich everstox nicht zuletzt dadurch absetzen, dass auf seiner Plattform auch sperrige Konsumgüter vertrieben werden können. Das erweitert die Zielgruppe – zum Beispiel um Fahrradhersteller wie die SUSHI Mobility GmbH. Das Münchner Unternehmen baut und vertreibt preisgünstige E-Bikes. „Ich habe ein Jahr lang nach einer passenden Softwarelösung für meinen Onlineshop gesucht“, sagt Andy Weinzierl, Gründer und Geschäftsführer von SUSHI Mobility. Für Beschaffungs- und Fertigungsprozesse benötigt Weinzierl eine ERP-Lösung, die er mit der E-Commerce-Plattform verbinden kann. LaaS macht dies möglich.

Grenzüberschreitender Einsatz

Ein weiterer Vorteil ist die internationale Einsatzfähigkeit der Plattform. Wenn Onlinehändler Auslandsmärkte erschließen wollen, fällt dies mit der everstox-Lösung relativ leicht. Als das Münchner Smart-Food-Unternehmen yfood Labs GmbH seine Trinkmahlzeiten auch in Großbritannien vermarkten wollte, stieg es schnell vom grenzüberschreitenden Paketversand auf regionale Logistikzentren mit everstox-Anbindung um. Prompt verringerten sich die Lieferzeiten drastisch – statt vier bis acht Tage dauerte der Versand nur noch ein bis zwei Tage. Außerdem sanken die Kosten um rund 75 Prozent.

Vom Local Hero zum Global Player

Solche Erfolgsstorys stützen das Wachstum des Start-ups. Derzeit nutzen Onlinehändler in einem halben Dutzend europäischer Länder sowie in den USA seine Lösungen. Aus dem Local Hero könnte eines Tages ein Global Player werden.

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