Ein gutes Vorbild

Schwedens Verwaltung ist hocheffizient. Wie das in der Praxis funktioniert, hat sich eine IHK-Delegation angesehen. Sie kommt mit vielen Impulsen für Bürokratieabbau zurück.
Von Margrit Amelunxen, IHK-Magazin 05-06/2025
Spricht man Reinhard Scheuermann darauf an, was ihn an Schweden besonders beeindruckt hat, gerät der 61-jährige Geschäftsführer und Inhaber der Landsberger KEMAPACK GmbH geradezu ins Schwärmen: das Mindset, die Effizienz durch Digitalisierung, der pragmatische Umgang mit Regulationen. Dazu eine Verwaltung, die sich als Dienstleister und Unterstützer versteht: „Bei uns hat der Einzelne den Behörden gegenüber häufig ein Gegeneinander-Gefühl. In Schweden sehen wir ein Miteinander, das ich mir für Deutschland wünschen würde.“
Schweden ist ein Land mit besonders niedrigem Bürokratieniveau, wie die Daten des „Doing Business“-Index der Weltbank zeigen. Die von der IHK für München und Oberbayern beauftragte ifo-Studie nimmt Schweden daher als Vergleichsmaßstab.
Für die IHK war die Studie der Anlass, zusammen mit der AHK Schweden eine Delegationsreise in das skandinavische Land zu organisieren. Dabei konnten sich die deutschen Teilnehmer aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft nicht nur über Effizienz in der Verwaltung und den Bürokratieabbau informieren, sondern erhielten auch jede Menge Best-Practice-Beispiele und Inspirationen.
Vertrauenskultur statt Kontrolle
Der Beauftragte für Bürokratieabbau der Bayerischen Staatsregierung, Walter Nussel (59), gehörte ebenfalls zur Delegation. Er sieht als Basis des schwedischen Erfolgsmodells „eine ganz andere Vertrauenskultur zwischen Verwaltung, Bürgern und Unternehmen. Ein solches gegenseitiges Grundvertrauen müssen wir auch bei uns schaffen.“
Ein Prozess, der auch in Schweden seine Zeit brauchte. Dort setzt der Staat voraus, dass sich Unternehmen und Einzelpersonen im Normalfall an die geltenden Regeln halten. Kontrollen sind nur in Ausnahmefällen nötig und es wird nicht „alles bis zum Exzess geprüft“, wie Nussel es zugespitzt formuliert.
Verwaltungsvorgänge sind zudem einfach verständlich und unabhängig von Ort und Zeit. Jeder hat Anspruch auf Hilfe durch die Behörden, die als kompetente und unternehmerisch denkende Dienstleister agieren.
ID und Handy für digitalen Behördensprint
Entscheidend für die Effizienz der schwedischen Verwaltung ist ihre Organisation und Ausstattung. Ob bei Vereinfachung, Digitalisierung, Vernetzung oder Transparenz – überall lässt sich vom Beispiel Schweden lernen. So haben etwa natürliche und juristische Personen dort eine lebenslang gültige Personen- beziehungsweise Organisationsnummer. Mit dieser und einer zentralen Bank-ID zur Legitimation können Behördengänge schnell und digital am Handy erledigt werden.
Selbst für die Steuererklärung gibt es eine schlanke Lösung: Sie kommt vorausgefüllt auf das Smartphone und ist weitestgehend bereits korrekt und vollständig. Dies allein sorgt laut ifo-Studie schon für eine Zeitersparnis von knapp 50 Prozent im Vergleich zu Deutschland. Ebenfalls digital, unkompliziert und ohne Notar lassen sich Immobiliengeschäfte oder eine Unternehmensgründung in einem Bruchteil der hierzulande benötigten Zeit abwickeln.
Datenspeicherung nach Once-Only-Prinzip
Wichtig für diese Effizienz durch Digitalisierung ist die Vernetzung über zahlreiche Schnittstellen. Nach dem Once-Only-Prinzip werden einmal eingereichte Daten zentral gespeichert und von schwedischen Behörden beziehungsweise Dienstleistern gemeinsam genutzt.
Mit der seit November 2024 für Unternehmen eingeführten Wirtschafts-ID gibt es bei uns bereits erste Ansätze dazu. Langfristig soll die Wirtschafts-ID die Basis für eine bundesweite, behördenübergreifende Kommunikation bilden, betont Nussel.
Bürokratie frisst jährlich 146 Milliarden Euro
Eine effiziente Verwaltung reduziert Frust und Fehlerquellen, sorgt für reibungslose Abläufe, spart Bürgern und Unternehmen nicht nur Zeit und Nerven, sondern auch bares Geld. Die Bürokratiekosten in Form von entgangener Wirtschaftsleistung belaufen sich laut der ifo-Studie für Deutschland im Zeitraum von 2015 bis 2022 auf rund 146 Milliarden Euro pro Jahr.
Da Gesetze für schwedische Bürger einfach zu verstehen sein sollen, konzentriert sich die Gesetzgebung dabei auf das Wesentliche, verzichtet auf unnötige Details und regelt nicht jeden möglichen Einzelfall. Einfache Regeln sollen eine leichte Umsetzbarkeit sicherstellen.
Trial and Error und nachjustieren
Pragmatismus, Lösungsorientierung und Experimentierfreude kennzeichnen das schwedische Vorgehen, berichtet Kathrin Werner, Referentin Wirtschaftspolitik bei der IHK. „Man versucht, gemeinsam einen Konsens zu finden, probiert etwas aus und beobachtet, wie es funktioniert. Wenn Fehler passieren, justiert man nach. Das ist eine ganz andere Herangehensweise und Fehlerkultur als bei uns.“
Ein Bild, das alle Teilnehmer aus Schweden mitgenommen haben, stammt von einem Gesprächspartner aus der Kommune Nacka: Man müsse sich vorstellen, der Rechtsrahmen sei ein Teppich. Man müsse darauf nicht immer zwingend in der Mitte stehen, sondern könne sich auch weiter außen oder in Ausnahmefällen auch auf den Fransen aufhalten.
„samverkan“, sogar bei Gesetzgebung
„Außerdem kommen Gesetze nicht von oben herab wie bei uns, sondern werden transparent gemeinsam mit allen Stakeholdern erarbeitet“, ergänzt IHK-Bereichsleiterin Elke Christian. Hier zeige sich der Gedanke des „samverkan“. Das bedeutet so viel wie „Zusammen- und Mitwirken aller Beteiligten“ und zieht sich wie ein roter Faden durch alle Bereiche der schwedischen Gesellschaft.
Die Schwedenreise habe viel bei den Teilnehmenden angestoßen, sagt der KEMAPACK-Geschäftsführer Scheuermann. In jeder freien Minute sei diskutiert und nach praktischen Umsetzungen gesucht worden.
Modellregionen in Planung
Der bayerische Bürokratieabbau-Beauftragte Nussel befürwortet, Erkenntnisse zu Digitalisierung und Effizienz bald in eigenen Modellregionen umzusetzen: „Ich halte das für sinnvoll, aber ein bisschen Vorbereitung brauchen wir noch dafür.“
Einige Reiseteilnehmer hätten sich dafür direkt angeboten, so Nussel, etwa der Vertreter des Landkreises München sowie Markus Pannermayr, Oberbürgermeister von Straubing und Vorsitzender des Bayerischen Städtetags. Von der IHK werde ein solches Vorgehen ebenfalls begrüßt und etwa mit Einbringung der Perspektive der Wirtschaft unterstützt.
Bürokratische Hürden EU-weit abbauen
Am Bürokratieabbau kann jeder auf seine Weise mitwirken – das sei die Kernbotschaft, die er von der Reise mitnehme, sagt Unternehmer Scheuermann. Die Zusage von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu Beginn ihrer neuen Amtszeit, ein Viertel der bürokratischen Hürden für große Unternehmen und mehr als ein Drittel für KMUs abzubauen, sieht er als Schritt in die richtige Richtung: „Als Unternehmer sollten wir jetzt alle Abgeordneten für den Bürokratieabbau in die Pflicht nehmen, die sich in Landtag, Bundestag oder EU-Parlament mit Europa befassen.“
Mit entsprechenden Themen könne man sich auch direkt an die IHK und den bayerischen Bürokratiebeauftragten wenden. Vielleicht am besten unter dem schwedischen Motto „samverkan“.