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Was kann KI? Anwendungen für die Praxis sind gesucht

Das Munich Center for Machine Learning, kurz MCML, der Münchner Universitäten gilt als wichtiges bayerisches Kompetenzzentrum für künstliche Intelligenz. Um Innovationen voranzutreiben, sucht es Unternehmen für Kooperationen.

STEFAN BOTTLER, Ausgabe 11/2022

Einem berühmten Satz von Joseph Beuys zufolge ist »jeder Mensch ein Künstler«. Mit dem neuen Bildgenerator Stable Diffusion kann wenigstens jeder Internetnutzer dieses Zitat wahr werden lassen. Ein Team um den Münchner Informatiker Björn Ommer hat für diesen Generator einen besonders leistungsstarken Algorithmus entwickelt.

Kreativität ausleben mit Stable Diffusion

Er verwandelt binnen Sekunden Texte in Bilder und erfordert lediglich eine herkömmliche Grafikkarte. Ein »Supercomputer« werde nicht mehr benötigt, sagt Ommer, Inhaber des neuen Lehrstuhls Künstliche Intelligenz und Kulturanalytik an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). »Auch Personen, die nicht mit künstlerischem Talent gesegnet sind und die keine besonderen Computerkenntnisse haben, können mit Stable Diffusion ihre Kreativität ausleben«, betont er.

Das MCML als eines von sechs KI-Kompetenzzentren

Der Hochleistungsalgorithmus für Stable Diffusion ist die bislang wohl bekannteste Innovation des Munich Center for Machine Learning (MCML). Die Forschungsinitiative für künstliche Intelligenz (KI) wurde 2018 von der LMU und der Technischen Universität München (TUM) gegründet. MCML ist eines von sechs KI-Kompetenzzentren, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und von den Landesregierungen mit jährlich bis zu 100 Millionen Euro gefördert werden. Rund 50 MCML-Forschungsgruppen treiben Grundlagenforschung für KI inklusive maschinellen Lernens (ML) voran und entwickeln Anwendungen für die Praxis.

Schlüsseltechnologie KI

KI gilt als Schlüsseltechnologie, die nahezu alle Lebensbereiche beeinflussen kann. Als Teilgebiet der Informatik lernen KI-Anwendungen, wie sie komplexe Aufgaben eigenständig lösen können. Die MCML-Forschungsgruppen sind auf sehr unterschiedlichen Gebieten tätig. In der Medizin können ihre Projekte helfen, Krebs möglichst früh zu erkennen und die Erfolgsaussichten von Operationen einzuschätzen. In der Betriebswirtschaft ebnen sie den Weg zu innovativen Business-Analytics-Verfahren, die große Datenvolumina aufbereiten und Geschäftsprozesse hinterfragen.

Wichtiger Schwerpunkt autonomes Fahren

Vor allem aber arbeiten die Forschungsteams an Lösungen, wie Computer Informationen aus Bildern und Sprache herausziehen und verarbeiten können. Ein wichtiger Schwerpunkt ist das autonome Fahren. Ohne KI-gestützte Bilderkennung sind fahrerlose Fahrzeuge überhaupt nicht vorstellbar.

Die Forschung soll den Weg in die Praxis finden. LMU- und TUM-Wissenschaftler suchen Unternehmen, die MCML-Projekte mit ihrem Equipment und Know-how unterstützen. Im Gegenzug können die Firmen von wissenschaftlichen Innovationen profitieren und diese im Betrieb einsetzen. »Wir wollen KI-Kompetenzen auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene schaffen und deren Potenziale gerade auch für Anwender aus der Wirtschaft zugänglich machen«, versichert Thomas Meier (40), Science Manager Kooperationen.

Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, wie wichtig eine solche Zusammenarbeit ist. Ohne externe Partner hätten Wissenschaftler Ommer und seine Forschungsgruppe den Algorithmus für Stable Diffusion nicht realisieren können. Auf den Servern des britischen IT-Unternehmens Stabilitiy.ai konnten sie diesen bis zur gewünschten Leistungsstärke trainieren.

Transfer in die Praxis

Einige Unternehmen haben bereits die Chancen erkannt, die das Kompetenzzentrum bietet. Science Manager Meier spricht von ein paar Dutzend Interessenten für eine Zusammenarbeit. Ein Start-up will mit MCML-Wissenschaftlern ein Automatisierungsprojekt für Rechnungs- und Auftragsbearbeitungen starten. Ein anderes Unternehmen plant, mit KI-Messystemen Energieeinsparungen im Einzelhandel zu initiieren.

Kooperationen mit Unternehmen gewünscht

»Als Folge der engen Verbindung von Grundlagenforschung und angewandter Forschung trägt MCML dazu bei, dass neue Ansätze des maschinellen Lernens viel schneller in die breite Öffentlichkeit gelangen«, sagt MCML-Sprecher Daniel Cremers, Inhaber des TUM-Lehrstuhls für Computer Vision und künstliche Intelligenz. Das MCML bietet Unternehmen mit KI-Ambitionen außerdem Vorträge und Beratungen an. Auch die Unterstützung von Promotions-, Master-, Bachelor- und anderen wissenschaftlichen Arbeiten ist willkommen. Am liebsten sind den Wissenschaftlern jedoch vertragliche Kooperationen.

Computer-Vision-Lösungen für Bilderkennung

Das Spektrum der Forschungsfelder ist groß. Ein wichtiges MCML-Thema sind zum Beispiel Bilderkennungsverfahren, die über autonome Autos hinaus auch in der Umwelt-, Vermessungs- und Medizintechnik gefragt sind. Mit Computer-Vision-Lösungen können Wirtschaft und Wissenschaft neue Verfahren entwickeln, die Kamerabilder analysieren, verarbeiten und interpretieren. Und mit Remote-Sensing-Methoden sind sie in der Lage, Informationen über Gegenstände in großen Entfernungen via Sensoren von Flugzeugen, Ballons oder Drohnen zu sammeln.

Auf beiden Feldern verspricht sich Meier viel von der Zusammenarbeit mit mittelständischen Unternehmen. Gleiches gilt für KI-Tools, die Produktionsverfahren optimieren. Egal, ob Letztere anschließend nachhaltiger arbeiten, weniger Fehler verursachen oder – was derzeit besonders wichtig ist – viel Energie einsparen. Auch hier möchte die Wissenschaft gern mit kleinen und mittleren Unternehmen kooperieren.

»Jedes Unternehmen kann von KI profitieren«

An erfolgreichen KI-Pionieren fehlt es nicht, betont Meier. Er nennt das Beispiel eines schwäbischen Start-ups, das mit einem neuen IT-Tool die Fehlerquote von Laser-Cuttern um rund 70 Prozent reduzieren und deutlich Energie sparen konnte. »Im Grunde genommen«, ist der Manager überzeugt, »kann jedes Unternehmen von KI profitieren.«

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