Hamdi/Adobe Stock ©
Tor zur EU – Dublin (im Bild die Samuel-Beckett-Brücke)

Durch den Brexit ist der Handel zwischen Irland und Großbritannien stark zurückgegangen. Irische Unternehmen suchen in der EU nach neuen Geschäftspartnern – auch in Bayern.

Mechthilde Gruber, Ausgabe 06/2021

Die Republik Irland ist vom Brexit stärker betroffen als jeder andere EU-Mitgliedstaat, sagt Lukas Kortenhaus, Marketingleiter der Deutsch-Irischen Industrie und Handelskammer (AHK) in Dublin: »Man ist sich nicht nur geografisch nahe, auch die historischen und wirtschaftlichen Verflechtungen mit dem Vereinigten Königreich sind sehr stark.« Der Brexit jedoch erschüttert die Beziehungen. Großbritannien hat die Position als Irlands größter Handelspartner bereits an die USA verloren, wichtigster Partner in der Eurozone ist Deutschland.

Auf der Grünen Insel am Nordwestrand der EU denkt man um. »Durch den erhöhten administrativen und logistischen Aufwand werden britische Produkte teurer und sind damit weniger gefragt«, sagt Kortenhaus. Laut einer von der AHK in Auftrag gegebenen Studie betrifft das rund zwei Drittel der Produkte, die Irland bisher aus Großbritannien importiert: Von 4.400 Produkten könnten rund 2.700 günstiger aus Deutschland bezogen werden. »Auch in Bayern suchen irische Unternehmen Alternativen zu ihren britischen Lieferanten«, bestätigt Jessica de Pleitez, Brexit- und Irland-Expertin bei der IHK für München und Oberbayern. »Die Anfragen zeigen, dass das Interesse da ist.«

Top Wirtschaftswachstum innerhalb der EU

Trotz Brexit und Pandemie wächst die Wirtschaft in Irland so stark wie in keinem anderen EU-Land. 2020 stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 3,4 Prozent. Hauptmotor ist der Export. Zum Erfolg tragen hauptsächlich die Wachstumsbranchen des Landes bei, die in der Pandemie noch gefragter sind als zuvor. Vor allem Pharmaindustrie sowie die Dienstleistungen der in Dublin beheimateten internationalen Technologiekonzerne sorgen für den Anstieg des irischen BIP.

Englischsprachiges Eintrittstor zur EU

Irland ist nun das einzige englischsprachige Land in der EU. Es kann sich deshalb noch leichter als Eintrittstor zur EU vermarkten, da London diese Rolle nicht mehr innehat. Für viele Investoren aus den USA ist Irland schon seit den 1980er-Jahren sehr attraktiv. Neben der kulturellen und sprachlichen Nähe ist es vor allem Irlands unternehmerfreundliche Wirtschafts- und Steuerpolitik, die ein riesiges Volumen von US-Direktinvestitionen anzieht. Aber auch umgekehrt ist Irland durch die kulturelle Nähe in der Lage, sich zum Gateway in den englischsprachigen Markt zu entwickeln.

Neue Verkehrsverbindungen

Näher ans europäische Festland rückt die Grüne Insel durch neue Verkehrsverbindungen. Zwar kommen derzeit noch 80 Prozent der Importe über die sogenannte Landbrücke nach Irland. Die neuen Grenzkontrollen bei Calais und Dover machen den Transit über England jedoch zeitaufwendig und teuer. Irland hat deshalb die direkten Schiffsverbindungen zum Kontinent verdreifacht und baut sie weiter aus. »Zwar dauert der Seeweg länger, ist dafür aber günstiger und berechenbarer«, sagt AHK-Experte Kortenhaus. Das kann den direkten Austausch mit der EU verstärken, auch um künftig Störungen der Lieferketten zu vermeiden.

»Für bayerische Unternehmen ist Irland vor allem als Absatzmarkt interessant«, sagt IHK-Expertin de Pleitez. »Bei Lieferanten bietet sich dabei ein breites Spektrum.« Der Bedarf an Maschinen und Anlagen ist groß, da in Irland selbst wenig hergestellt wird und bisher britische Zwischenhändler für Lieferungen aus der EU sorgten. Auch wegen der neuen Lieferrouten über die Seebrücke könnte deshalb der deutsch-irische Direkthandel deutlich zulegen.

Lukrative Branchen

Gute Perspektiven ergeben sich für bayerische Hersteller ebenfalls in der Sparte Greentech. Die irische Regierung fördert den Ausbau erneuerbarer Energien. Bis 2030 soll deren Anteil bei der Stromerzeugung 70 Prozent erreichen – noch liegt er bei 33 Prozent. Bei der Energieeffizienz besteht ebenfalls viel Nachholbedarf. Das Gleiche gilt für den Wohnungsbau. Die Regierung investiert Milliarden in nachhaltige Stadtentwicklung. Ebenso fließt viel Geld in den Straßenbau und den schienengebundenen Nahverkehr. Interessante Geschäftschancen bietet die Informations- und Kommunikationstechnologie, die besonders vom Digitalisierungsschub durch Homeoffice und soziale Distanzierung profitiert. Ihre Produkte und Services sind beispielsweise beim Ausbau der Breitbandversorgung gefragt.

Für bayerische Maschinenbauer eröffnet die Gesundheitswirtschaft viele Chancen. Sowohl pharmazeutische Unternehmen als auch Medizintechnikhersteller treiben die Digitalisierung voran und investieren in neue Maschinen und Produktionsanlagen. »Irische Mittelständler wollen gern mit deutschen Partnern kooperieren, denn Made in Germany hat bei ihnen einen guten Ruf«, sagt AHK-Experte Kortenhaus.

Für KMU Partnerschaft mit irischer Firma am einfachsten

Deshalb sei gerade für kleine und mittlere Unternehmen eine Partnerschaft mit einer irischen Firma der einfachste Weg in den irischen Markt. »Mit Iren lässt sich gut zusammenarbeiten«, so Kortenhaus. Das bestätigt Siggi Volkmann, beratende Ingenieurin für Klima- und Kältetechnik aus Burghausen. »Für mich ist Irland vor allem deshalb ein interessanter Markt, weil die Regierung gerade verstärkt in das Gesundheitssystem investiert.« Sie bietet ihre Dienste europaweit an, seit vier Jahren ist sie in Irland aktiv. Die 57-Jährige berät sowohl Hersteller als auch planende Ingenieure und Endkunden wie etwa Kliniken, aber ebenso Firmen der Pharma- und Mikroelektronikindustrie.

Der Einstieg ins Irlandgeschäft gelang über die Empfehlung eines Geschäftspartners in England. Für dessen irischen Gerätelieferanten entwickelte Volkmann ein normkonformes Klimagerät für Krankenhausräume. Es erfüllt spezielle Anforderungen, etwa für Operationssäle. Durch Mundpropaganda ergaben sich weitere Aufträge.

Empfehlungen besonders wichtig

»Vieles läuft in Irland über Empfehlungen«, sagt Volkmann. »Marketing allein nützt wenig.« Auch sollte man sich auf der Insel auf eine andere Art der Kommunikation einstellen. Mit einem lokalen Partner als Vermittler an der Seite seien Verhandlungen viel einfacher zu führen, so die Ingenieurin. Mit ihrem Erfolg in Irland ist Volkmann zufrieden, auch wenn Projekte wegen der Pandemie ins Stocken geraten sind. Sobald sie persönlich präsent sein kann, will sie ihr Engagement wieder intensivieren. Sie möchte ihr zweites betriebliches Standbein ausbauen und verstärkt Schulungen durchführen. Die Ingenieurin ist überzeugt: »Es lohnt sich, den irischen Markt weiter zu bearbeiten.«

Der Einstieg mag wegen Corona momentan zwar etwas schwieriger sein, da der persönliche Kontakt am Anfang fehlt. Aber auch über Onlinemeetings kann man zum Erfolg kommen, so die Erfahrung des AHK-Experten Kortenhaus: »Die Iren sind da sehr aufgeschlossen. Digitale Unternehmerreisen sind deshalb eine gute Möglichkeit, Geschäftsbeziehungen aufzubauen.«

AHK-Service: Unternehmerreisen digital

Die AHK bietet 2021 fünf Unternehmerreisen mit unterschiedlichen Schwerpunkten an, die bis auf Weiteres digital durchgeführt werden. Weitere Informationen und Anmeldung unter:
www.german-irish.ie/events

Verwandte Themen