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Digital freie Bahn – wie ist der Stand in Oberbayern?

Wo stehen die Unternehmen in Oberbayern und deutschlandweit bei der Digitalisierung? Die Ergebnisse der aktuellen IHK-Digitalisierungsumfrage offenbaren reichlich Potenzial.

JOSEF STELZER, Ausgabe 03/2022

Der Digitalisierungsgrad der Unternehmen hat sich bundesweit 2021 nur wenig verbessert. In Oberbayern zeigt sich nach der neuen IHK-Digitalisierungsumfrage zwar ein Vorsprung gegenüber Deutschland insgesamt. »Doch ein deutlicher Schritt nach vorn ist nicht erkennbar«, resümiert Bernhard Kux, IHK-Referent für Informations- und Kommunikationswirtschaft.

28 Prozent digital »nicht gut« aufgestellt

Zwar schätzen immerhin 34 Prozent der Unternehmen in Oberbayern den eigenen digitalen Entwicklungsstand als »gut« oder sogar »sehr gut« ein. Auf der anderen Seite jedoch sehen sich 28 Prozent als digital »nicht gut« aufgestellt. »Das ist eindeutig zu viel«, so Kux.

Bundesweit nahmen 4.286 Unternehmen an der bis Anfang Dezember 2021 durchgeführten Befragung teil, davon 459 Firmen aus Oberbayern. Im Fokus standen die Selbsteinschätzungen in puncto Digitalisierung, eigene betriebliche Maßnahmen sowie politische Rahmenbedingungen. Zudem wurde gefragt, wie mit Daten, IT-Sicherheit und innovativen Technologien umgegangen wird.

Oberbayerische Firmen mit besserem Internet

Leistungsfähige Internetverbindungen bilden das Rückgrat der Digitalisierung. Der Umfrage zufolge sind oberbayerische Firmen im Vergleich zum Bundesdurchschnitt hier besser versorgt. Während in Oberbayern 24 Prozent über kein ausreichend schnelles Internet verfügen, sind es in Deutschland mit 29 Prozent deutlich mehr.

Digitales Mindset als Schlüsselkompetenz

In oberbayerischen Betrieben ist auch der Bedarf am sogenannten digitalen Mindset als Schlüsselkompetenz zur erfolgreichen Digitalisierung stärker ausgeprägt: Als Top-Kompetenzen, die bei Mitarbeitern wie bei Führungskräften weiterzuentwickeln sind, sehen die Firmen digitale Denkweise, Veränderungsbereitschaft sowie Prozessverständnis im Vordergrund – noch vor den zweifellos wichtigen Fachkompetenzen in den Bereichen Technologie und Daten (siehe Grafik »Digitales Mindset gefragt«).

Welche Motive stehen bei Digitalisierungsaktivitäten im Mittelpunkt? Während es 2020 vor allem die Kostensenkungspotenziale und die strategische Unternehmensentwicklung waren, liegt der Fokus in der aktuellen Befragung in Oberbayern auf flexiblen Arbeitsmodellen (siehe Grafik unten »Mobiles Arbeiten treibt die Digitalisierung«). Ähnlich sieht es in ganz Deutschland aus. Die coronabedingten Anforderungen rund um mobiles Arbeiten und Homeoffice dürften dabei eine zentrale Rolle spielen.

Hohe Komplexität der Umstellung als Herausforderung

Für 49 Prozent der bundesweit befragten Unternehmen entstehen die größten Herausforderungen für ihre Digitalisierung aus der hohen Komplexität bei der Umstellung bestehender Systeme und Prozesse. 36 Prozent nennen fehlende zeitliche Ressourcen und 34 Prozent die hohen Kosten. In Oberbayern zeigt sich im Grunde das gleiche Bild, am vierthäufigsten wird hier der Fachkräftemangel angeführt.

Innovative Technologien
Bei 90 Prozent der Unternehmen ist Cloud-Technologie im Einsatz oder in Planung. Künstliche Intelligenz und Edge-Anwendungen (Datenverarbeitung im dezentralen Netzwerk und damit im Gerät selbst) sind bei etwa 50 Prozent der Unternehmen ein Thema.

Andere vielversprechende, aber noch nicht im Mainstream angekommene Technologien wie Blockchain, IoT (Internet of Things), Virtual/Augmented Reality, 5G, 3-D-Druck sowie Robotik und Sensorik setzen 20 bis 40 Prozent der Unternehmen bereits ein.

Nutzung von Daten
Die Mehrzahl der Unternehmen in Oberbayern wie auch bundesweit verwendet Daten in ihrem Unternehmen, um Kundenbeziehungen zu verbessern und Geschäfts- und Produktionsprozesse zu optimieren. Weniger verbreitet ist die Datennutzung zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle oder neuer Produkte. Einig sind sich dabei 94 Prozent der Firmen, dass Daten und deren Nutzung für die Unternehmensentwicklung wichtig sind. Die Herausforderung liegt für die meisten Firmen jedoch in datenschutzrechtlichen Hemmnissen, Rechtsunsicherheiten bei der Verwendung von Daten sowie technischen Hürden.

Gefahr durch Cyberangriffe
Cyberattacken häufen sich und können betroffene Betriebe massiv bedrohen. Ein Beispiel hierfür sind die vermehrten Angriffe mit Ransomware, die Kunden- oder Firmendaten verschlüsselt und somit blockiert. Cyberkriminelle versprechen einen Entschlüsselungscode nach Zahlung eines Lösegelds per Kryptowährung.

Notfallpläne nur bei 30 bis 40 Prozent

Die meisten Betriebe haben Standardmaßnahmen wie die regelmäßige Datensicherung und ein Identitätsmanagement eingeführt und setzen zudem auf Risikoanalysen, Verschlüsselungstechniken, betriebliche Nutzungsvorgaben sowie regelmäßige Schulungen für die Beschäftigten. Der Anteil der Unternehmen, die derlei bereits nutzten, ist in Oberbayern deutlich größer als in Deutschland insgesamt. Allerdings sind tiefer gehende Notfallpläne oder Sicherheitstests nur bei 30 bis 40 Prozent der Firmen vorhanden – obwohl über unternehmensbedrohende Cyberattacken in den Medien vielfach berichtet wird.

Die Anforderungen rund um die betriebliche IT-Sicherheit erweisen sich in vielen Fällen jedoch als hochkomplex. Damit können kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) schnell überfordert sein. »Jedes Unternehmen sollte sich auf einen IT-Notfall vorbereiten. Dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass dieser eintritt – und im Akutfall ist man besser gewappnet«, rät IHK-Experte Kux.

Forderungen an die Politik
Was erwartet die Wirtschaft von Bund und Ländern, um die Digitalisierung voranzubringen? Mit großem Abstand wurde hier die Forderung genannt, eine leistungsfähige Breitbandinfrastruktur zu schaffen.

Die Unternehmen wünschen sich zudem eine verbesserte digitale Verwaltung, durch die sich die betrieblichen Bürokratiekosten erheblich reduzieren lassen. Deutschland hinkt hier im internationalen Vergleich deutlich hinterher. Kux: »Bund, Länder und Kommunen müssen nun endlich konsequent und über alle föderalen Strukturen hinweg gemeinsam nutzerfreundliche Lösungen umsetzen.«

Auf dem dritten Platz landete die Forderung nach einer Vereinfachung beim Zugang zu Fördermitteln für die Digitalisierung (siehe Grafik unten »Schnelles Netz«).

Die vollständige Digitalisierungsumfrage gibt es auf der IHK-Webseite.

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