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Andreas Gebert ©
Großer Auftritt – Gewinner und Jury bei der Preisverleihung

Innovationen stärken die Wirtschaftskraft und sichern die wirtschaftliche Stärke Bayerns. Die Gewinner des Innovationspreises Bayern 2024 überzeugen mit wegweisenden Entwicklungen.
 
Von Josef Stelzer, IHK-Magazin 11-12/2024

In einer sich ständig verändernden globalen Wirtschaft sind Innovationen der entscheidende Faktor, um im Wettbewerb zu bestehen. Sie ermöglichen es Unternehmen, sich an neue Marktanforderungen anzupassen, effizienter zu arbeiten, zukunftsweisende Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln oder gesellschaftliche Herausforderungen zu lösen. Der Innovationspreis Bayern würdigt alle 2 Jahre Unternehmen, die besonders zukunftsweisende Produkte, Verfahren und Dienstleistungen entwickelt haben.

Vergeben wird die Auszeichnung vom Bayerischen Wirtschaftsministerium, den bayerischen IHKs (BIHK) und der Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Handwerkskammern. In diesem Jahr gehen alle 3 Hauptpreise sowie der Sonderpreis in der Kategorie „Start-up“ nach Oberbayern. Wir stellen die Gewinner mit ihren Innovationen im Folgenden vor.

Mehr Infos auf der Webseite zum Innovationspreis Bayern 2024.


1. Hauptpreis: Orbem GmbH, München:
Hühnereier blitzschnell sortiert

Zielgruppe Geflügelindustrie: Mit innovativen Lösungen für diese macht das Münchner Unternehmen Orbem von sich reden. Es befasst sich mit der Geschlechtsbestimmung von Hühnereiern.
Die wesentlichen Bausteine der Orbem-Entwicklung sind künstliche Intelligenz (KI) und die in der Humanmedizin bewährte Magnetresonanztomografie (MRT), die Bilder mittels Magnetfeldern erstellt. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz beschleunigt die Bildverarbeitung von MRT-Geräten um ein Vielfaches, und zwar in einer bisher unerreichten Genauigkeit.

Damit reduziert sich der Zeitaufwand für die Geschlechtsbestimmung von Hühnereiern gegenüber herkömmlichen Verfahren auf einen Bruchteil. Das Geschlecht der Embryonen spielt in der Geflügelindustrie eine entscheidende Rolle, weil männliche Hühner keine Eier legen und nicht für die Fleischmast geeignet sind.

Die Orbem-Innovation dient auch dem Tierwohl, da sie eine Selektion vor dem 13. Bruttag ermöglicht. Dann nämlich beginnt das Schmerzempfinden der Hühnerembryonen. Die männlichen Embryonen lassen sich also schon vor dem Beginn des Schmerzempfindens identifizieren und aussortieren.

Einsatz auch in Lebensmittelindustrie

Orbem-Geschäftsführer Pedro Gómez bringt den wirtschaftlichen Nutzen der Innovation folgendermaßen auf den Punkt: „Die vollständige Automatisierung ermöglicht den Brütereien gravierende Effizienz- und Produktivitätssteigerungen. Außerdem erhöht das ständige Lernen der KI den Durchsatz sowie die Genauigkeit des Verfahrens weiter.“

Die Einsatzmöglichkeiten der Entwicklung sind längst nicht auf die Geflügelindustrie beschränkt. Das Unternehmen, das 2019 als Spin-off der Technischen Universität München gegründet wurde, testet für die KI-gestützte Bildgebung bereits weitere Anwendungsbereiche in der Lebensmittelindustrie. So lassen sich dank der Orbem-Innovation zum Beispiel auch Parasiten frühzeitig erkennen oder Nüsse klassifizieren.


2. Hauptpreis: cureVision GmbH, München
Für eine bessere Wundanalyse

Medizintechnikspezialist cureVision, 2021 gegründet, erhält den Preis für ein Instrument zur besseren Wundanalyse. Es handelt sich um ein etwa 20 Zentimeter langes Gerät, das bei bestimmten Krankheiten oder nach Unfällen einfach vor die Wunde gehalten wird. Herzstück des Tools ist künstliche Intelligenz (KI).

„Die von uns trainierte KI erfasst Wunden binnen weniger Sekunden millimetergenau“, sagt Mitgründerin und Geschäftsführerin Kerstin von Diemar (44). Mit einem Klick kann das cureVision-System Länge, Breite und Tiefe von Wunden messen. Zudem ermittelt es die Anteile der 3 wichtigsten Gewebearten im Wundbett. Während der Fotodokumentation erstellt die eingebaute Thermalkamera überdies ein Wärmebild.

„Die Messdaten lassen sich per Telemedizin allen beteiligten Ärzten, Krankenhäusern oder Krankenkassen umgehend zur Verfügung stellen, sodass sie rasch fundierte Entscheidungen für den weiteren Therapieverlauf treffen können“, sagt von Diemar. Bislang ermitteln Ärzte oder Pflegekräfte die Wundgröße meist mithilfe von Papierlinealen und einfachen Digitalkameras.

Automatisierte Dokumentation

Dies dauert deutlich länger. Zudem liefern die traditionellen Methoden ungenaue Messresultate. „Damit besteht die Gefahr, dass man minimale Vergrößerungen der Wundfläche schlichtweg übersieht“, sagt von Diemar. Dabei können auch kleinste Vergrößerungen ein Hinweis darauf sein, dass die angewendeten Therapien nicht wie erhofft wirken.

Die Fotodokumentation wird automatisch in die Wundberichte integriert – das aufwendige nachträgliche Zuordnen von Bildern zu Patienten entfällt ebenso wie die spätere Übertragung von Notizen in die Patientenakte. Das reduziert den Zeitaufwand erheblich und vermeidet Verwechslungsrisiken.


3. Hauptpreis: Sensodrive GmbH, Weßling
Feinfühlige Robotertechnik

Geschäftsführer und Inhaber von Sensodrive, Norbert Sporer (55), überzeugte die Jury mit einer innovativen Technologie für Roboterantriebe. Die mit dem Innovationspreis geehrten Entwicklungen werden einbaufertig geliefert und sind dank ihrer Standardschnittstellen für Hard- und Software problemlos in verschiedenste Roboter integrierbar.

Dank der sensitiven Technik eignen sich die neuen Antriebe vor allem für Roboter, die in der Medizintechnik oder in der Industrie zum Einsatz kommen und dabei mit Menschen zusammenarbeiten. Spezielle drehmomentgesteuerte Sensoren, die in den Gelenken der Roboterarme eingebaut sind, tarieren mechanisch erzeugte Schwingungen binnen weniger Millisekunden automatisch aus und steuern die Elektroantriebe der Robotersysteme.

Dadurch lassen sich zum Beispiel Operationsmikroskope oder andere Instrumente in der Chirurgie noch präziser und feinfühliger als bisher sowie praktisch schwingungsfrei über einen Roboterarm positionieren. „Das kann gerade minimalinvasive Operationen erheblich erleichtern“, sagt Sporer.

Markt für hochsensitive Roboterantriebe wächst

Das Unternehmen hat sein Know-how seit der Firmengründung 2001 Schritt für Schritt aufgebaut. Es steckt in den Elektromotoren, Getrieben, Sensoren, in der Regelungstechnik samt Software sowie im Zusammenspiel aller Komponenten. „Die Entwicklung solcher Lösungen ist sehr aufwendig und kostspielig“, betont der Unternehmer, der die Markteinführung seines neuen Plug-and-Play-Systems vorantreibt.

Für die künftige Entwicklung ist er zuversichtlich: „Der Markt für unsere hochsensitiven Roboterantriebe, die mit zahlreichen Sensoren ausgestattet sind, wächst extrem schnell.“


Start-up-Sonderpreis: SUMM AI GmbH, München
KI für Leichte Sprache

Übersetzungsspezialist: Das erst 2022 gegründete Unternehmen SUMM AI ist für seine Sprach-KI-Lösung ausgezeichnet worden. Sie übersetzt Texte in Leichte Sprache, also in eine Version ohne Schachtelsätze, Fremdwörter oder Passivsätze (siehe auch IHK-Magazin 04/2024). Auf diese Weise stehen Texte sehr schnell zur Verfügung.

„Städte und Gemeinden können sich damit viel Geld und Zeit sparen, da nicht mehr jeder Text von externen Übersetzern und Übersetzerinnen zeitaufwendig in leicht verständliche Beiträge umformuliert werden muss“, sagt Geschäftsführerin Flora Geske (31).

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