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Die dunkle Seite des Marketings

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Nicht nur im Internet – auch im analogen Verkaufsgespräch sind Manipulationen ein Thema

Sogenannte Dark Patterns helfen dabei, beim Internetshopping Kaufentscheidungen zu manipulieren. Die EU setzt dem mit dem Digital Service Act nun weitere Grenzen und verschärft die bestehende Rechtslage.

Von Gabriele Lüke, 05/2024

Seien es die Schmeicheleien des Schnellredners auf dem Wochenmarkt oder die Anpreisungen der charmanten Vertrieblerin: Das analoge Leben hält zahlreiche Strategien bereit, Kunden und Kundinnen zum Kauf zu bewegen, auch wenn sie die Ware oder Dienstleistung eigentlich gar nicht kaufen wollen. Im Internet funktioniert das gleichermaßen. In E-Shop oder auf Verkaufsplattformen finden sich immer wieder Designs, Buttons oder Prozesse, die Interessenten zu Kaufentscheidungen verleiten, die sie ohne diese Designs wohl nicht getroffen hätten. Als Überbegriff für manipulative Internetdesigns hat sich „Dark Patterns“ durchgesetzt. Ein Überblick über die  inhaltlichen und rechtlichen Aspekte:

Dark Patterns erkennen

Die Verbraucherzentrale NRW und die IHK für München und Oberbayern unterscheiden folgende Varianten von Dark Patterns:

  1. Übermäßige Fokussierung: Ein Element wird durch Farbe oder Größe in den Fokus gerückt und zieht den Blick des Kunden an. Alternativen sind nicht sichtbar genug. Das erleben Internetnutzer oft, wenn sie etwas erlauben sollen. Der Zustimmungsbutton erscheint als bunt unterlegt und ist am auffälligsten.
     
  2. Verwirrende Formulierung oder Gestaltung: Die Formulierung etwa von Fragen oder die Gestaltung sind bewusst verwirrend oder undeutlich. Ein Beispiel ist der Einsatz der grammatischen Verneinung. Über die Verneinung wird die Ablehnung des Kaufs suggeriert, die sich aber bei genauem Lesen als Zustimmung entpuppt.
     
  3. Sich ändernde Darstellung: Menüpunkte wechseln oder sind versteckt. Durch diese Uneinheitlichkeit werden auf Kundenseite leichter Fehler bei der Auswahl der Punkte provoziert.
     
  4. Aufgestockter Warenkorb: In den virtuellen Warenkorb werden unangefordert – und nicht vom Kunden selbst – zusätzliche Waren gelegt. Seien es Grußkarten oder Warenversicherungen. Wenn der Kunde sie übersieht, kauft er sie mit.
     
  5. Knappheitsargument: Immer wieder wird die Knappheit der Ware angedeutet. Angeblich sind nicht mehr genug Teile auf Lager oder die Ware ist nur zeitlich begrenzt verfügbar. Der Kaufdruck wird so erhöht.
     
  6. Sozialer Druck: Es werden zufriedene Kunden angezeigt, die es womöglich gar nicht gibt. Sie üben über ihre Begeisterung psychologischen Druck aus zu kaufen. Oder eine Ablehnung wird so unangenehm gestaltet, dass sich der Käufer geradezu schämt, wenn er nicht kauft.
     
  7. Ermüdungstrick: Kunden werden durch Nachfragen oder dauerhafte, weitere Klickanforderungen so genervt, dass sie schließlich den gewünschten Button klicken.
Neue Ansage durch die EU

Solche Dark Patterns und die sich dahinter verbergende manipulative Verkaufsförderung sind seit jeher verboten. Das regelt das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Die Regelungen sind sowohl für die analoge als auch für die digitale Welt gültig.

Doch weil die digitale Welt als Verkaufsraum immer bedeutender wird, hat die EU mit dem Digital Service Act (DSA) die Regelungen für die Internetwelt noch einmal gestärkt: „Anbieter von Onlineplattformen dürfen ihre Onlineschnittstellen nicht so konzipieren, organisieren oder betreiben, dass Nutzer getäuscht, manipuliert oder anderweitig in ihrer Fähigkeit, freie und informierte Entscheidungen zu treffen, maßgeblich beeinträchtigt oder behindert werden“, fordert Artikel 25 des DSA in seinem Einleitungstext. Im Folgetext zählt er einige der oben beschriebenen Dark Patterns auf. Die Regelung gilt seit dem 17. Februar 2024. Die bereits vor dem DSA bestehenden nationalen Gesetze gelten parallel weiter.

Nachschärfungen erwartet

IHK-Rechtsexpertin Tatjana Neuwald ordnet ein: „Der Begriff Dark Patterns ist neu, die Regelungen jedenfalls für Deutschland nicht. Der DSA knüpft an ‚Altbekanntes und Altbewährtes‘ aus dem UWG an. Schon vor dem DSA durfte man Kaufentscheidungen nicht durch Täuschung, Irreführung oder Manipulation erzwingen.“ Neuwald betont: „Sicherlich wird es in Zukunft aber durch die EU-Regelung bei Rechtsprechung und Gesetzgebung noch Nachschärfungen rund um die Pattern-Möglichkeiten geben. Wer manipuliert und erwischt wird, muss auf jeden Fall künftig nicht mehr nur mit Abmahnungen, sondern auch mit empfindlichen Geldstrafen rechnen.“

Im Zweifel Experten fragen

Unternehmen, die E-Shops oder Plattformen betreiben, sollten die neue EU-Regelung und den Begriff Dark Patterns bei Marketing und Verkaufsförderung ernst nehmen, sagt Neuwald mit Blick auf die Praxis. „Früher wie heute gilt: Gutes Marketing ist erlaubt. Lügen und betrügen nicht. Dazwischen gab und gibt es aber einige Graustufen, für die im Einzelfall geklärt werden muss, ob sie noch legal sind. Und dies treibt der DSA nun voran.“ Oft sei es nur eine Gratwanderung zwischen erlaubtem Marketing und illegaler Manipulation – „und man ist schneller, als man denkt, im Unrecht, obwohl man es gar nicht will. “ Unternehmen sollten bei ihren Marketingmaßnahmen daher noch mehr darauf achten, dass sie im rechtlichen Rahmen bleiben, sich im Zweifel auch Rat von Experten holen. Die Expertin fasst zusammen: „Der DSA und der neue Begriff der Dark Patterns schärfen hier noch einmal das Rechtsbewusstsein.“

IHK-Info zu Dark Patterns

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