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Ärger über Billigpakete

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Preiswert unterwegs – Warenpäckchen aus China

Chinesische Onlinehändler können ihre Waren sehr viel günstiger versenden als deutsche Anbieter. Warum das so ist und wie sich das System dahinter ändern soll.

Melanie Rübartsch, Ausgabe 04/20

Das Kinderplanschbecken mit integrierter Rutsche war der absolute Renner im heißen Sommer 2018. Zwei Container davon hatte Thomas Riegelsberger für seinen Holz- und Gartenmarkt in Altmannstein bei einem Produzenten in China bestellt. Für rund 40 Euro konnten Riegelsbergers Kunden den Wasserspaß online ordern. Binnen vier Wochen war der Vorrat weg.
2019 wollte der Unternehmer den Absatzerfolg wiederholen, doch die rasante Nachfrage blieb diesmal aus. Eine Mitarbeiterin ging auf Spurensuche im Internet und fand dasselbe Produkt von verschiedenen Anbietern auf der US-E-Commerce-Plattform wish.com – allerdings über 30 Prozent günstiger. Dass diese Offerten fast ausschließlich direkt aus China verschickt wurden, wunderte Riegelsberger nicht: »Diese Preisunterschiede sind mir auch schon auf anderen Onlineplattformen aufgefallen. «
Der 48-Jährige ist nicht der Einzige, dem dieses Phänomen sauer aufstößt. Auch der oberbayerische Spielwarenhändler Christian Krömer (37) ärgert sich: »Einerseits wird uns empfohlen, in den Onlinehandel einzusteigen, damit wir zukunftsfähig bleiben. Aber genau in dem Segment geht fast alles über den Preis – und da können deutsche Mittelständler gegen die chinesischen Konkurrenten nicht bestehen. «
Bei der Frage, warum die asiatischen Händler ihrer deutschen Kundschaft so viel günstigere Preise anbieten können, spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. So müssen Kunden für außereuropäische Waren aktuell bei Produkten bis zu einem Gesamtwert von 22 Euro keine Einfuhrumsatzsteuer zahlen. Diese Freigrenze wird erst 2021 wegfallen. Auch mehren sich Beobachtungen, dass sich die ausländischen Versender nicht immer an die hiesigen strengen Verbraucherschutz- und Qualitätsauflagen halten – die Kosten für Kontrollen, denen sich deutsche Händler regelmäßig unterziehen müssen, haben sie nicht. Es gibt aber noch einen weiteren Punkt, der in der öffentlichen Wahrnehmung kaum bekannt ist: das Porto.
Kurioserweise kann es billiger sein, eine Ware von China aus nach Deutschland zu versenden, als sie innerhalb der Bundesrepublik zu verschicken. »Die Ursache dafür liegt im Weltpostabkommen«, erklärt Ulrike Regele, Referatsleiterin beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag in Berlin. Der Vertrag regelt den globalen Verkehr von Briefen und kleinen Päckchen bis zu zwei Kilogramm (siehe »Das Stichwort«). Die 192 Länder, die ihn unterzeichnet haben, zahlen sich gegenseitig sogenannte Endvergütungen dafür, dass die Postunternehmen des jeweils anderen Staates die eigenen Pakete dort transportieren. »Diese Raten hängen von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Versandlandes ab«, so Regele.
Dabei gilt: Entwicklungsschwächere Länder zahlen weniger als Industrieländer – und China gehört nach den Regeln des Weltpostvereins bislang zu den schwächeren Schwellenländern. »Mittelbar hat das auch Einfluss auf das konkrete Porto für ein Päckchen, da die China Post eine entsprechend niedrige Endvergütung an die chinesischen Händler weitergeben kann«, sagt Regele. Wie sich das auswirkt, lässt sich nicht genau beziffern – ein seriöser Vergleich ist nach Aussagen der Deutschen Post nicht möglich. Ihr seien einerseits die Marktpreise nicht bekannt, die China Post dortigen Händlern in Rechnung stellt. Andererseits gelten für deutsche Versandhändler oft Geschäftskundentarife, die von den Standard-Einzeltarifen abweichen.
Dass die Regeln für die Endvergütungen nicht mehr ganz zeitgemäß sind, hat auch der Weltpostverein gemerkt. Schon auf seinem Kongress 2016 hatten die Mitglieder daher beschlossen, die Höhe der Raten für kleine kommerzielle Päckchen in Schwellenländern Schritt für Schritt an die Höhe der Abgaben für Industrieländer anzugleichen. Das sollte zwischen 2018 und 2021 geschehen. Auf einem außerordentlich einberufenen Kongress im Herbst vergangenen Jahres verständigte sich der Verein nun zudem darauf, die Harmonisierung auf 2020 vorzuziehen. US-Präsident Donald Trump hatte im Vorfeld gedroht, das Abkommen sonst aufzukündigen

Begrenzte Erhöhungen

Für China bedeuten die Beschlüsse, dass die Endvergütungen an die anderen Länder von 2019 auf 2020 um 27 Prozent gestiegen sind, so ein Sprecher der Deutschen Post. Weiter wurde auf dem Genfer Kongress festgelegt, dass die Länder die Endvergütungen für »Briefsendungen mit Wareninhalt« ab 2021 – im Rahmen bestimmter Obergrenzen – selbst frei bestimmen dürfen (»Self-declared rates«). Hierbei sind die maximalen Erhöhungen in 2021 und 2022 auf jeweils 15 Prozent pro Jahr begrenzt, in 2023 und 2024 auf jeweils 16 Prozent und in 2025 auf 17 Prozent. Eine Ausnahme gilt für die USA, die bereits ab Juli 2020 Self-declared rates festlegen dürfen und dabei auch keine Obergrenze beachten müssen.
Inwieweit die Deutsche Post davon Gebrauch machen möchte, ist nach Aussagen des Unternehmens noch nicht beschlossen. Ebenfalls lässt sich nicht absehen, wie sich diese Regelungen auf das konkrete Porto der chinesischen Händler auswirken – ob und wie diese höheren Raten also an den Handel weitergegeben werden.
Sehr optimistisch sind die deutschen Händler allerdings nicht. »Dass etwas passiert, ist ja schön – aber es passiert viel zu spät und zu langsam und derweil müssen wir mit den Wettbewerbsverzerrungen leben«, sagt Unternehmer Riegelsberger. Er hat sich inzwischen eine andere Lösung einfallen lassen. »Zum Beispiel möchte ich Terrassenzubehör oder Holzaufhängungen, die ich aus China beziehe, nur noch unter einer Eigenmarke in den Markt bringen – mit eigenem Label, eigenem Logo, unkopierbar. « Dem Vergleich mit anderen Angeboten will er sich damit komplett entziehen.

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