Digitalisierung | Betrieb + Praxis
Hilfe fürs Personalteam

Unternehmen können mithilfe von künstlicher Intelligenz ihre Personalarbeit schärfen. Wie sie dabei ihre individuelle Strategie finden.
Von Melanie Rübartsch, IHK-Magazin 03/2025
Der Vertrag beim neuen Arbeitgeber ist unterschrieben. Erst in 6 Monaten soll es losgehen. Der Kontakt zum Unternehmen steht aber bereits: Der neue Mitarbeitende erhält regelmäßige Updates per Mail. Die Firma erkundigt sich, ob noch Fragen bestehen, gibt Infos zu anstehenden Events im Betrieb oder zum neuen Caterer in der Kantine. Kurz vor dem Start kommt ein Infopaket für den ersten Arbeitstag.
All diese E-Mails wurden automatisiert verschickt, die Texte via KI individuell auf das neue Teammitglied hin angepasst. Beim ersten Starten des Computers begrüßt ein Chatbot den neuen Kollegen und begleitet ihn durch die ersten Tage. Er beantwortet Fragen zum Vertrag, hilft bei der Buchung von Schreibtischplätzen und gibt Hinweise zu notwendigen Sicherheitsschulungen. Am 3. Tag regt er außerdem an, sich doch mit der Teamkollegin zu treffen, die gerade aus dem Urlaub zurückgekommen ist. Um 10 Uhr hätten beide Zeit für einen Kaffee, schlägt der Bot nach einem Kalenderabgleich vor.
KI-gestütztes Onboarding
So oder so ähnlich kann ein KI-unterstützter Onboarding-Prozess für einen neuen Kollegen aussehen. Es ist eines der Felder aus dem Personalmanagement, in denen Unternehmen zunehmend den Einsatz von KI ausprobieren. „Viele haben erkannt, dass KI keine Modeerscheinung ist, die irgendwann wieder weggeht“, sagt Philipp Hölzle, Experte für Digitales im Personalmanagement und Transformationsbegleitung bei der Personal- und Managementberatung Kienbaum Consultants GmbH. Und wie auch in anderen Unternehmensbereichen kann KI bei HR-Aufgaben helfen, schneller zu passgenauen Ergebnissen zu kommen.
„Derzeit tasten sich die meisten erst einmal vorsichtig an die Möglichkeiten heran“, beobachtet Hölzle. Eine aktuelle Studie von Kienbaum bestätigt das: Bereits 58 Prozent der befragten Unternehmen experimentieren mit ersten KI-Anwendungen in HR-Prozessen. Lediglich jedes 5. hat indes bereits ein konkretes Zielbild und Anwendungsfälle entwickelt.
ChatGPT und Bots zum Einstieg
Der Mittelstand ist insgesamt noch zurückhaltender, beobachtet Louisa Kürten, Wirtschaftspsychologin und Expertin beim Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Hier nutzen nach einer IW- Consult-Umfrage gerade einmal 17 Prozent die Hilfe von KI. „Im Bereich Personal gibt es aber noch größere Hemmschwellen, weil es hier im Kern um Menschen geht“, sagt sie. Umso wichtiger seien individuelle Strategien: „Jedes Unternehmen muss für sich entscheiden, welche Anwendungen für die eigenen Ziele passen und wo die Grenzen verlaufen“, rät die KOFA-Expertin.
Einsatzbereiche gibt es reichlich, allen voran im Recruiting. „Der Einstieg in KI-basierte Personalarbeit ist nach unserer aktuellen Personalumfrage bei vielen Firmen, Stellenanzeigen mithilfe von Tools wie ChatGPT zu formulieren“, sagt Kürten. Algorithmen können darüber hinaus bei der gesamten E-Mail-Kommunikation im Bewerbungsprozess oder beim Formulieren von Interviewleitfäden für die Bewerbungsgespräche helfen. Einige Firmen nutzen auch Bots, die online durch Bewerbungsprozesse führen.
Nützlich in Personalentwicklung und Datenanalyse
KI kann zudem im Arbeitgebermarketing helfen: beim Erstellen von Anzeigen und Social-Media-Kampagnen oder beim Formulieren von Blogbeiträgen zu aktuellen Themen. Weiter geht es in der Personalentwicklung: Lerninhalte für die Belegschaft könnten passgenauer festgelegt werden, wenn die KI etwa auf Basis der letzten Mitarbeitergespräche ermittelt, welche Fortbildung und welche Lernform am besten zu welchem Kollegen passen. Vielleicht möchte sich das Unternehmen aber auch in einem bestimmten Bereich neu aufstellen und sucht dafür geeignete Kollegen. Die KI kann mit einer Analyse der Mitarbeiterstruktur bei der Auswahl helfen.
Ganz generell lassen sich mit generativer KI große Datenmengen aus dem Bereich HR – im Rahmen des personenbezogenen Datenschutzes – erfassen und analysieren. Dazu zählen auch Mitarbeiterbefragungen: „Dank KI lässt sich inzwischen auch natürliche Sprache in Freitextfeldern auswerten, sodass selbst bei großen Befragungen effizient qualitative Analysen durchgeführt werden können“, weiß Kienbaum-Experte Hölzle.
Die Tools sind das eine. Die zielgerichtete Anwendung das andere. „Eine KI ist immer nur so gut, wie man sie füttert und beauftragt“, sagt Stefan Wickenhäuser, Chef des Beratungsunternehmens Rethinking Job GmbH in Wörthsee. Mit anderen Worten: Es ist immer eine vorbereitende, strategische Denkarbeit erforderlich.
Strategisch vordenken
„Bevor man sich zum Beispiel eine Stellenausschreibung formulieren lässt, muss der Personaler gemeinsam mit der Fachabteilung herausfinden, was genau gebraucht wird“, so Wickenhäuser. Je konkreter ein Unternehmen einem Tool diese Anforderungen vorgibt, desto besser werden die Ergebnisse.
Ist das ideale Stellenprofil verfasst, kann die KI im nächsten Schritt helfen, alle geeigneten Zielgruppen für die Suche herauszufiltern. „In dieser Hinsicht ist KI auch eine Art Kontrolle“, meint der Berater. Gibt es Gruppen, die man selbst vielleicht übersehen hat – Quereinsteiger etwa? Letztlich fungiere die KI im Personal wie ein Mitarbeiter, der Aufgaben übernehmen kann, für die man selbst sehr viel länger brauchen würde, und der beim Brainstorming hilft. „Wichtig ist dabei, die Ergebnisse der KI immer gut zu prüfen, mit den definierten Zielen abzugleichen und selbst auf dieser Basis die weiteren Schritte abzuleiten“, sagt Wickenhäuser.
Individuelle Roadmap zur Orientierung
Wie orientierungslos Unternehmen in Sachen KI oft sind, weiß Florian Obermeier vom Viechtacher Beratungsunternehmen PASSION4IT GmbH. „Ich will etwas mit KI machen, aber ich weiß nicht, wie ich anfangen soll.“ So starten einige seiner Kundengespräche. „In der Regel erstellen wir gemeinsam mit den Kunden eine Roadmap inklusive Richtlinien, in denen wir neben den allgemeinen Zielen auch Leitplanken zur Nutzung setzen.“
Insbesondere der Datenschutz ist ein großes Thema, wenn es um KI in HR-Prozessen geht. So sollten etwa personenbezogene Daten niemals in Prompts, also in den Anweisungen für ChatGPT & Co., auftauchen.
Virtueller Assistent lernt im Unternehmenskontext
Obermeier hält viel von unternehmensinternen Chatbot-Systemen, zum Beispiel dem Copilot von Microsoft. Dahinter verbirgt sich ein KI-Tool, das auf die Technik hinter ChatGPT zugreift und aus den Unternehmensdaten lernt. „Alles, was er als Ergebnis auf Anfragen liefert, ist unmittelbar aus dem Unternehmenskontext gelernt. Außerdem ist Copilot so programmiert, dass die genutzten Daten im Unternehmen bleiben“, erklärt er.
Dass der Bot in der Regel das in der Vergangenheit aus dem Unternehmen Gelernte wieder anwendet, birgt auch ein Risiko: Firmen können im Althergebrachten stecken bleiben und sich neue Optionen verbauen. Haben zum Beispiel zuletzt vor allem mittelalte Männer ein bestimmtes Stellenprofil besetzt, könnte die KI meinen, dass dies auch künftig die beste Wahl ist. „Man muss aufpassen und aktiv gegensteuern, wenn Diversität durch eine KI-Analyse eingeschränkt wird oder aber neue, außerhalb des Unternehmens gewonnene Erkenntnisse unberücksichtigt bleiben“, so Kienbaum-Experte Hölzle.
Die Scheu nehmen, Möglichkeiten aufzeigen
Ganz generell empfiehlt der Berater Unternehmen, zweigleisig zu fahren. „Um Mitarbeitenden die Scheu oder die Angst vor KI zu nehmen, ist es Aufgabe der Personalabteilung, sie über einfache Anwendungen und erste Workshops an das Thema heranzuführen“, sagt er. Parallel dazu kann ein Unternehmen eine eigene KI-Strategie erarbeiten. „Hier ist die HR-Abteilung als Hüter der Personaldaten ein wichtiger Sparringspartner, um Grenzen und Möglichkeiten auszuloten.“
IHK-Veranstaltungstipp: IHK Zukunftskonferenz 2025
Bei der IHK Zukunftskonferenz am 27. Mai 2025 dreht sich alles um „KI in der Personalarbeit“ sowie weitere HR-Trends. Die Teilnahme ist kostenlos, um Anmeldung wird gebeten.