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Was ist mein Gast (mir) wert?

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Wissen, was Kunden wünschen – CRM-Systeme helfen dabei

CRM-Systeme in der Hotellerie unterstützen Betriebe aller Art dabei, Zufallskunden in Stammgäste zu verwandeln. Für den Erfolg sind neben den Daten aber noch weitere Faktoren entscheidend.

Ulrich Pfaffenberger, Ausgabe 02/21

Zu Weihnachten liefen sie wieder im Fernsehen: Filme, vorwiegend in Schwarzweiß, in denen ein schier allwissender Portier seine Gäste an der Rezeption stilvoller Grandhotels begrüßte, der Maître ihnen im Restaurant den Lieblingstisch zuwies und selbst die Pagen über individuelle Vorlieben Bescheid wussten: »Blumen aufs Zimmer, Frau Generaldirektor?« Manchmal verriet der Regisseur auch das Geheimnis hinter solch intimem Wissen über die Kundschaft: handschriftlich geführte, immer wieder ergänzte Karteikarten, streng gehütete Kostbarkeiten der Kundenbeziehung.

Im 21. Jahrhundert besteht das Prinzip weiter, präsentiert sich aber digital: Das Customer Relationship Management (CRM) gehört in immer mehr Bereichen des Tourismus zu den Standards einer zeitgemäßen Betriebsführung. Allerdings, so zeigen diverse Auswertungen: Standard ist es noch lange nicht. Vor allem kleinere Firmen scheuen den Aufwand und argumentieren, derlei sei doch eher etwas für die »Großen« oder die Vielsternebetriebe, bei denen sich eine solche Servicequalität auch mit höheren Preisen und Erträgen bezahlt macht.

Auch für Zusatzleistungen

Ein Irrtum, wie Caroline Palazzolo, Director Business Development bei der Unternehmensberatung TREUGAST Solutions Group, überzeugt ist: »Ein CRM ist vielseitig einsetzbar. Es dient zum einen der Kommunikation mit dem Gast während der kompletten Guest Journey und bietet dabei die Möglichkeit eines auf den Gast oder eine Zielgruppe zugeschnittenen Abverkaufs von Zusatzleistungen.«

Zusätzlich sei es aber auch ein effektives Tool, um durch gezieltes, kunden- und zielgruppenorientiertes Marketing Neubuchungen zu generieren und Stammkunden zu gewinnen. Damit ließen sich Kunden, die über Internetportale ihren Aufenthalt buchen – im Fachjargon »OTA-Bucher« genannt, abgeleitet von Online Travel Agency –, zu Direktbuchern machen. Diese Umwandlung ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht für Betriebe aller Größen und Kategorien lohnend. Nicht nur, weil die Gebühren an die Vermittler entfallen, sondern weil sich die Loyalität von Direktbuchern auf einem weit höheren Niveau bewegt, als dies bei rein preisgetriebenen Onlinebuchern der Fall ist, wie verschiedenste Marktuntersuchungen zeigen.

Aussendungen mit nötiger persönlicher Note

»Eine Herausforderung ist jedoch der Aufbau einer verwertbaren E-Mail-Datenbank«, merkt TREUGAST-Fachfrau Palazzolo an. »Eine gute Datenbank ist die Voraussetzung, um ein CRM auch erfolgreich als Marketingtool nutzen zu können.« Erst dadurch bekommen Aussendungen die nötige persönliche Note. Weil sie zudem nicht mehr ins Blaue hinein erfolgen, sondern zielgerichtet ausgesuchte Adressaten ansprechen, wird messbar, welche Reaktionen durch welche Angebote ausgelöst werden.

Historische Karteikarten, mit digitalen Mitteln fortgesetzt

Fabien Grzimek, Geschäftsführer im Relais & Châteaux Gut Steinbach Hotel und Chalets in Reit im Winkl, bestätigt diese Erfahrungen und sieht darin in der Tat die Fortsetzung der historischen Karteikarten mit digitalen Mitteln. »Außenstehende mögen es oft nicht wahrhaben, aber die Hotellerie ist heute schon eine der digitalsten Branchen«, stellt er fest. »Wir erschließen uns mit dem technischen Fortschritt, warum ein Gast zu uns kommt, warum er gern bei uns bleibt und unter welchen Umständen er zu uns zurückkehren will.« Dies zu vernachlässigen, wäre fahrlässig, liefere es doch umfassend Anhaltspunkte für das Produkt und alle Prozesse im Hotel.

Viele kleine Segmente

Warum dies so wertvoll ist? Neben der großen Gruppe von Reisenden, die ausschließlich preissensibel buchen, haben sich viele kleine Segmente gebildet, die gezielt nach bestimmten Kriterien entscheiden: von übergeordneten Themen wie Sportmöglichkeiten, Nähe zu kulturellen Angeboten, kulinarischem Anspruch oder biologischer Bauweise bis zu sehr individuellen Angeboten wie Privatsauna in der Suite, E-Bikes zum Ausleihen oder veganer Speisekarte. In einem sehr wettbewerbsintensiven Markt, in dem man sich als Generalist kaum mehr von der Konkurrenz unterscheide, entstünden so die Fundamente, um sich bewusst und gezielt zu profilieren. »Schon aufgrund der Basisstatistiken kann man im eigenen Betrieb viel anpassen und damit im Lauf der Zeit genauer und persönlicher beim Adressieren der Gäste werden«, ist Grzimek überzeugt.

Schnittstellen-Problematik

Das Vorhandensein eines CRM allein reicht dafür allerdings nicht aus. Der in zahlreichen Systemen erfahrene Hotelmanager weist auf die nach wie vor vorhandene Schnittstellen-Problematik hin. Sie mache es mühsam, Daten sinnvoll miteinander zu verknüpfen, etwa das Kundenwissen mit der Warenwirtschaft und beides wiederum mit der Personalplanung.

So zeigte eine weltweite Untersuchung bei Hotelketten im Herbst 2019, dass selbst Einzelhäuser heute rund 15 Systeme betreiben, in denen relevante Gastdaten verarbeitet werden. »Allein diese Zahl macht deutlich, dass ein voll automatisiertes Datenmanagement notwendig ist. Dies auch vor dem Hintergrund der DSGVO. Ein rechtssicheres Datenmanagement kann nicht händisch erfolgen«, so die Analyse der Studie, an der unter anderen die Münchner Software-Schmiede dailypoint beteiligt war, nach eigenen Angaben deutscher Marktführer bei Hotel-CRM-Systemen.

»Kultur des Gastes findet offline statt«

Hotels hätten heute entlang der Customer Journey etwa 30 Profile für ein und denselben Gast. »Stückwerk, das eine intelligente Nutzung unmöglich macht und verhindert, dass die Hotellerie nachhaltig von der Digitalisierung und Big Data profitiert«, heißt es dazu im dailypoint-Blog.  Technische Auswege aus diesem Dilemma sind nach Erfahrung der Praktiker oft hochpreisig – und auch unter einem anderen Aspekt keine optimale Lösung der Aufgabe: »Man kann in Daten auch ertrinken«, warnt Grzimek und ermuntert andere Betriebsverantwortliche, zuerst einmal belastbares Basiswissen verfügbar zu machen, zu nutzen und dabei nicht die wertvollste Quelle zur Evaluierung zu vergessen: »Selbst wenn wir noch so viele Parameter digital abbilden können: Das Gespräch mit dem Kunden bringt in jedem Fall mehr.« Warum? »Vieles aus der Kultur des Gastes findet offline statt«, sagt Grzimek. »Aber genau dort liegen die Geheimnisse. Was wir online wissen, ist nur leichter fassbar.«

Tipp: Anfangs nicht zu komplexe Lösungen

Die Kunst eines guten CRM liege also beim Anwender, nicht in den Programmzeilen. Daher sei es für Betriebe, die ins CRM einsteigen, auch besser, sich für wenig komplexe Lösungen zu entscheiden und sich dann Schritt für Schritt weiterzuentwickeln. CRMs haben nichtsdestotrotz Vorteile für kleine Hotelgruppen oder Ketten, merkt TREUGAST-Expertin Palazzolo an. »Ein CRM bereinigt die Datensätze aus den Hotel-Property-ManagementSystemen und führt sie zusammen. Damit lässt sich der ›Wert‹ eines Gastes für das Unternehmen besser bestimmen.«

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