Digitalisierung | Standortpolitik

Know-how für die Zukunft

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Mehr digitale Kompetenzen – Onlineplattformen wie die Basisbox helfen bei der Weiterbildung

Die Zukunftsoffensive unterstützt Unternehmen und deren Mitarbeiter beim Aufbau praxisgerechter digitaler Kompetenzen. 

Eva Elisabeth Ernst, Ausgabe 10/20

Dass die Coronakrise die Digitalisierung der Wirtschaft beschleunigt, ist unumstritten. Sie verschärft den Mangel an IT-Experten aller Fachrichtungen. Eine Auswertung, die das Münchner ifo Institut gemeinsam mit dem Karrierenetzwerk LinkedIn durchführte, zeigt: Die Zahl der dort veröffentlichten Stellenanzeigen in der Branche Software und IT-Dienstleistungen stieg zwischen März und Mai 2020 gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres um mehr als 20 Prozent. Lediglich im Gesundheitssektor kam es zu einem noch stärkeren Plus.

Arbeitskräfte langfristig zukunftsfähig erhalten

Unternehmen benötigen für die Digitalisierung jedoch nicht nur Softwareentwickler, Datenanalysten, Systemintegratoren & Co. Sie brauchen auch Mitarbeiter, die mit innovativen Technologien umgehen und die veränderten Arbeitsanforderungen bewältigen können, die mit der digitalen Transformation einhergehen. Genau hier setzt die »Zukunftsoffensive« an, eine Bildungsinitiative der Industrie- und Handelskammern München und Düsseldorf, der Google Zukunftswerkstatt sowie der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. »Unser gemeinsames Ziel ist es, Arbeitskräfte und Unternehmen durch die Vermittlung digitaler Kompetenzen langfristig zukunftsfähig zu erhalten«, erklärt Franziska Neuberger, Leiterin des Referats Digitalisierung und IKT bei der IHK für München und Oberbayern.

Die Initiative startete Anfang 2019 und geht nun in die zweite Runde. Ein erstes Ergebnis ist die sogenannte Basisbox, eine Onlineplattform mit 20 kurzen und kostenfreien Grundlagentrainings zu digitalen Themen, die in Unternehmen heute oder zukünftig gebraucht werden. Sie ging im November 2019 unter www.basisbox.de online. Bis Ende Juni 2020 meldeten sich rund 8.000 Nutzer an, um Kurse wie »Erfolgreich online recherchieren«, »Big Data und Algorithmen« oder »Cybersecurity« zu absolvieren. Die Schulungen vermitteln Grundlagen der Digitalisierung und sollen die Teilnehmer für digitale Chancen sowie lebenslanges Lernen sensibilisieren.

Reflexion und Lernbegleitung

»Die Zukunftsoffensive und die Inhalte der Basisbox finde ich brillant«, sagt Margret Degener (62), Geschäftsführerin der MoreBusiness GmbH. Das Lob kommt aus kompetenter Quelle: Das Unternehmen aus Planegg spezialisiert sich seit über 30 Jahren auf aktuelle Themen der Personalentwicklung. »Momentan beschäftigen wir uns speziell mit der Thematik Zukunftskompetenzen«, sagt Degener. Im Rahmen der Qualifizierungsmaßnahme »Digitale Fitness«, die MoreBusiness gemeinsam mit Kooperationspartnern zur Stärkung der digitalen und analogen Lernkompetenzen erfahrener Beschäftigter entwickelt hat, werden den Teilnehmern sogar einzelne Module der Basisbox empfohlen. »Allerdings binden wir diese Lerneinheiten in unser Gesamtkonzept ein«, betont Margret Degener. »Denn nur mit Reflexion und Lernbegleitung können die Inhalte so weiterverarbeitet werden, dass sie anschließend tatsächlich angewandt werden können.«

Kurse zum Durcharbeiten ans Herz zu legen

Sie rät daher Personalentwicklern und Ausbildern in Unternehmen, sich zunächst über die Inhalte der Basisbox zu informieren und ihren Mitarbeitern und Azubis anschließend konkrete Kurse zum Durcharbeiten ans Herz zu legen. Degener: »Ganz wichtig ist es, hinterher über das Erlernte zu sprechen – auch darüber, wo und in welcher Form dies bei den Tätigkeiten im Unternehmen umgesetzt werden kann.«

Mitarbeiter motivieren

Dazu rät auch Roda Müller-Wieland (29), wissenschaftliche Mitarbeiterin im Team »Unternehmenskultur und Transformation« am Center for Responsible Research (CeRRI) des Fraunhofer IAO. »Grundsätzlich sollten Arbeitgeber ihre Mitarbeiter dazu motivieren, sich mit digitalen Themen zu beschäftigen und sich auf diesem Gebiet weiterzubilden«, sagt die Psychologin.

In der Praxis ist das allerdings nicht ganz einfach: Fehlende zeitliche und finanzielle Ressourcen der Firmen und eine gewisse Intransparenz sowie mangelnde oder nicht einzuschätzende Passgenauigkeit erschweren es, Weiterbildungsangebote zu schaffen und zu nutzen. Das ergab eine Metastudie, die das CeRRI im Auftrag der Zukunftsoffensive durchgeführt hat, um den Qualifizierungsbedarf in den Branchen Handel, Logistik, Versicherungen und Krankenkassen zu untersuchen. »Dabei hat sich gezeigt, dass viele digitale Fähigkeiten branchenübergreifend benötigt werden«, sagt Müller-Wieland.

So müssen Beschäftigte neben klassischen Kompetenzen wie Problemlösung, Kreativität oder Anpassungsfähigkeit künftig auch über digitales Know-how verfügen und beispielsweise die digitale Interaktion oder das digitale Lernen beherrschen. »Allerdings wird nur sehr selten genau definiert, was denn nun konkret unter digitalen Grundkenntnissen zu verstehen ist«, sagt Müller-Wieland.

Niedrigschwellig, intuitiv und möglichst kostengünstig

Einig sind sich die Experten aber darin, dass die Angebote niedrigschwellig, intuitiv zu bedienen und möglichst kostengünstig sein sollten – so wie die Kurse der Basisbox. Doch damit sind die Weiterbildungsangebote, die bislang für die Zukunftsoffensive erarbeitet wurden, noch nicht erschöpft: Auf der Metastudie aufbauend, ermittelten die Fachleute des CeRRI in Interviews und Fokusgruppen mit Branchen-, Digital- und Personalexperten sowie tatsächlichen Jobinhabern, wie sich die Tätigkeitsprofile von Versicherungsfachangestellten und Logistikfachkräften durch die Digitalisierung verändern – und an welchen Punkten Weiterbildungsmaßnahmen ansetzen müssen.

Daraus entstanden zwei Weiterbildungsangebote mit IHK-Zertifikat: Digitalexperte/-in Versicherung IHK und Digitalexperte/-in Logistik IHK. Beide Fachseminare werden von der IHK Akademie für München und Oberbayern angeboten (akademie. muenchen.ihk.de – Suchbegriff »Digitalexperte«). Sie vermitteln den Absolventen nicht nur wichtiges Knowhow für heute und morgen, sondern eröffnen ihnen zudem gute berufliche Zukunftsperspektiven.

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