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Bergstation Wendelstein – auf dem Weg zum elektronischen Ticket

Mittelständische Tourismusunternehmen sollten die neuen Technologien stärker nutzen. Eine informative Website ist dabei nur der Anfang.

Von Eva Elisabeth Ernst, IHK-Magazin 07-08/2023

Auf dem heiligen Berg Andechs, auf den Wallfahrer seit dem 12. Jahrhundert pilgern, hält eine neue Technologie Einzug: Die Führung durch die Klosterbrauerei wird nun mit Virtual Reality (VR) angereichert. Durch ihre mobilen VR-Brillen können die Besucher zum Beispiel sehen, welche Prozesse sich im Inneren der großen Gär- und Lagertanks abspielen. „Damit geben wir einzigartige Einblicke in die Brauerei und heben unsere Brauereiführungen auf ein völlig neues Niveau“, freut sich Martin Glaab (52), der Sprecher des Klosters.

Inspiriert wurde die VR-Idee von der „Zeitreise durch Bayern“. Dabei handelt es sich um ein VR-Erlebnis der 2016 in München gegründeten TimeRide GmbH, das im „Senseum“ in der Münchner Innenstadt gezeigt wird. Die Besucher „fliegen“ im Zeitraffer durch 7.000 Jahre bayerische Geschichte. „Natürlich spielt dabei auch das Kloster Andechs eine Rolle, wodurch der Kontakt entstand“, erklärt Lisa Schulz (39), Chief Product Officer bei TimeRide.

So kamen die Benediktinermönche mit Animationskünstlern, Mediendesignern, Historikern und VR-Experten für die neuartige Brauereiführung zusammen. „Wir sind davon überzeugt, dass wir den Besuchern so nicht nur das Bierbrauen, sondern auch die besondere Geschichte des Klosters und unserer Klosterbiere näherbringen können“, sagt Klostersprecher Glaab.

Virtual Reality-Technologie: bei Jung und Alt beliebt

VR-Erlebnisse würden bei Menschen jeden Alters gut ankommen, meint Time-Ride-Managerin Schulz. „Wir sprechen eine breite Zielgruppe zwischen 6 und 99 Jahren an.“ Vor Kurzem feierte sogar ein 102-Jähriger seinen Geburtstag im Kölner „Senseum“. Weitere Dependancen gibt es in Berlin, Dresden und Frankfurt. „Während der Coronalockdowns haben wir Stadtrundgänge mit mobilen VR-Brillen entwickelt und unser B2B-Segment aufgebaut“, berichtet Schulz. Denn der Wert der VR-Technologie, die es den Nutzern erlaubt, sich virtuell an einen anderen Ort zu begeben und sich dort umzusehen, erschließe sich zunehmend auch Hotels, Tourismusdestinationen und Stadtmarketing-Gesellschaften.

Dass der Großteil der Tourismusbranche in Oberbayern derzeit noch meilenweit davon entfernt ist, sich mit VR-Anwendungen zu befassen, stellt Markus Pillmayer fest. Der 44-jährige promovierte Geograf ist Professor an der Fakultät für Tourismus der Hochschule München. „Bei der Digitalisierung ist insbesondere bei touristischen Leistungsträgern jenseits von Hotellerie und Gastronomie häufig noch sehr viel Luft nach oben.“

Online sichtbarer werden

Zwar gehörten Firmenwebsites oder zumindest eine Präsenz auf der Seite der lokalen Destination Management Organisation (DMO), also des Tourismusverbands vor Ort, mittlerweile zum Standard. „Doch was die digitale Buchbarkeit sowie die Sichtbarkeit auf Onlinekanälen und -plattformen angeht, da besteht bei mittelständischen Anbietern noch großer Handlungsbedarf“, so Pillmayer.

Darüber hinaus moniert er bei vielen touristischen Leistungsträgern mangelndes Bewusstsein für den Wert von Daten: Sie könnten beispielsweise eine Art digitales Dashboard zur aktuellen Auslastung oder die Erstellung und Bewerbung von Kombi-Angeboten ermöglichen. Auch die Digitalisierung interner Prozesse vernachlässige der Mittelstand häufig. „Eine Software zur Schicht- oder Urlaubsplanung kann eine echte Erleichterung sein“, sagt Pillmayer.

Reisende wollen Informationen online

Er warnt Tourismusunternehmen davor, die zunehmende Bedeutung und Akzeptanz digitaler Lösungen zu unterschätzen – auch wenn sich die touristischen Angebote in Oberbayern derzeit noch sehr großer Nachfrage erfreuten. „Wer digital nicht sicht- und buchbar ist, wird mittelfristig vom Markt verschwinden.“

Denn Reisende erwarten heute, „dass ihnen alle relevanten Informationen, die auf das Gesamterlebnis einzahlen und für sie einen Mehrwert stiften, verständlich aufbereitet und online einfach zugänglich gemacht werden.“ Eine Hauptrolle spiele dabei die Unternehmenswebsite, die die aktuelle Auslastung und die Onlinebuchung mit Handy-Ticket zeigen solle.

Diese Punkte stehen bei der Wendelsteinbahn GmbH schon auf der Agenda. Auf der Website ist zwar seit August 2015 ein Webshop mit Bezahlfunktion integriert. Doch mit den dort gekauften Gutscheinen müssen die Kunden an die Kasse, um sie gegen Tickets einzutauschen. „Ein elektronisches Ticket wird früher oder später kommen“, sagt Geschäftsführer Florian Vogt (55). Noch gibt es allerdings technische Herausforderungen, weil Shopsoftware und das elektronische Zutrittssystem aufeinander abgestimmt werden müssen. „Und der Datenschutz ist natürlich auch zu berücksichtigen.“

Trotz Corona 1.500 elektronische Bestellungen

Dennoch werden die Angebote auf der Website der Wendelsteinbahn rege genutzt. Dort sind neben Berg- und Talfahrten auch Erlebnisse wie Höhlenführungen, Brunch im Wendelsteinhaus, Mondscheinfahrten, Hüttenabende oder Blasmusikkonzerte auf der Bergterrasse buchbar. „2021 und 2022 haben wir trotz Corona rund 1.500 Onlinebestellungen erhalten. Im vergangenen Dezember waren es sogar 100 mehr. Und für 2023 mussten wir bereits neue Erlebnistermine nachschieben“, so Geschäftsführer Vogt.

Digitalgeschäft: Vorteile überwiegen

Rund 10 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet das Brannenburger Unternehmen über Onlinebuchungen. „Allein damit lasten wir die Wendelsteinbahn zwar nicht aus“, räumt Vogt ein. „Der große Vorteil ist aber, dass die für einen bestimmten Termin gebuchten Gutscheine auch bei schlechtem Wetter eingelöst werden.“ Dennoch ist das Onlinegeschäft nicht ganz unkompliziert. „Wenn wir Veranstaltungen witterungsbedingt absagen müssen, informieren wir die Käufer per E-Mail oder telefonisch“, erklärt Vogt. „Wenn die Gutscheine jedoch verschenkt wurden, wird es schwierig.“

Unterm Strich sei die Wendelsteinbahn mit dem Digitalgeschäft jedoch sehr zufrieden. „Wir merken, dass dies von unseren Kunden wirklich gut angenommen wird.“

Expertentipps: Mehr Digitalisierung wagen

Vier Empfehlungen für Mittelständler von Markus Pillmayer, Professor für Tourismus der Hochschule München:

  1. Beteiligen Sie sich an den Digitalangeboten Ihrer lokalen Destination Management Organisation (DMO). Damit können Sie Ihre digitale Sichtbarkeit ohne größeren Aufwand erhöhen.
  2. Neben einer modernen Website sind Social-Media-Kanäle wichtig. Dabei müssen Sie nicht alle (Kanäle) bespielen. Fragen Sie Ihre Kunden oder Gäste direkt, was für sie relevant ist.  
  3. Nutzen Sie das Online-Know-how von Mitarbeitern, lassen Sie sich von ihnen unterstützen. Das ist zugleich Motivation für die Beschäftigten.
  4. Arbeiten Sie mit den regionalen eCoaches des Tourismus Oberbayern München e.V. (TOM) zusammen. Sie beraten kostenfrei, welche der vielen Digitaloptionen für Sie die richtigen sind.

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