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Via Bildschirm in die Klasse

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Auf Augenhöhe – junge Berufstätige wissen, was Schüler über die Ausbildung erfahren wollen

Trotz Coronapandemie machen die IHK AusbildungsScouts weiter. Derzeit besuchen sie die Schüler der Abgangsklassen virtuell und informieren über die berufliche Ausbildung. Auch im neuen Format profitieren Azubis und Unternehmen.

Sabine Hölper, Ausgabe 03/21

Manuel Renner macht seit 2019 bei der KRAIBURG TPE GmbH & Co. KG eine Ausbildung zum Verfahrensmechaniker für Kunststoff-und Kautschuktechnik. Seit dem letzten Jahr fungiert er außerdem als IHK AusbildungsScout. Normalerweise bedeutet das: abschlussnahe Klassen besuchen und den Schülern die Ausbildung und den eigenen Beruf näherbringen.

Doch wegen Corona läuft das jetzt anders ab. Die AusbildungsScouts halten ihre Vorträge seit Monaten fast ausschließlich virtuell. Auch Renners erster Einsatz überhaupt fand deshalb in einem Besprechungszimmer seines Arbeitgebers statt. Von dort aus war er online mit einer Schulklasse verbunden. »Mangels Vergleich zur Präsenzveranstaltung kann ich zwar nicht beurteilen, ob die virtuelle Stunde anders verlief als sonst«, sagt der 16-Jährige. »Ich kann nur sagen: Ich fand es gut, die Schüler waren sehr aktiv, sie haben viele Fragen gestellt.«

Ansprache durch die Peergroup

2015 hat der Bayerische Industrie- und Handelskammertag (BIHK) das Projekt AusbildungsScouts zur besseren Berufsorientierung und -vorbereitung ins Leben gerufen. Die IHK für München und Oberbayern war vom ersten Tag an mit dabei. Ziel der Initiative ist es, jungen Leuten die Vorteile einer Ausbildung aufzuzeigen. Das gelingt über die Auszubildenden besonders gut. Denn sie sind nur wenig älter als die Schüler, zu denen sie sprechen. Sie begegnen ihnen auf Augenhöhe und können glaubwürdig von ihren eigenen Erfahrungen berichten. Außerdem trauen sich die Schüler bei den Azubis eher, Fragen zu stellen.

»Ein super Recruiting-Instrument«

Dass das Projekt immer mehr Schulen, Firmen und Azubis erreicht, liegt aber ebenso daran, dass wirklich alle Beteiligten profitieren – insbesondere die Unternehmen, die ihre Azubis entsenden: Die AusbildungsScouts lernen nicht nur zu präsentieren und gewinnen an Selbstvertrauen. Die Firmen können außerdem ihren Betrieb bekannt machen und dadurch potenzielle Azubis gewinnen. »Es ist ein super Recruiting-Instrument«, sagt Robert Gabriel, Ausbilder für Verfahrensmechaniker Kunststoff- und Kautschuktechnik bei KRAIBURG TPE in Waldkraiburg. In drei Jahren hat er bereits sieben Azubis zu IHK AusbildungsScouts ausbilden lassen.

»Virtuelle Variante ist weitaus besser, als nichts zu tun«

Gabriel motiviert seine Azubis, auch in Coronazeiten mitzumachen. »Natürlich ist die persönliche Präsenz in den Schulen noch effektiver«, sagt er. »Doch die virtuelle Variante ist weitaus besser, als nichts zu tun.« Zumal die Ausbildungsmessen coronabedingt gestrichen und damit weitere vielversprechende Recruiting-Möglichkeiten weggefallen sind.

Auch darin sind sich alle einig: Ein gut laufendes Projekt mit vielen Vorteilen stampft man nicht ein, nur weil die Umstände schwieriger geworden sind. Die IHK für München und Oberbayern organisiert daher seit Beginn der Pandemie virtuelle Einsätze mit den AusbildungsScouts. »Bereits beim ersten Lockdown im vergangenen Frühjahr haben wir uns Gedanken gemacht, wie wir das Projekt weiterführen können«, sagt IHK-Bildungsmanagerin Mareike Ziegler.

In enger Zusammenarbeit mit den Koordinatoren in den Landkreisen und den AusbildungsScouts habe man an einer virtuellen Lösung gefeilt. Seit dem zweiten Lockdown im November wird fast nur noch diese umgesetzt. Laut Ziegler ist das zwar technisch anspruchsvoll, aber machbar. Es ist, das zeigen die Rückmeldungen, weit mehr als ein Behelf, sondern eine gute Alternative: »Das Angebot wird dankend angenommen«, sagt Ziegler.

400 Firmen aus Oberbayern sind aktiv

Und nicht nur das: Es wächst sogar, trotz der Einschrän kungen. Mittlerweile beteiligen sich fast 400 Firmen im IHK-Bezirk an dem Programm. Seit der Einführung vor fast sechs Jahren informierten die AusbildungsScouts knapp 32.000 Schüler in gut 200 Schulen in Oberbayern. Rund 100 Ausbildungsberufe präsentierten sie den Schülern, darunter sind laut Ziegler auch eher außergewöhnliche wie Brauer und Mälzer.

Dass gerade solche Berufe in den Klassen vorgestellt werden, hilft den Schülern enorm bei der Berufswahl, findet Ingrid Grabichler, Personalverantwortliche bei der SALUS GmbH & Co. KG in Bruckmühl. Das Unternehmen bildet unter anderem Chemikanten und Pharmakanten aus. »Diese Berufe sind weniger bekannt«, sagt Grabichler. »Die AusbildungsScouts lenken das Interesse auf diese Berufe und gleichzeitig auf unsere Firma.«

Digitales Format sogar mit Vorteilen

Der Erfolg ist sichtbar: In Vorstellungsgesprächen würden etliche Schüler angeben, dass sie durch die AusbildungsScouts auf Firma und Beruf aufmerksam geworden sind. »Das Format ist eine gute Sache«, resümiert Grabichler. Das gelte ebenso für die virtuelle Variante. Diese habe sogar einen entscheidenden Vorteil, ergänzt sie: »Die Azubis können sich das Digitale besser aneignen.« Sophia Tutschka, die bei SALUS kurz vor ihrem Abschluss zur Mediengestalterin Digital und Print steht, bestätigt diese Einschätzung.

Sie hat sowohl mehrere Präsenz- als auch virtuelle Veranstaltungen abgehalten. »Online war erstaunlicherweise sehr gut«, sagt sie. »Die Schüler haben aufmerksam zugehört.« Nur einen Verbesserungswunsch hat die 23-Jährige: Während ihres Einsatzes sah sie am eigenen Bildschirm nur sich selbst und ihre Präsentation, nicht aber die Klasse. Sie fände es besser, wenn die Kamera in Richtung der Klasse zeigen würde. Tutschka: »Dann könnte ich das Interesse der Schüler noch klarer abschätzen.«

Stichwort: IHK-AusbildungsScouts in Zahlen:

Teilnehmende Unternehmen: 398

Aktive Ausbildungsscouts: 352

Geschulte Scouts: 1.004

Durchgeführte Vorbereitungsseminare: 146

Klassenbesuche: 1.546

Erreichte Schüler:  31.906

Teilnehmende Schulen: 202

Zahl der vorgestellten Berufe: 96

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