Freier Handel | Standortpolitik
Attraktive Perspektiven

Rumänien und Bulgarien sind für bayerische Firmen zunehmend interessant. Dominik Vorhölter von Germany Trade & Invest erläutert, wo die Chancen liegen.
Von Daniel Boss, IHK-Magazin 09/2025
Herr Vorhölter, Bulgarien und Rumänien sind seit Anfang 2025 vollwertige Mitglieder des Schengen-Raums. Was bedeutet das konkret für bayerische Unternehmen?
Es profitieren unter anderem die Logistikbranche und Unternehmen, die aus Rumänien und Bulgarien Waren beziehen. Denn beide Produktionsstandorte rücken im übertragenen Sinne näher an Deutschland heran, was mehr Planungssicherheit in der Lieferkette bedeutet. Die Fahrtzeit von Lkws Richtung Bayern hat sich erheblich verkürzt, weil die Binnengrenzkontrollen wegfallen. Allein die rumänische Transportbranche rechnet für dieses Jahr mit Kosteneinsparungen in Höhe von 2 Milliarden Euro.
Rumänien und Bulgarien werden im wirtschaftlichen Kontext oft zusammen genannt. Woher kommt das?
Rumänien und Bulgarien sind 2007 gemeinsam der EU beigetreten. Und Unternehmen – etwa aus Bayern – schätzen die Rahmenbedingungen, die eine EU-Mitgliedschaft bietet, darunter der freie Waren,- Dienstleistungs-, Kapital- und Personenverkehr. Zudem sind die Standortkosten vergleichsweise günstig, etwa weil Arbeits- und Energiekosten niedriger sind als in Deutschland.
Deutsche Investoren schon vor Ort
Deutlich unter dem deutschen Niveau von 15,8 Prozent liegt mit 10 Prozent die Einkommensteuer in beiden Ländern. Dies alles macht die Länder zu interessanten Standorten für Nearshoring-Vorhaben. In beiden Ländern sind deutsche Unternehmer die größten ausländischen Investoren. Dazu zählen bayerische Unternehmen wie BSH Hausgeräte, Knauf oder Meggle.
Welche Rolle spielt die geostrategische Lage?
Auch sie ist ein Grund, warum Rumänien und Bulgarien immer zusammen genannt werden. Beide zählen zu den Transitländern für Warenlieferungen, die Speditionen über den sogenannten mittleren Transportkorridor Richtung Asien abwickeln. Dieser Korridor hat seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine eine neue, wichtigere Bedeutung erhalten.
2026: Bulgarien führt Euro ein
Beide Länder sind zudem zentrale Standorte für die künftige Energieversorgung Südosteuropas. Und das nicht nur, weil vor den Küsten Rumäniens und Bulgariens Erdgasfelder liegen, die in Zukunft ausgebeutet werden können, sondern auch in Bezug auf grüne Energie. Eine Weltbank-Studie rechnet mit einem Potenzial von bis zu 7 Gigawatt Offshore-Windenergie im Schwarzen Meer.
Wo liegen denn die größten Unterschiede zwischen den Nachbarn, vor allem aus Sicht von Unternehmen, die dort investieren oder ihre Produkte verkaufen möchten?
Zunächst gibt es strukturelle Unterschiede. Rumänien ist mit rund 19 Millionen Einwohnern der größte Markt in der gesamten Region Südosteuropa. Bulgarien zählt 6,8 Millionen Einwohner. Sicherlich der größte Unterschied aus Sicht der Unternehmen wird der Zahlungsverkehr werden. Denn Bulgarien darf ab dem 1. Januar 2026 den Euro einführen. Darüber werden sich die Unternehmen freuen, denn sie werden sich so Gebühren im Zahlungsverkehr innerhalb der Eurozone sparen. Zusätzlich wird der Euro den Zugang von Unternehmen zum internationalen Kapitalmarkt erleichtern.
Attraktive F&E-Standorte …
Oberbayern beheimatet viele IT- und Hightech-Firmen. Warum sind Bulgarien und Rumänien gerade für sie besonders interessant?
Beide Länder verfügen über einen großen Talentpool. Vor allem die rumänische Hauptstadt hat sich als internationaler Standort für Forschung und Entwicklung etabliert: Das europäische Zentrum für Cybersecurity befindet sich in Bukarest. Dort gibt es global agierende Unternehmen sowie Forschungseinrichtungen.
IHK-Info: „Rumänien und Bulgarien – Wachstum, Dynamik, Zukunft 2025“ am 8. Oktober 2025
- Die Veranstaltung „Rumänien & Bulgarien – Wachstum, Dynamik, Zukunft 2025“ am 8. Oktober 2025 beleuchtet die wirtschaftlichen Potenziale, technologischen Entwicklungen und Standortbedingungen. Außerdem vermittelt sie praxisnahe Impulse.
- Einen ersten Überblick über Standortbedingungen und Branchen gibt es auch von Germany Trade and Invest (GTAI) zu Bulgarien und zu Rumänien.
Der Technologiepark Bukarest etwa ist auf Nano- und Mikrotechnologie spezialisiert. In der Stadt kooperiert der deutsche Halbleiterhersteller Infineon mit der Polytechnischen Universität. Zuletzt eröffnete die BMW Group gemeinsam mit dem Unternehmen NTT Data einen IT-Hub in Cluj-Napoca, der zweitgrößten Stadt des Landes. Dort programmieren rund 120 IT-Experten die Fahrzeugsoftware von BMW und Mini.
… mit talentierten Fachkräften
Und auch für den bulgarischen IT-Sektor gilt, dass er dank seiner großen Zahl an hoch qualifizierten Arbeitskräften – insbesondere Entwickler und Ingenieure – attraktiv für Unternehmen ist, die kostengünstige Programmierer für die Software-Entwicklung suchen. Bulgariens IT-Industrie hat im regionalen Vergleich mit Rumänien, Moldau und Serbien den größten Anteil an der Wertschöpfung.
Einige „Einhörner“ im Portfolio
Wie ist es um die Start-up-Szene in den Ländern bestellt?
Start-ups in Südosteuropa sind besonders in den Bereichen Unternehmenssoftware, Fintech und Cybersecurity aktiv. Die bekanntesten Beispiele sind die rumänischen „Einhörner“ (Start-ups mit mehr als einer Milliarde Euro Bewertung, d. Red.) UIPath und Bitdefender oder das bulgarische „Einhorn“ Payhawk. Rumäniens und Bulgariens IT-Industrie profitiert so von der breiten Aufmerksamkeit internationaler Kapitalgeber.
Wirtschaft wächst um 3 bis 4 Prozent
Wo liegen die größten Chancen für ein Engagement in diesen Ländern? Und welche Hindernisse gibt es?
Ein Hindernis könnte die mangelnde Planbarkeit aufgrund von politischen Krisen sein. So wechselte zum Beispiel in Bulgarien innerhalb der vergangenen 4 Jahre 7-mal die Regierung. Beide Staaten stehen noch am Anfang ihrer Entwicklung zu technisch hoch entwickelten Industrieländern. Sie verzeichnen ein durchschnittliches Wachstum des Bruttoinlandsprodukts zwischen real 3 und 4 Prozent pro Jahr. Investments rentieren sich dort also.
Eigenes Bild machen
In Bulgarien ist es nicht erforderlich, bei einer Geschäftsgründung Mindestkapital nachzuweisen: Klappt es nicht mit der Geschäftsidee, fällt somit das finanzielle Risiko geringer aus.
Beide Länder sind grundsätzlich hochinteressant für die deutsche Wirtschaft. Ich empfehle Unternehmerinnen und Unternehmern unbedingt eine Reise nach Bulgarien oder nach Rumänien, um sich ein persönliches Bild vom Land und den Menschen zu machen.
Zur Person: Dominik Vorhölter
Dominik Vorhölter ist Direktor für Rumänien, Bulgarien und die Republik Moldau bei Germany Trade & Invest (GTAI), der Außenwirtschaftsagentur des Bundes. Die Agentur versteht sich als zentrale Anlaufstelle für Fragen deutscher Unternehmen zum Exportgeschäft.