Digitalisierung | Standortpolitik
Innovationsstau auflösen
Wie weit ist die Digitalisierung in der Verwaltung? Münchens IT-Referentin Laura Dornheim erklärt, welche Projekte die Landeshauptstadt vorantreibt – und wo es noch hakt.
Von Eva Elisabeth Ernst, IHK-Magazin 11-12/2024
Frau Dornheim, digitale Prozesse reduzieren die Bürokratiekosten für Firmen deutlich. Welche Verwaltungsprozesse für Unternehmen hat die Landeshauptstadt denn in den vergangenen Jahren digitalisiert?
Da ist zum einen die digitale Gewerbeanmeldung: In München können Gewerbe online an-, ab- oder umgemeldet werden. Das Kreisverwaltungsreferat (KVR) erhält hierzu sehr viel positive Resonanz über sein – ebenfalls digitales – Feedback-Tool. Aber auch Umfragen zeigen, dass diese digitale Dienstleistung gut ankommt. Nicht zuletzt, weil die Handhabung einfach und die Benutzeroberfläche schön gestaltet ist. Wobei es natürlich auch wichtig ist, wie es unter der Motorhaube aussieht. Schließlich ist es durchaus eine Herausforderung, gewachsene Systeme und papierbasierte Prozesse komplett und durchgängig zu digitalisieren.
Dass die Landeshauptstadt München im aktuellen Smart-City-Ranking von Haselhorst Associates Consulting unter 400 deutschen Städten die Spitzenposition einnimmt, freut uns sehr, weil es zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Es gibt aber natürlich immer noch viel zu tun.
Welche weiteren Digitalisierungsvorhaben hat die Landeshauptstadt angestoßen, die für Unternehmen relevant sind?
Wir sind gerade dabei, die Verwaltungsprozesse rund um Aufenthaltsgenehmigungen und Arbeitserlaubnisse von Fachkräften aus dem Ausland zu digitalisieren und sie dadurch zu vereinfachen, zu beschleunigen und transparenter zu machen. Konkret arbeiten wir derzeit an einem Tracking-System, mit dem der Stand der Bearbeitung online abgefragt werden kann. Das wird viele telefonische Nachfragen ersparen.
Nur noch 1 Chatbot
Außerdem haben wir auf den Webseiten der Verwaltung mehrere Chatbots installiert, die dafür sorgen, dass Standardfragen schnell beantwortet und Onlineinformationen besser gefunden werden. Künftig werden wir die einzelnen Chatbots zu einem großen Chatbot zusammenführen.
Eine große Vereinfachung wäre die Umsetzung des Once-Only-Prinzips. Dabei müssen Unternehmen – und Bürger – Daten und Nachweise nur ein einziges Mal übermitteln. Für weitere Anträge greift die Verwaltung auf bereits vorhandene Unterlagen zurück. Wie weit sind Sie mit Projekten, die das ermöglichen?
Voraussetzung dafür ist die sogenannte Registermodernisierung, die dafür sorgt, dass alle relevanten Datenbanken der öffentlichen Verwaltungen miteinander kommunizieren können. Das sind natürlich dicke Bretter, die nicht nur innerhalb der Kommunen, sondern auch auf Landes- und Bundesebene gebohrt werden müssen.
„Gesamtprozess ist mühsam“
Dazu müssen auf allen Ebenen gleiche Standards definiert und auch der Datenschutz sowie Zugriffs- und Hoheitsrechte beachtet werden. Bei der Registermodernisierung kommen wir durchaus voran, aber der Gesamtprozess ist mühsam.
Wie steht es denn um die Registermodernisierung bei der Landeshauptstadt München?
Die Stadt München beteiligt sich aktiv an der Registermodernisierung. Derzeit arbeiten wir daran, Praxisfälle zu identifizieren, um die Effizienzpotenziale durch die Registermodernisierung möglichst konkret benennen und beziffern zu können.
Was sind die größten Hindernisse für standardisierte IT-Lösungen quer durch die öffentlichen Verwaltungen?
Eine der größten Hürden ist aus meiner Sicht der Föderalismus: In der Digitalisierung haben rund 11.000 Kommunen das Rad für sich neu erfunden und individuelle IT-Lösungen implementiert. Dabei ist Copy and Paste ja wirklich ein geniales Feature.
Viele Kommunen, unnötig viele Anwendungen
Dass es in diesem Bereich an einheitlichen Vorgaben mangelt, führte zu diesem Wildwuchs uneinheitlicher Anwendungen. Bei der Standardisierung kommt man nur sehr langsam voran, wobei finanzstarke Kommunen hier einen Vorteil haben. Denn natürlich sind fehlende finanzielle und personelle Ressourcen ebenfalls eine Herausforderung. Auch in der Verwaltung gibt es schließlich viele unbesetzte Stellen in der IT.
Wie binden Sie Unternehmer und Vertreter der Wirtschaft in Ihre Digitalisierungsvorhaben ein?
Grundsätzlich setzen wir auf agile Prinzipien und holen sehr früh Rückmeldungen von den Nutzenden ein. So arbeitet zum Beispiel das Kreisverwaltungsreferat – wie bereits erwähnt – mit Feedback-Tools. In den Digitalrat der Stadt München, der im Februar dieses Jahres die Arbeit aufnahm, wurden zwei Beiräte berufen, die Wirtschaft und Handel vertreten. Darüber hinaus tauschen wir uns regelmäßig mit Wirtschaftsvertretern wie etwa der IHK aus. Viele qualifizierte Ansätze sehen wir übrigens auch im IHK-Positionspapier zur Verwaltungsdigitalisierung.
Bei welchen unternehmensrelevanten Anwendungen arbeiten Sie bereits mit künstlicher Intelligenz? Wo wäre ein KI-Einsatz künftig möglich?
Unsere Chatbots auf den Bürgerservice-Seiten arbeiten bereits mit KI. Sie sorgt dafür, dass die Fragen der Nutzerinnen und Nutzer besser verstanden und beantwortet werden.
Schneller zum Bescheid dank KI
Unser Ziel ist es, Chatbots für alle Verwaltungsbereiche zu installieren, um Interaktionen mit der Stadtverwaltung zu vereinfachen. Städtischen Mitarbeitenden steht seit Anfang des Jahres zudem MUCGPT zur Verfügung, eine datenschutzkonforme generative KI zur Texterstellung, mit der etwa Bescheide künftig schneller erstellt werden können.
Von KI-basierten Lösungen erwarten wir uns künftig hohe Effizienzsteigerungen, von denen letztlich auch Unternehmen profitieren werden. Es gibt eine riesige Bandbreite an Einsatzmöglichkeiten. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass wir im IT-Referat der Stadt München Digitalisierungsprojekte parallel zum Tagesgeschäft stemmen und es daher nicht ganz so einfach ist, den Innovationsstau aufzulösen und zugleich bei allen Zukunftsthemen dabei zu sein.
IHK-Info: Forderungen zur Verwaltungsdigitalisierung
Die IHK setzt sich mit einer Vielzahl von Vorschlägen und Aktivitäten für eine starke und zukunftsfähige digitale Verwaltung ein – mehr im Positionspapier „Verwaltungsdigitalisierung: Weniger Kosten, mehr Tempo und mehr Innovation in Wirtschaft und Verwaltung“. Auf der Überblicksseite unter "Innovation, Medien & Digitalisierung" zu finden.
Zur Person: Laura Dornheim
Laura Dornheim, Jahrgang 1983, ist in Dachau geboren und in München aufgewachsen. Nach einem Wirtschaftsinformatikstudium promovierte sie in Gender Studies zu Frauen in Führungspositionen. Seit 2022 leitet Dornheim als berufsmäßige Stadträtin das IT-Referat der Landeshauptstadt mit rund 1.400 Beschäftigten. Zuvor war sie über 20 Jahre in der Digitalbranche tätig. Sie ist Mitglied der Grünen.