Gabor Shoes ©
Kooperativ – Gabor in Rosenheim bindet seine Händler ins Onlinegeschäft mit ein

Wie Hersteller und stationäre Händler zusammen vom wachsenden E-Commerce profitieren können, zeigt die Gabor Shoes AG. Sie baute ihren Markenshop im Internet mit einem kooperativen Ansatz auf.

EVA ELISABETH ERNST, Ausgabe 07-08/2022

Über 1.000 Sneaker-Modelle, knapp 250 verschiedene Damenpumps, 1.500 Sandalen, dazu noch Ballerinas, Stiefel und Stiefeletten sowie ein komplettes Sortiment an Herrenschuhen – der Onlineshop der Gabor Shoes AG ist prall gefüllt.

Kontinuierliches Wachstum E-Commerce

Das Besondere: Den Versand der Bestellungen übernehmen die Handelspartner. Seit 2018 ist der Markenshop unter www.gabor.de online. »Wir haben damit auf das veränderte Konsumverhalten reagiert. Der E-Commerce wächst kontinuierlich«, sagt Thorsten Bähre (53), Leiter E-Commerce bei Gabor. »Daher haben wir uns dazu entschieden, eine wettbewerbsfähige Onlineplattform für unsere Marke zu entwickeln.«

Wichtig war dem Rosenheimer Schuhhersteller dabei, die lokalen Handelspartner einzubinden und ihnen eine zusätzliche Einnahmequelle zu erschließen. »Schließlich arbeiten wir seit über 100 Jahren erfolgreich mit dem Handel zusammen und führen dies nun auch im Digitalbereich weiter.«

Kein Risiko für den stationären Händler

Dass dieser kooperative Ansatz im E-Commerce sowohl für Hersteller und Marken als auch für deren stationäre Handelspartner durchaus vorteilhaft sein kann, bestätigt Oliver Lucas (50), Inhaber der ecom consulting GmbH aus München. »Für Händler bietet dieses Modell die Chance, ohne großes Risiko und ohne Investitionen in einen eigenen Onlineshop zusätzlichen Umsatz zu erzielen«, sagt der E-Commerce-Experte. In der Regel geschieht dies zu den empfohlenen Verkaufspreisen abzüglich der Versandkosten sowie einer Provision für den Plattformbetreiber. »Denn dem Markenhersteller ist natürlich daran gelegen, sein Preisgefüge auch online einzuhalten.«

Niedrige Kapitalbindung

Als Pluspunkte für den Hersteller sieht Lucas den direkten Kontakt zu den Onlinekunden und das daraus entstehende Feedback sowie die Möglichkeit, rasch Sonderaktionen fahren zu können. Einen weiteren, nicht zu unterschätzenden Vorteil stellt für ihn die niedrige Kapitalbindung dar. Schließlich muss der Hersteller die angebotenen Produkte nicht selbst vorhalten und einlagern, sondern greift auf die Bestände der stationären Handelspartner zurück.

Prozesssicherheit muss stimmen

»Voraussetzung für den Erfolg dieser kooperativen Variante des E-Commerce, wie sie unter anderem auch von der Sporthandel-Verbundgruppe Intersport oder der Franchise-Organisation BabyOne betrieben wird, bildet eine hohe Prozesssicherheit«, betont Experte Lucas. »Denn die Qualität des Fulfillments, also die schnelle und korrekte Lieferung an die Endkunden, muss passen.«

Bestandsinformation als Voraussetzung

Dazu ist es wichtig, dass der Hersteller die Bestände bei den angeschlossenen Einzelhändlern kennt. »Ohne Bestandsinformationen funktioniert das Ganze nur dann, wenn der Hersteller ein Zentrallager unterhält, aus dem er selbst liefert, falls sich kein Händler findet, der den Auftrag abwickeln kann.«

Die technisch komplexeste Variante ist laut Lucas die direkte Anbindung an die Warenwirtschaftssysteme und Kassen der Handelspartner, was für Transparenz über die tatsächlichen Bestandszahlen sorgt. Möglich sind aber auch regelmäßige Updates der Händler über die bei ihnen verfügbaren Produkte. Um gegen Bestandslücken gewappnet zu sein, könnte der Hersteller auch hier Zentralbestände vorhalten.

Dateifeed alle fünf Minuten

Nach diesem Modell läuft die Arbeitsteilung im Onlineshop von Gabor: Die angeschlossenen stationären Händler melden ihre Bestände per automatisiertem Dateifeed nach Rosenheim. Bei größeren Partnern geschieht dies alle fünf Minuten, bei kleineren etwas weniger häufig. Bei jeder Onlinebestellung entscheidet der Algorithmus des Shopsystems anhand vorgegebener Kriterien darüber, an welchen Partner die Order weitergeleitet wird.

»Händler first«

Es gibt zum Beispiel die Vorgabe, eine Bestellung in möglichst wenigen Einzelsendungen zu verschicken: Ordert ein Kunde mehrere Paar Schuhe, erhält der Handelspartner den Zuschlag, der alle Produkte vorrätig hat. »Außerdem spielt die Qualität des Fulfillments unserer Partner eine Rolle«, sagt E-Commerce-Leiter Bähre. Als weiteres Kriterium nennt er »Händler first«: Nur wenn der Handelskanal eine Bestellung nicht abwickeln kann, wird aus dem Gabor-Zentrallager geliefert. Die geografische Nähe zwischen Händler und Besteller als Kriterium einzupflegen, wäre unter Logistik- und Marketingaspekten zwar wünschenswert, ist aus Datenschutzgründen jedoch nicht möglich.

Zuverlässigkeit Voraussetzung

Als das Unternehmen 2017 die Einzelhändler über die Entscheidung informierte, einen Onlinemarkenshop unter Einbeziehung des Handels zu eröffnen, war die Resonanz durchwegs positiv. »Die ersten Partner haben sich sehr schnell proaktiv gemeldet«, erinnert sich Bähre. Ein sauber gepflegtes Warenwirtschaftssystem, eine gewisse Grundmenge an Gabor-Ware sowie das Know-how und die Bereitschaft, die vorgegebenen Prozesse einzuhalten, bildeten die wesentlichen Kriterien bei der Auswahl. »Da die Endkunden im Gabor-Markenshop bestellen, ist uns neben einer hohen Liefersicherheit wichtig, dass unsere Handelspartner die gemeinsamen Regeln einhalten«, unterstreicht Bähre. »Wir überprüfen sehr genau, wie zuverlässig sie die Bestellungen abarbeiten.«

Erfolgreiche Aufgabenteilung

Die Handelspartner tragen die Versandkosten. Sie erhalten von Gabor den vollen Verkaufspreis, abzüglich einer Provision, wie sie auch auf anderen Marktplätzen bezahlt werden muss. Gabor übernimmt die Bereitstellung der Technik und der Daten, sorgt für die Darstellung der Produkte mit Bildern und Texten im Shop, übernimmt Bezahlungsmanagement und -risiko und unterhält ein Callcenter, das Fragen der Endverbraucher beantwortet. »Und wir bewerben unseren Markenshop natürlich auch angemessen«, ergänzt Bähre.

»Müssen sehen, wohin die Reise geht«

Umsatzzahlen des Onlineshops gibt Gabor nicht bekannt. »Aber wir sind nicht nur mit den Leistungen unserer Handelspartner, sondern auch mit den Umsätzen, die auf der Plattform erwirtschaftet werden, zufrieden«, sagt Bähre. »Jetzt haben wir mehr als zwei Pandemiejahre mit Lockdowns hinter uns und die Ukraine-Krise mit deutlicher Trübung des Konsumklimas vor uns – wir müssen sehen, wohin die Reise geht.«

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