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„Einfach ausprobieren“

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Digitaler Assistent – mit Chatbots lassen sich viele Aufgaben schneller erledigen

Welche Aufgaben können Textroboter wie ChatGPT übernehmen? Drei Unternehmer aus Oberbayern berichten über Anwendungsfälle aus der Praxis und den konkreten Nutzen.
 
Von Josef Stelzer, IHK-Magazin 09/2023

Die Breite der Einsatzmöglichkeiten für ChatGPT ist beeindruckend. Der Chatbot, der auf künstlicher Intelligenz (KI) basiert, kann zum Beispiel Vorschläge für Marketingtexte machen, Programmierhilfe leisten oder Förderanträge erstellen. Der Zugang ist einfach: Nach der Onlineregistrierung kann es mit Fragen oder Anweisungen losgehen. Meist dauert es nur wenige Sekunden, bis die Antwort auf dem Bildschirm erscheint. 3 Unternehmer aus Oberbayern berichten, wie sie den Textroboter einsetzen und welche Vorteile sie sehen:

Anträge schreiben lassen

Christian Hinreiner, Geschäftsführer der Agentur Studio 9 GmbH, stellt mit ChatGPT Förderanträge für seine Kunden, etwa für den Digitalbonus, für „Digital Jetzt“ oder das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand ZIM. Hierzu gibt er relevante Daten der Antragsteller in die kostenlose ChatGPT-Version ein. Also etwa das jeweilige Digitalisierungsvorhaben samt einer genauen Projektbeschreibung. Der Kosten- und Zeitaufwand, zum Beispiel für die Einführung eines Dokumentenmanagementsystems, gehört ebenfalls dazu.

„Bewährt hat es sich, ChatGPT mit dem Hinweis ›formuliere den Antrag für den Digitalbonus aus Sicht eines Sachbearbeiters in der Behörde‹ zu beauftragen“, so der Unternehmer. Der Chatbot liefert dann einen Antragstext mit rund 3.000 Zeichen, den ein Agenturmitarbeiter prüft und, wenn es erforderlich ist, korrigiert.

Für die Agentur macht sich der KI-Einsatz bezahlt. „Bei einfachen Anträgen sparen wir jeweils circa 3 Stunden, das ist die Hälfte des bei manuellen Antragstellungen erforderlichen Zeitaufwands“, so Hinreiner. „Bei komplexen Förderanträgen können sich die Einsparungen auf bis zu 3 Arbeitstage pro Antrag belaufen.“

Prozesse beschleunigen, Kosten senken

Früher lag der Anteil der Agentur an der bewilligten Fördergeldsumme zwischen 20 und 30 Prozent. Jetzt sind es nur noch etwa 10 Prozent, weil der Zeitaufwand für die Antragstellung dank ChatGPT deutlich geringer ausfällt. Davon profitieren die Kunden. „Für einen mittels KI erstellten Antrag für das Förderprogramm ›Digital Jetzt‹ dürfte sich der Preis, den wir berechnen, gegenüber manuell erstellten Anträgen etwa halbieren, beispielsweise von 3.000 auf 1.500 Euro.“

Weil die Anträge nun weniger kosten, steigt die Nachfrage nach dem Fördergeldservice. Bisher hat das Unternehmen insgesamt rund 200 Anträge mithilfe von künstlicher Intelligenz erstellt. Allein für den Digitalbonus sind es etwa 3 bis 5 Neuanträge pro Woche. „Alle 2 Tage erhalte ich einen positiven Fördergeldbescheid“, sagt Hinreiner. Für seinen Service setzt er zusätzlich die intelligente Microsoft-Suchmaschine Bing AI ein, die dank Internetzugriff auch Quellen mit aktuellen Daten verwendet.

Wissen zugänglich machen

Seit Ende 2022 nutzt Andreas Essing, Gründer und Anteilseigner des Münchner IT-Dienstleisters IF-Blueprint AG, bereits ChatGPT. Mittlerweile verwendet er den Chatbot für E-Mail-Antworten, um Präsentationen anzufertigen oder um sogenannte Skripte zu erstellen, also Anweisungen an Computerprogramme.

Essing setzt auf die kostenpflichtige Premiumversion von ChatGPT, die per Internet auf aktuelle Informationen zugreift. „Als sehr hilfreich erweist sich künstliche Intelligenz in der Beratungspraxis, man wird durch die kluge Nutzung eines solchen Assistenten einfach viel schneller“, stellt der Unternehmer fest.

Eindeutig formulierte Aufträge

Aufträge an die künstliche Intelligenz können zum Beispiel lauten:

  • Schreibe mir eine Datenschutzfolgen-Abschätzung bei der betrieblichen Anwendung von ChatGPT.
  • Formuliere eine Stellenbeschreibung für Vertriebsmitarbeiter.
  • Beschreibe wichtige Skills für einen Ingenieur in der Entwicklungsabteilung eines Maschinenbauers.

„Der Textroboter hat uns auch bei der Formulierung einer betrieblichen Richtlinie unterstützt, wie die Mitarbeitenden ChatGPT nutzen können und worauf sie achten sollten“, berichtet Essing. „Natürlich bewerten oder korrigieren wir die Antworten, falls nötig.“
Seine Zukunftsvision ist: Der Unternehmer möchte den Erfahrungsschatz der IF-Blueprint-Mitarbeiter zu allen fachlichen Fragen, die sie in der Vergangenheit schon einmal bearbeitet haben, sammeln und per ChatGPT im Unternehmen zugänglich machen.

Alltagsaufgaben lösen

André Wehr, Geschäftsführer der Münchner Data & User Experience-Beratung tractionwise GmbH, nutzt die kostenfreie ChatGPT-Version mehrfach täglich. „Unsere Mitarbeiter habe ich ermutigt, den Chat ebenfalls einzusetzen und darauf zu achten, keine personenbezogenen Daten zu verwenden.“

Wehr nennt praxisnahe Anweisungen an die KI:

  • Versetze dich in die Lage eines Marketingexperten und zeige, wie sich eine Preiserhöhung am besten begründen lässt.
  • Verfasse ein positives Resümee zu einem Business-Lunch, das sich als LinkedIn-Beitrag eignet.
  • Beschreibe das Vorgehen US-amerikanischer Großhändler, wie sie sich gegen disruptive Technologien, die für sie existenzbedrohend waren, gewappnet haben.

Bei der letzten Aufgabe führte ChatGPT das Vorgehen der US-Firmen Walmart, Costco Wholesale sowie Sysco an und beschrieb in einem mehrere 1.000 Zeichen langen Text die Hintergründe. Den Text habe er praktisch ohne Korrekturen für einen Workshop verwenden können, so Wehr. „Durch KI werden wir im Alltag einfach effizienter“, fasst er seine Erfahrungen zusammen und empfiehlt, den Chatbot „einfach mal auszuprobieren“. Seine Pläne: Denkbar sei, die KI mit eigenen Daten aus der Vergangenheit zu „trainieren“, etwa für Prognosen zu Verkaufszahlen oder Preis- und Kostenentwicklungen. Zudem will Wehr Chatbot-Alternativen wie Google Bard und Bing AI testen.

Daten schützen, Ergebnisse überprüfen

Bei der Verwendung von Generativer KI sollten Nutzer stets den Datenschutz berücksichtigen. Da die Daten beispielsweise auf US-Servern verarbeitet werden, sollten weder personenbezogene Daten noch Geschäftsgeheimnisse preisgegeben werden. Ebenso gilt es, Antworten der KI stets kritisch zu hinterfragen, rät IHK-Experte Daniel Meyer: „Die KI nutzt statistische Verfahren, um die wahrscheinlichste Antwort zu präsentieren. Dies macht sie schon ausgesprochen gut. Dennoch gibt es ein gewisses Fehlerpotenzial, weshalb der Anwender niemals blind der KI vertrauen sollte.“

IHK-Service zu KI

Weitere Infos zu ChatGPT und Generativer KI auf der IHK-Website

Zugang zu Textrobotern gibt es unter:
chat.openai.com
bard.google.com

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