Freier Handel | Digitalisierung | Betrieb + Praxis
Nur vorbereitet loslegen
Mobiles Arbeiten bringt Punkte beim Werben um Fachkräfte. Bei der Umsetzung gilt es, vor allem auch die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Folgen im Blick zu behalten.
Von Melanie Rübartsch, IHK-Magazin 01-02/2025
Flexibles Arbeiten steht hoch im Kurs bei Arbeitnehmern. Nicht nur, dass jeder Zweite inzwischen kündigen würde, wenn der Arbeitgeber das Homeoffice abschaffen würde, wie eine Umfrage des Instituts Yougov im Auftrag des Automobilzulieferers Continental kürzlich ergab. Immer beliebter ist es darüber hinaus, das Homeoffice für eine Zeit ins Ausland zu verlegen.
Eine Studie des Beratungsunternehmens KPMG zeigte im vergangenen Jahr, dass bereits über 50 Prozent der befragten Unternehmen standortunabhängiges Arbeiten (Remote Work) aus dem Ausland ermöglichen. Häufig in Form einer sogenannten Workation, bei der Mitarbeitende kurzzeitig aus dem Ausland arbeiten, oft kombiniert mit dem Jahresurlaub.
Zur „Workation“ ins Ausland
Eines dieser Unternehmen ist die Munich Re. „Wir haben Workations im Zuge der Coronakrise ständig weiter etabliert“, sagt Holger Engelke, Leiter der Steuerabteilung der Munich Re und Vorsitzender des Ausschusses Finanz- und Steuerpolitik der IHK für München und Oberbayern. Statistisch gesehen, habe inzwischen jeder Mitarbeitende mindestens einmal Workation beantragt.
Vom Heimatland aus remote arbeiten
„Für Unternehmen sind solche Modelle ein wichtiges Mittel, um Punkte bei der Fachkräftesuche zu sammeln“, sagt Martin Clemens, Leiter des IHK-Referats für Finanzen und Steuern. Im Zuge des Fachkräftemangels steige nach seiner Beobachtung auch das Interesse, Mitarbeitende direkt im Ausland zu rekrutieren und ihnen die Chance zu geben, dort wohnen zu bleiben.
Bei jeder Form grenzüberschreitenden Arbeitens ist es allerdings wichtig, die steuer-, arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Folgen im Blick zu behalten. Unternehmen laufen sonst beispielsweise Gefahr, aufgrund von Remote Work im Ausland steuerpflichtig zu werden.
IHK-Info: Grenzüberschreitendes Arbeiten
Die IHK hat online die wichtigsten Informationen in einem IHK-Ratgeber zum grenzüberschreitenden Arbeiten zusammengestellt.
Bilaterale Abkommen beachten
Steuer- und Personalabteilungen stehen in solchen Fällen vor keiner ganz einfachen Aufgabe – zumal es ganz unterschiedliche Regelungen und bilaterale Abkommen gibt. Ohne genaue Vorplanung könnte aufgrund des Auslandseinsatzes eines Mitarbeiters dort zum Beispiel eine sogenannte ertragsteuerliche Betriebsstätte des Unternehmens entstehen.
Mögliche Folgen sind unter anderem steuerliche Registrierungs- und Abwicklungspflichten im Ausland, aufwendigere Steuererklärungen mit komplexen Gewinnaufteilungen oder der Ermittlung von Verrechnungspreisen. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass die Regelungen zur Begründung einer Betriebsstätte in den verschiedenen Ländern nicht einheitlich definiert sind.
Dauer möglichst begrenzen
Im Kern geht es um die Frage, ob ein Mitarbeiter für eine gewisse Dauer in einer festen Geschäftseinrichtung des Unternehmens tätig wird, über die der Arbeitgeber auch Verfügungsmacht hat. „Das wird im privaten Homeoffice oder in einem Ferienhaus seltener der Fall sein, als wenn das Unternehmen für Workations eigene Büros anmietet“, erklärt Steuerfachmann Engelke.
Vermieden werden sollte zudem, dass Arbeitnehmer im Ausland eine solche Entscheidungsbefugnis haben, dass ein Ort der Geschäftsleitung angenommen werden kann. Viele Unternehmen sind mit Blick auf das Betriebsstättenrisiko dazu übergegangen, die Dauer von Workations von vornherein auf 30 bis 40 Arbeitstage im Jahr zu beschränken.
Prüfen, wo Lohnsteuer anfällt
Bei der Einordnung spielt die Dauer von Auslandseinsätzen eine wichtige Rolle: Arbeitnehmer, die länger als 183 Tage pro Jahr für ihren deutschen Arbeitgeber im Ausland verbringen, werden in der Regel im Ausland auch steuerpflichtig. Der Arbeitgeber muss sich dann zwangsläufig mit der Frage auseinandersetzen, wo Lohnsteuer anfällt, wie diese abzuführen ist und welche Meldepflichten er gegebenenfalls hat.
Wichtig: Je nach Abkommen werden bei den 183 Tagen auch Wochenenden, Feiertage sowie der Urlaub mitgerechnet.
Sozialversicherung nachweisen
Schließlich ist die Sozialversicherung zu berücksichtigen: Grundsätzlich werden Mitarbeitende in dem Land sozialversicherungspflichtig, in dem sie arbeiten. „Bei Entsendungen innerhalb der EU, in die Schweiz oder den europäischen Wirtschaftsraum bleiben Mitarbeiter aber in der Regel über das Heimatland sozialversichert“, sagt Frauke Kamp, IHK-Referentin für Arbeits- und Sozialversicherungsrecht.
Mit der sogenannten A1-Bescheinigung, ausgestellt von den Krankenkassen oder bei privat Versicherten von der Deutschen Rentenversicherung, wird nachgewiesen, dass die Sozialversicherung in Deutschland fortbesteht.
Umsetzung in EU leichter
Um steuer- und sozialversicherungsrechtliche Risiken weitgehend auszuschließen, hat die Munich Re per Leitlinie klare Regeln für eine Workation aufgestellt und FAQ zum Thema im Intranet veröffentlicht. Wer Arbeitstage an seinen Urlaub im Ausland anhängen möchte, muss zuvor einen digitalen Antrag bei der Personalverwaltung stellen, die wiederum eine Entsendebescheinigung bei der jeweiligen Krankenkasse beantragt. Aufenthalte jenseits der EU sind von vornherein ausgeschlossen. „Alles andere würde für uns einen zu hohen administrativen Aufwand bedeuten“, begründet Munich-Re-Experte Engelke die Einschränkung.
… als für Drittstaaten
Wer seiner Belegschaft auch Destinationen außerhalb der EU bieten möchte, muss jeden Fall individuell prüfen. Gibt es Doppelbesteuerungs- oder Sozialversicherungsabkommen und wenn ja, was regeln diese? Wo werden ab wann Steuern fällig und wo sind die Mitarbeitenden versichert? Noch spezieller sind Fälle gelagert, in denen ein Unternehmen einen Arbeitnehmer direkt im Ausland rekrutiert und dieser dort im Homeoffice oder in einem angemieteten Büro arbeitet.
Sonderlösung für Grenzgänger
„Weil der Beschäftigte dann dauerhaft für den deutschen Arbeitgeber im Ausland tätig ist, besteht das Risiko, dass der Ort zur Betriebsstätte wird“, sagt IHK-Experte Clemens. Besonderheiten kann es dabei für sogenannte Grenzgänger geben. Hier hat der Gesetzgeber unter anderem für österreichische Mitarbeiter innerhalb der Grenzzone Anfang des Jahres für mehr Klarheit gesorgt (siehe Kasten unten).
Steuerberater und AHK einbinden
„Flexibles, grenzüberschreitendes Arbeiten ist für Arbeitnehmer und Arbeitgeber spannend – es muss nur gut vorbereitet sein“, fasst Clemens zusammen. Zu prüfen wären neben den steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Aspekten insbesondere auch das anzuwendende Arbeitsrecht, das Thema Arbeits-/Aufenthaltserlaubnisse und die Frage, ob es länderspezifische Meldepflichten gibt. Unternehmen sollten sich zunächst an ihren Steuerberater wenden. Daneben hilft die IHK, passende Ansprechpartner im Einzelfall zu finden. Sie kann immer auch Kontakt zu der jeweiligen Außenhandelskammer herstellen.
IHK-Info zum grenzüberschreitenden Arbeiten in Österreich
Viele oberbayerische Unternehmen nutzen die Nähe zu Österreich, um im Grenzgebiet Arbeitskräfte zu rekrutieren. Für den Fall, dass die österreichischen Kollegen innerhalb der Grenzzone arbeiten, egal ob im Homeoffice oder in einem Büro, gibt es spezielle abkommensrechtliche Regelungen zwischen beiden Ländern.
Grenzzone = 30 Kilometer Luftlinie
Hier wurden kürzlich einige Unsicherheiten beseitigt. Jetzt gilt: Sofern österreichische Mitarbeiter in der Nähe der Grenze wohnen und in der Grenzzone – 30 Kilometer Luftlinie von der Grenze entfernt – üblicherweise auch tätig werden, gelten sie als Grenzgänger. Es ist unerheblich, ob und wie oft sie dabei im Homeoffice arbeiten.
Lohnsteuer in Österreich
Die Folge: Grenzgänger müssen ihre Lohnsteuer in Österreich zahlen. In der Regel muss also der deutsche Arbeitgeber keine Lohnsteuer einbehalten. Voraussetzung ist, dass eine Freistellungsbescheinigung vorliegt. Der Arbeitnehmer kann hierzu beim Betriebsstättenfinanzamt einen „Antrag auf Erteilung einer Lohnsteuer-Freistellungsbescheinigung“ einreichen. Alternativ kann der Arbeitgeber den Antrag für seinen Mitarbeiter stellen.
IHK-Veranstaltungstipp: „Grenzüberschreitendes Arbeiten – Chancen nutzen, Risiken meistern“ am 25. Februar 2025
Die Steuer- und Sozialversicherungsaspekte beim Arbeiten über Grenzen hinweg stehen im Fokus der Veranstaltung „Grenzüberschreitendes Arbeiten“ am 25. Februar 2025 im IHK-Stammhaus und virtuell. Vertreter aus Wirtschaft, Finanzverwaltung und Sozialversicherung geben dabei interessante Einblicke aus erster Hand.