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Verhandeln per Videocall – Experten-Tipps, worauf es ankommt

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Vertrauen aufbauen – bei virtuellen Treffen schwieriger als beim direkten Kontakt

Selbst schwierige Verhandlungen lassen sich per Videocall erfolgreich führen. Zwei Experten erklären, wie das am besten funktioniert.

Eva Elisabeth Ernst, Ausgabe 05/2021 (aktualisiert 6. Mai 2021)

Online-Meetings? Videokonferenzen? Virtuelle Besprechungen? Vor dem Coronajahr 2020 gehörten diese Erfahrungen wohl für die wenigsten zum Arbeitsalltag. Doch mittlerweile sind wir es fast schon gewohnt, mit Geschäftskontakten via Bildschirm zu kommunizieren. Selbst Verhandlungen, zu denen man sich früher selbstverständlich persönlich getroffen hätte, werden nun per Videocall geführt.

Neben den typischen Schwierigkeiten mit Log-ins, instabilen Verbindungen, stockenden Kamerabildern und verzerrenden Mikrofonen bringen virtuelle Verhandlungen jedoch noch andere, weniger offensichtliche Herausforderungen mit sich: »Bei einem persönlichen Treffen laufen rund 55 Prozent der Kommunikation über die Körpersprache«, sagt Michaela Braun (58), Rechtsanwältin, Wirtschaftsmediatorin und Business Coach aus München. »Diese Informationen fehlen bei Videocalls. Gerade wenn sich die Verhandlungspartner vorher noch nicht persönlich getroffen haben, ist es daher wichtig, vor der eigentlichen Verhandlung eine positive Beziehung und Vertrauen aufzubauen.«

Was tun bei manipulativem Gegenüber?

Die Verhandlungsexpertin empfiehlt ein wenig Smalltalk zum Aufwärmen, einen grundsätzlich freundlichen Gesichtsausdruck und – besonders wichtig – möglichst häufigen Blickkontakt. Bei einem manipulativen Gegenüber, das auch auf seine körperliche Präsenz und Insignien der Macht wie etwa ein großes Büro oder einen teuren Füllfederhalter setzt, könne es sogar vorteilhaft sein, via Bildschirm zu diskutieren, sagt Braun: »Menschen, die in Verhandlungen eher kooperativ und kompromissbereit agieren, vertreten ihren Standpunkt grundsätzlich besser, wenn der Gesprächspartner weit weg ist. Insbesondere Frauen fällt es bei virtuellen Verhandlungen häufig leichter, hart zu bleiben.«

Wirkung der eigenen Person und Präsentation

Die Expertin rät, sich vorher mit der Technik, aber auch mit der eigenen Wirkung via Bildschirm vertraut zu machen (mehr Tipps als IHK-Service unten). »Auch eine in Präsenzterminen erprobte Präsentation kann auf einem geteilten Bildschirm längst nicht die gewohnte Wirkung entfalten«, warnt sie.

Bei komplexen und vielschichtigen Verhandlungsgegenständen sei es sinnvoll, dem Gesprächspartner vorab per E-Mail Unterlagen mit den relevanten Informationen zu übermitteln – und diese Dokumente so exakt zu bezeichnen, dass man sich auch während des Videocalls gut zurechtfindet. Das Gesprochene anschließend schriftlich festzuhalten und dem Gesprächspartner zukommen zu lassen, ist laut Braun bei virtuellen Verhandlungen ebenfalls besonders wichtig.

Gefahr des schnellen Aus

Ein großer Unterschied zu Präsenzverhandlungen besteht darin, dass die virtuelle Variante mit ein, zwei Mausklicks abgebrochen werden kann. »Grundsätzlich fällt der Aufbau von Vertrauen und Verbindlichkeit beim Onlineverhandeln schwerer«, betont Alexander Hoeppel (36), Gründer und Geschäftsführer der nachnordosten GmbH. Das Münchner Unternehmen hat sich auf Training und Coaching rund ums Verhandeln, Kommunizieren und Verkaufen spezialisiert, die auf Erkenntnissen der Verhandlungslehre (Behavioral Economics), der Psychologie und der Spieltheorie basieren. »Man sollte bereits bei der Vorbereitung der Verhandlung darüber nachdenken, welche Forderungen zu einem Abbruch führen könnten«, sagt Hoeppel.

Er empfiehlt zudem, zu Beginn des Videocalls anzusprechen, dass bei virtuellen Verhandlungen leichter Missverständnisse entstehen können und jeder Gesprächspartner etwaige Unstimmigkeiten sofort thematisiert: »Dieses Framing macht es leichter, Unmut direkt zu äußern.« Bemerkt man während des Videocalls dennoch, dass der Verhandlungspartner kurz davorsteht, sich auszuklinken, sollte man die Aufmerksamkeit auf eine Information in den Unterlagen oder auf dem geteilten Bildschirm lenken. »Dadurch kann es gelingen, von der emotionalen wieder auf die sachliche Ebene zu gelangen«, erklärt Hoeppel.

»Verhandlungsprofis reden wenig«

Weiterer Tipp: Viele Fragen stellen und gut zuhören, um die Perspektive des Gesprächspartners besser zu erfassen. »Verhandlungsprofis reden ohnehin möglichst wenig«, so Hoeppel. Bei Videocalls gelte es zudem, nicht allein die Inhalte, sondern auch die Technik vorzubereiten. Investitionen in gutes Equipment dürften sich lohnen: »Auch nach Corona wird künftig wohl viel mehr per Video verhandelt werden«, prognostiziert Hoeppel. »Schließlich spart das Zeit und Reisekosten – und auch der Umgang mit den dafür erforderlichen Tools ist mittlerweile fast schon selbstverständlich geworden.«

IHK-Service I: Technik-Tipps für Verhandlungen

Fünf Tipps des Verhandlungsexperten Alexander Hoeppel, welche technischen Hilfsmittel bei virtuellen Verhandlungen sinnvoll sind:

  1. Wer eine möglichst kleine USB-Kamera auf dem Bildschirm befestigt, kann mit dem Gesprächspartner wie gewohnt Blickkontakt halten. An die Kamera auf dem Bildschirm gewöhnt man sich schneller als daran, am Kopf des Gesprächspartners vorbei in die Kamera am Monitor zu starren.
  2. Vermeiden Sie es, bei einem Videocall einen künstlichen Hintergrund einzustellen. Ein Blick auf Ihren realen – und professionell gestalteten – Arbeitsplatz unterstützt den Aufbau von Vertrauen.
  3. Stellen Sie Ihre Kamera so ein, dass Sie leicht von unten gefilmt werden. Damit wirken Sie größer. Studien haben gezeigt, dass die Kooperationsbereitschaft sinkt, wenn das Gegenüber kleiner ist.
  4. Benutzen Sie ein kabelloses Headset mit aktiver Geräuschunterdrückung. Damit kommt Ihre Stimme am besten rüber, Störgeräusche werden eliminiert und auch der Gesprächspartner klingt realer. So kann man sich in der Regel besser auf die Verhandlung konzentrieren.
  5. Falls Sie während des Videocalls viele Bilder, Grafiken oder Berechnungen zeigen möchten, ist es sinnvoll, einen zweiten Monitor plus externer Kamera zu nutzen. Richten Sie die externe Kamera so aus, dass Ihr Verhandlungspartner es sieht, wenn Sie auf den zweiten Bildschirm schauen. So entsteht nicht der Eindruck, Sie seien mit etwas anderem befasst.

     

IHK-Service II: Tipps zu Ihrer Selbstpräsentation vor der Kamera

Vieles, was bei realen Meetings üblich ist, irritiert bei Videocalls. Michaela Braun, Rechtsanwältin, Business Coach und Wirtschaftsmediatorin, nennt acht kleine, aber wichtige Unterschiede:

  1. Bewegen Sie sich vor dem Bildschirm nicht zu viel: Große Gesten und ständiges Hin- und Herrücken wirken konfus und können zu Störungen bei der Übertragung führen.
  2. Legen Sie sich alle Informationen für die Verhandlung vorher ausgedruckt zurecht. Dadurch vermeiden Sie, dass Sie sich vor der Kamera ungünstig verbiegen müssen, um etwas aus einer Ablage oder Tasche zu holen.
  3. Während einer virtuellen Verhandlung sollten Sie sich keinen Kaffee einschenken und auch keine Kekse essen.
  4. Halten Sie den Teilnehmerkreis möglichst klein. Mit mehr als sieben Personen kompetent via Bildschirm zu verhandeln, ist nahezu unmöglich.
  5. Lassen Sie Ihr virtuelles Gegenüber ausreden. Überlappende Gesprächsbeiträge, die zeitversetzt ankommen, stören Verhandlungs- und Gedankenfluss.
  6. Vergewissern Sie sich immer wieder, dass alle Teilnehmer sich inhaltlich richtig verstehen: Fragen Sie nach und fassen Sie die wichtigsten Punkte Ihres Gesprächspartners in eigenen Worten zusammen.
  7. Sollte es notwendig sein, bei einer Verhandlung viele Notizen zu machen, übernimmt dies besser eine weitere Person. Dadurch vermeiden Sie, allzu häufig den Blick von Ihrem Gesprächspartner abzuwenden. Auch wenn dieser Mitarbeiter nicht im Bild ist, sollten Sie ihn Ihrem Gesprächspartner anfangs kurz vorstellen.
  8. Wer eine Brille trägt, muss auf eine Beleuchtung achten, die verhindert, dass die Gläser spiegeln und die Augen nicht erkennbar sind.

Weitere Informationen auf der IHK-Webseite zu Marketing und Vertrieb.

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