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Auf gute Geschäfte
Deutschland und Italien wollen ihre Wirtschaftsbeziehungen durch einen Aktionsplan weiter vertiefen. Bayerische Firmen könnten davon profitieren.
Von Sabine Hölper, IHK-Magazin 03/2024
Die geschäftlichen Verbindungen sind traditionell eng: 160 Milliarden Euro betrug das gemeinsame Handelsvolumen 2022, die Direktinvestitionen im bilateralen Wirtschaftsverhältnis beliefen sich auf 90 Milliarden Euro. Die deutschen Exporte nach Italien erreichten knapp 88 Milliarden Euro, die Importe aus Italien immerhin 72 Milliarden Euro. Vor allem die südlichen Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg sind eng mit Italien vernetzt. Für Bayern ist Italien der viertwichtigste Handelspartner. Jetzt sollen die Beziehungen nochmals intensiviert werden.
Ende November 2023 unterzeichneten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (Fratelli d’Italia) einen Aktionsplan für eine engere Kooperation. In dem 37-Seiten-Papier liegt der Fokus im Bereich der Wirtschaft auf Industrie, Digitalisierung, grüner Mobilität und insbesondere Energie. Der Plan sieht vor, neue Gas- und Wasserstoffpipelines über Österreich oder die Schweiz voranzutreiben und die Infrastruktur nach Nordafrika auszubauen. Somit soll zum Beispiel bis 2030 die Einfuhr von 10 Millionen Tonnen Wasserstoff nach Deutschland ermöglicht werden.
Von Energie bis Industrie 4.0
Die Wirtschaft begrüßt den Aktionsplan. Jörg Buck, geschäftsführender Vorstand der Deutsch-Italienischen Handelskammer (AHK Italien), sagt, dass die beiden Länder seit Jahren strategische Partner und zunehmend „ein einziges Produktionsökosystem“ sind, geprägt vor allem durch die Branchen Automotive, Maschinenbau, Pharma und Elektrotechnik. „Durch den Aktionsplan wird dies jetzt auch auf politischer Ebene anerkannt und forciert.“
Die Weichen seien nun gestellt, um die Energieversorgung zu sichern, Forschungskooperationen auszubauen, eine grüne Wirtschaft voranzutreiben, Industrie 4.0 auf den Weg zu bringen. „Es geht darum, die Wettbewerbsfähigkeit Italiens und Deutschlands zu stärken“, so Buck. Der Aktionsplan biete dafür einen guten Rahmen.
„Wir Unternehmer profitieren von passenden Rahmenbedingungen, sie helfen bei bilateralen Geschäften“, bekräftigt Hanno Großeschmidt, Geschäftsführer der Encory GmbH. Der Mittelständler mit Sitz in Unterschleißheim entwickelt und betreibt End-to-End-Kreislauflösungen für das Aftersales-Geschäft. Der Umweltdienstleister hat Dependancen in den USA und China. Als Nächstes plant er, eine Tochtergesellschaft in Italien zu gründen. „Wir können eventuell schon in diesem Jahr starten“, sagt Großeschmidt.
Ein Kunde, ein Hersteller von Trucks, zeige großes Interesse. Für das Unternehmen mit 100 Mitarbeitern und 40 Millionen Euro Umsatz ergäbe das ein Umsatzplus von „10 bis 15 Prozent“, sagt Großeschmidt.
Gemeinsame Fachkräftequalifikation
Der Encory-Chef begrüßt, dass die Verbindungen zwischen Bayern und Italien intensiviert werden. Eine Pipeline sei eine Möglichkeit. Allerdings findet er, dass Geschäfte auch vom persönlichen Austausch leben: „Das schafft Vertrauen.“ Daher wäre es für sein Unternehmen wichtiger, die Verkehrswege und -verbindungen auszubauen.
Ebenso müssen Fachkräfte diesseits und jenseits der Alpen zur Verfügung stehen. Doch hier wie dort herrscht ein Mangel an gut ausgebildeten Mitarbeitern. Laut Buck sollte der Aktionsplan wichtige Impulse setzen. „Gemeinsame Projekte zur Qualifikation von Fachkräften für die immer neuen Aufgaben, die aus der digitalen und ökologischen Transformation entstehen, sollten umgesetzt werden“, sagt der AHK-Chef. Er verweist auf das „Dual Concept“-Programm der AHK Italien. „Wir unterstützen die Implementierung eines Berufsbildungssystems, das nahe am deutschen ist“, sagt er. Allerdings laufe dies nur auf Projektbasis mit interessierten Unternehmen, sei also nicht national geregelt.
Plan in die Praxis bringen
Es gibt also noch einiges zu tun, um die deutsche und die italienische Wirtschaft enger zu verknüpfen. „Der Aktionsplan ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung“, sagt Johannes Weidl, stellvertretender Referatsleiter Europa, Drittländer und Außenhandelsfinanzierung bei der IHK für München und Oberbayern. „Es wurde aber noch nicht klar genug kommuniziert, wie die Maßnahmen konkret in die Praxis umgesetzt werden.“
Ähnliche Aufgaben hier wie dort
Auch die DIHK erwartet, dass „der gemeinsame Einsatz für die europäische Integration und den Industriestandort Europa jetzt mit neuem Leben gefüllt wird“. Schließlich stünden die Unternehmen hier wie dort vor ähnlichen Herausforderungen, die der digitale und ökologische Wandel mit sich bringt. Auch die auf beiden Seiten abgeschwächte Konjunktur ist nicht investitionsförderlich.
Zusammen mehr Wachstum erzielen
Für 2023 erwartete die EU-Kommission für Italien ein BIP-Wachstum von nur noch 0,7 Prozent, 2024 könnten es 0,9 Prozent werden. Für Deutschland sind die Prognosen, zumindest für 2023, noch schlechter. Ferner sind hohe Inflationsraten und das gestiegene Zinsniveau in der Eurozone dämpfende Faktoren. Umso mehr kann der Austausch der Regierungen für bessere Wirtschaftsbedingungen ein positives Signal setzen.
Gute Verbindungen in vielen Branchen
Andererseits ist die politische Agenda nur ein Baustein, um die Wirtschaftsbeziehungen auf Trab zu bringen. Gute Beziehungen zu Geschäftspartnern in Italien werden immer auch auf der unternehmerischen Ebene gestaltet. Und diese laufen seit Jahren in vielen Branchen gut.
„Vor allem in der Automobilbranche gibt es eine enge Verbindung zwischen Norditalien und Süddeutschland“, sagt Encory-Chef Großeschmidt. „Wir werden diese intensivieren. Die Chancen stehen gut.“
IHK-Veranstaltungstipp:
Wirtschaftstalk Italia am 21. März 2024Die Bayerisch-italienische Wirtschaft in der Transformation
Zu einem Informations- und Netzwerkabend laden die IHK für München und Oberbayern und die Deutsch-Italienische Handelskammer ein. Gemeinsam mit Vertretern aus Italien diskutieren bayerische Unternehmer und Experten über die Zukunftsstrategien der bayerisch-italienischen Industrie.
Gastredner sind unter anderem der Bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und die Präsidentin der AHK Italien, Monica Poggio.Termin: 21. März 2024, 17-21 Uhr
Ort: IHK für München und Oberbayern, Max-Joseph-Straße 2, 80333 München