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E-Rechnung: Digitaler Anschub

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E-Rechnung – Vorteile für beide Seiten

Die öffentlichen Auftraggeber haben ihre Rechnungsprozesse auf einen digitalen Workflow umgestellt. Unternehmen, die sich darauf einrichten, können auch die Effizienz ihrer eigenen Prozesse steigern.

Monika Hofmann, Ausgabe 09/20

Die neuen Vorgaben haben es in sich. Sie sind in der Lage, einen regelrechten Digitalisierungsschub auszulösen: Die EU-Richtlinie zur E-Rechnung schreibt vor, dass öffentliche Auftraggeber europaweiter, sogenannter oberschwelliger Vergabeverfahren elektronische Rechnungen entgegennehmen müssen. Diese Pflicht besteht für die meisten Bundesbehörden seit November 2019. Firmen müssen ab November 2020 prinzipiell ihre Rechnungen an Bundesstellen nach bestimmten Vorgaben elektronisch übermitteln. Bundesländer und Kommunen hatten bis 18. April 2020 Zeit, die Richtlinie umzusetzen.

Relevant für jedes Unternehmen mit öffentlichen Aufträgen

In den einzelnen Ländern kann die Umsetzung anders aussehen als auf Bundesebene, etwa was den Übertragungsweg oder die zulässigen Formate angeht. Auch Bayern hat die EU-Vorgaben umgesetzt. Hier können Firmen jetzt alle Rechnungen unabhängig von der Höhe als digitale Rechnungen einreichen (siehe Interview unten). »Jedes Unternehmen, das für die öffentliche Hand Aufträge übernimmt, sollte sich eingehend mit diesem Thema befassen«, rät Martin Clemens, Steuerexperte der IHK für München und Oberbayern. »Wichtig ist dabei zu prüfen, welche Regeln greifen – und die eigenen Prozesse anzupassen.«

Ein Vorteil: Schnellere Zahlungen

Dabei können Unternehmen selbst profitieren. Die digitale Rechnung spielt eine bedeutende Rolle als Digitalisierungsstufe, sagt IHK-Digitalisierungsexpertin Franziska Neuberger: »Sie ist die Basis der digitalen Transformation.« Wer den gesamten Workflow digitalisiert, kann seine Effizienz deutlich steigern. Weitere Pluspunkte liegen in einem höheren Tempo und geringeren Papier- und Portokosten. »Zudem profitieren die Firmen von schnelleren Zahlungen«, so die IHK-Expertin. In Deutschland beschaffen Bund, Länder und Gemeinden jährlich Waren und Dienstleistungen im Wert von fast 300 Milliarden Euro. Bisher waren die Vergabeverfahren oft aufwendig, ebenso das Rechnungsschreiben und der Versand. »Die Digitalisierung dieser Prozesse erweist sich für alle Beteiligten als vorteilhaft«, so Neuberger.
Mehr Informationen zur E-Rechnung: www.ihk-muenchen.de/e-rechnung

»Die Firmen haben das Geld schneller auf dem Konto«

Interview mit Rainer Bauer, Abteilungsleiter für Digitalisierung im Bayerischen Finanzministerium, erklärt, wie Unternehmen beim digitalen Rechnungsworkflow gewinnen.

Herr Bauer, wie hat die öffentliche Verwaltung die EU-Richtlinie zur E-Rechnung praktisch umgesetzt?

Der Freistaat Bayern hat für die elektronische Rechnung einen digitalen medienbruchfreien Verarbeitungsworkflow geschaffen, von dem alle Beteiligten – Unternehmen und der Staat als Auftraggeber – nur profitieren können: Die E-Rechnung macht die Abrechnung für alle schneller, ökonomischer und ökologischer.

Für die bayerische Staatsverwaltung konnten wir das Thema aufgrund der zentralen Steuerungs- und Koordinierungsmöglichkeiten rasch und zielorientiert voranbringen. Die technische Umsetzung erfolgte dabei unter Koordination des Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat, das auch für die Haushalts- und Kassenprogramme zuständig ist. Mit der EU-Richtlinie kristallisierte sich eine Fülle von Aufgaben für die öffentliche Verwaltung heraus und wurde umgehend gelöst: So setzte Bayern diese Richtlinie fristgemäß um. Darüber hinaus schuf der Freistaat alle notwendigen Voraussetzungen und ergriff hierbei die Chance, den E-Rechnungsprozess weit über das rechtlich geforderte Maß hinaus zu digitalisieren.

Was bedeutet das konkret?

Wir können beispielsweise unabhängig von der Höhe des Betrags E-Rechnungen annehmen und verarbeiten. Uns war wichtig, dass wir damit die ökonomischen wie auch die ökologischen Ziele der Staatsverwaltung erreichen – und das haben wir auch geschafft. Im Ergebnis wurde damit ein digitaler Workflow für die Verarbeitung von elektronischen Rechnungen bereitgestellt. Hierfür haben wir das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen-Verfahren des Freistaats mit rund 10.000 Benutzern und 1,2 Millionen Zahlungspartnern sowie das System zur Vorgangsbearbeitung umfangreich angepasst.

Wie funktioniert das Verfahren in der Praxis für die Unternehmen?

Das ist ganz einfach: Die Firmen erstellen mit ihrer Software eine E-Rechnung, also einen XML-Datensatz. Anschließend übermitteln sie diesen an eine E-Mail-Adresse des Rechnungsempfängers, die meist bereits durch die Angebotsabgabe bekannt ist oder bei der Beauftragung angegeben wird.

Nach Eingang der Mail zieht der zuständige Beschäftigte den Datensatz per Drag-and-drop in eine entsprechende Software und arbeitet ihn dann über einen digitalen Workflow ab – bis zur Zahlung und der revisionssicheren Ablage aller E-Rechnungen. Die Digitalisierung beschleunigt den ganzen Prozess enorm, davon profitieren auch die Firmen, die schneller das Geld auf ihren Konten haben.

Wie hoch schätzen Sie das Einsparpotenzial für die Unternehmen ein?

Im Ergebnis ist es nicht anders als beim Freistaat: Heute muss eine Buchhaltung die Rechnung schreiben, ausdrucken, gegebenenfalls vom Geschäftsführer abzeichnen lassen, verpacken und mit der Post verschicken. Ich gehe davon aus, dass auch bei den Firmen aus der Buchhaltungssoftware heraus der Datensatz für die E-Rechnung erstellt wird – der müsste künftig nur noch per Mail verschickt werden. Das wird deutlich schneller gehen.

Oder denken Sie an die Steuerberater: Sie können die Datensätze gleich sachgerecht verbuchen, ohne die Daten zunächst vom Papier abzutippen. Wir sehen vor allem Vorteile: Eine schnellere, einfachere und noch umweltschonendere Abrechnung ist ein Gewinn für alle Beteiligten – das gilt für die Unternehmen genauso wie für den Freistaat.

Bei der Digitalisierung der Verwaltung schafft es Deutschland laut einer Studie der EU-Kommission nur auf Rang 21. Gibt es im Freistaat jetzt einen Digitalisierungsschub?

Auch wenn die Vergleiche oftmals im Detail betrachtet werden müssen, haben wir alle dasselbe Ziel: Wir müssen die Digitalisierung auf allen Ebenen der Verwaltung konsequent voranbringen. Dazu gehören aber auch die Grundlagen: Die Weichen dafür hat das Staatsministerium der Finanzen und für Heimat mit dem Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung gestellt, zum Beispiel für den Breitbandausbau.

Auch die E-Rechnung trägt zur Digitalisierung bei – sie ist im Grunde quasi ein Vorreiter im Hinblick auf das Onlinezugangsgesetz. Hier wurden die notwendigen Rahmenbedingungen für alle Beteiligten bereits umgesetzt. Das müssen jetzt in der Praxis alle Beteiligten auch leben. Also ein klares »Ja« – wenn die Firmen uns E-Rechnungen übermitteln, gibt die medienbruchfreie Rechnungsabwicklung für alle einen Digitalisierungsschub.

Noch halten sich vor allem kleinere Firmen mit digitalen Rechnungen zurück, weil sie zusätzlichen Aufwand befürchten. Wie können Sie die Unternehmen für die E-Rechnung gewinnen?

Tatsächlich stellen sich derzeit immer noch Fragen, beispielsweise welche öffentlichen Stellen jetzt ab welchen Beträgen E-Rechnungen empfangen können und wie diese am besten übermittelt werden. Ich kann allerdings nur dazu auffordern, aus unternehmerischer Sicht die E-Rechnung zu nutzen. Das bietet für die Firmen erhebliche Effizienzgewinne, daran sollte ihnen auf jeden Fall auch aus eigenem Interesse gelegen sein. Im Zweifel reicht ja ein kurzes Telefonat oder ein Austausch per E-Mail, um zu klären, ob der Partner der öffentlichen Verwaltung für digitale Rechnungen empfangsbereit ist.

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