Digitalisierung | Standortpolitik
Viel Luft nach oben

Die Digitalisierung der bayerischen Wirtschaft kommt nicht recht voran. Welche Hürden die Unternehmen bei der Transformation sehen.
Von Josef Stelzer, IHK-Magazin 05-06/2025
Stillstand statt Fortschritt – der Digitalisierungsgrad der bayerischen Unternehmen hat sich 2024 gegenüber dem Jahr zuvor nicht verbessert. Woran das liegt? Hinderlich sind unter anderem der Zeitmangel, steigende Komplexitäten digitaler Systeme, hohe Kosten sowie fehlende Digitalkompetenzen. Zu schaffen machen den Unternehmen ebenfalls rechtliche Unsicherheiten.
Auch der Fachkräftemangel ist weiterhin problematisch. Das sind wesentliche Ergebnisse der aktuellen IHK-Digitalisierungsumfrage, an der Ende 2024 bayernweit mehr als 600 Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen teilgenommen haben.
Nur mittelmäßige Noten
Demnach bewerten die bayerischen Firmen ihren Digitalisierungsgrad mit der Schulnote 2,8 – so wie schon 2023. Im längerfristigen Vergleich mit dem Ergebnis aus dem Jahr 2020 hat sich die Selbsteinschätzung der Unternehmen lediglich um 0,1 verbessert. Aktuell sieht sich mehr als die Hälfte der befragten Betriebe digital nur durchschnittlich aufgestellt.
Nach eigener Einschätzung sind 6 Prozent der Firmen sogar nur unzureichend digitalisiert. Dagegen zeigt sich im technikaffinen Informations- und Kommunikationsbereich (IuK) ein höherer Digitalisierungsgrad. Finanzwirtschaft, Industrie und Bauwirtschaft verzeichnen leichte Fortschritte.
Digitalisierung macht produktiver
Wie lässt sich mehr Tempo machen? Der Unternehmer und Digitalisierungsexperte Gerhard Müller aus Markt Schwaben empfiehlt Unternehmen, „ihre Digitalisierungsmaßnahmen voranzutreiben, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern – zumal daraus letztlich enorme Produktivitätsgewinne resultieren“. Außerdem ließen sich so die Effekte des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels eindämmen.
„Um schneller voranzukommen, könnten die Betriebe Freiräume zur Verfügung stellen, in denen sich die Beschäftigten mit der Digitalisierung vertraut machen können“, rät Müller, der auch Vorsitzender des IHK-Fachausschusses für Digitalisierung ist. Denkbar sei etwa, Meetings mit Kurzreferaten zu brandaktuellen Digitalthemen einzuleiten.
Gemeinsam mit der IHK: Pack ma‘s dgital
„Dadurch signalisieren die Unternehmen, dass sie Neuem eine echte Chance geben.“ Die IHK bietet unter anderem in ihrem Ratgeber Digitalisierung und ihrem Angebot „Pack ma’s digital“ eine Vielzahl von Möglichkeiten, um sich in die verschiedenen Digitalisierungsaspekte einzuarbeiten – von Präsenzveranstaltungen über Webinare bis hin zu Netzwerken.
Eine Maßnahme der Unternehmensdigitalisierung stellen Cloud-Lösungen dar. Laut Umfrage haben branchenübergreifend rund 79 Prozent der Befragten Cloud-Technologien integriert. Fast jedes 2. Unternehmen in Bayern setzt auf künstliche Intelligenz. Rund 35 Prozent der befragten Firmen planen, KI-Lösungen innerhalb der nächsten 3 Jahre einzuführen.
Regulierung ist Haupthindernis
Ein regelrechter Boom zeigt sich bei den generativen KI-Systemen, die beispielsweise Texte formulieren und Bilder, Grafiken oder andere Inhalte erzeugen. Zum Einsatz kommen solche Lösungen etwa für Aufgaben zur Dokumentenbearbeitung, für einen personalisierten Kundenservice, zur Qualitätssicherung sowie in der Produktentwicklung.
Rund 60 Prozent der Unternehmen berichten, dass rechtliche Unsicherheiten die Datennutzung erschweren. Maximilian Störzer, Leiter digitaler Vertrieb im Bereich Mobilität der Stadtwerke München GmbH und stellvertretender Vorsitzender des IHK-Digitalisierungsausschusses, ärgert sich über die komplexen rechtlichen Vorgaben: „Für die Digitalisierung bildet die Regulierung das Haupthindernis, beispielsweise die langwierigen Genehmigungsverfahren für den Ausbau der Telekommunikations-Infrastruktur. Es ist, als ob man eine Eisenkugel am Bein hätte.“
Verunsichert Unternehmen: AI Act
Die Zuständigkeit gerade beim Datenschutz sei durch föderale Strukturen zu zersplittert, „die Anforderungen der Behörden sind damit schon bundesweit nicht eindeutig“, so Störzer. Eine Harmonisierung und Vereinfachung diverser digitalpolitischer Regulierungen sowohl auf europäischer als auch auf Bundesebene hält er für dringend nötig.
Zusätzliche Herausforderungen ergeben sich durch den AI Act, der als EU-weit geltender Rechtsrahmen für den Umgang mit KI dient (siehe auch Artikel „Hohe Risiken im Fokus“). Wobei die Vorgaben an verschiedenen KI-Risikoklassen ausgerichtet sind. Demnach ergibt sich etwa im Personalwesen durch den KI-Einsatz in der Regel die Einstufung als „hohes Risiko“. Für diese Risikoklassifizierung sind umfangreiche gesetzliche Vorgaben nach der KI-Verordnung zu beachten, bei Verstößen drohen hohe Strafen.
Verwaltung muss digital nachlegen
Gleichwohl nutzen der aktuellen Digitalisierungsumfrage zufolge mittlerweile 26 Prozent der Unternehmen KI-Lösungen im Personalbereich. „Durch den AI Act entstehen Unsicherheiten, was den Unternehmen ihre Digitalisierungsvorhaben erschwert“, warnt Störzer. „Wir brauchen jedoch einen Rechtsrahmen, der bürokratiearme und innovationsfreundliche Anwendungen erleichtert.“
Rund 45 Prozent der befragten Unternehmen bewerten im Übrigen die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung als ungenügend oder mangelhaft. Die unzureichende Verwaltungsdigitalisierung bremst nicht nur etablierte Firmen, die auf rasche, unbürokratische Abläufe angewiesen sind, sie erschwert auch Neugründungen.
Richtiger Schritt: Bundesdigitalministerium
Digitalexperte Müller ist überzeugt: Ein mit weitreichenden Vorgabekompetenzen ausgestattetes Digitalministerium auf Bundesebene sei „ein richtiger Schritt, um die Verwaltungsdigitalisierung endlich voranzutreiben“.
IHK-Info: Befragung der Unternehmen zum Stand ihrer Digitalisierung
Was sind die Ergebnisse und welche Herausforderungen sind zu bewältigen? Hier geht es zur kompletten, bayerischen Digitalisierungsumfrage.