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Einblick in Arbeitsbedingungen – Kakaobauer der Initiative Yayra Glover in Ghana

Deutschland geht in Europa mit einem neuen Entwurf für ein Lieferkettengesetz voran. Die oberbayerische Wirtschaft favorisiert eine europäische Lösung, um Wettbewerbsnachteile für Unternehmen zu vermeiden.

Gabriele Lüke, Ausgabe 05/2021

Nach zähem Ringen hat das Bundeskabinett im März 2021 einen Entwurf des viel diskutierten Lieferkettengesetzes verabschiedet. Wird das Gesetz, wie angekündigt, noch in dieser Legislaturperiode beschlossen, werden Unternehmen Sorgfaltspflichten zur Wahrung der Menschenrechte entlang der gesamten Zuliefererkette auferlegt.

Das ist geplant: Ab 2023 haben Firmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten (ab 2024 mit mehr als 1.000 Beschäftigten) mittels einer Risikoanalyse zu ermitteln, ob und inwieweit bei ihrer Geschäftstätigkeit das Risiko von Menschenrechtsverletzungen besteht. Die betroffenen Unternehmen müssen im eigenen Betrieb und bei den unmittelbaren Zulieferfirmen potenziellen Menschenrechtsverletzungen vorbeugen und bei Verstößen Abhilfe schaffen.

Bei mittelbaren Lieferanten gilt eine anlassbezogene Sorgfaltspflicht. Hier haben die Betriebe dann nachzuforschen und aktiv zu werden, wenn sie von Menschenrechtsverletzungen erfahren.

Bemühens-, keine Erfolgspflicht

Gefordert sind jeweils angemessene Maßnahmen auf Basis der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Dabei gilt eine Bemühens- und keine Erfolgspflicht. Das heißt: Unternehmen sollen sich nachweislich um angemessene Lösungen bemühen. Einmal im Jahr müssen sie über ihre Aktivitäten berichten. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) wird die Einhaltung des Gesetzes kontrollieren, die Berichte überprüfen sowie etwaige Verstöße sanktionieren. Bei Nichteinhaltung sind Geldstrafen in Höhe von bis zu zwei Prozent des Umsatzes möglich. Zudem dürfen Menschenrechtsorganisationen oder Gewerkschaften für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen in Deutschland klagen.

Fast zeitgleich zur deutschen Initiative hat auch das Europäische Parlament einen ersten Aufschlag zur Sicherung der Menschenrechte in der Lieferkette gemacht. Die Europäische Kommission hat bereits angekündigt, dabei noch einen Schritt weitergehen zu wollen als Deutschland. Sie will neben allen großen Unternehmen – inklusive Finanzdienstleistern – auch börsennotierte kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) sowie solche mit hohem Risiko in die Pflicht nehmen. Bei Verstößen drohen ebenfalls Bußgelder.

Zwiespältige Bewertung

Die Juristen André Depping (49) und Daniel Walden (47) von der Münchner Kanzlei Beiten Burkhardt Rechtsanwaltsgesellschaft mbH sehen im deutschen Lieferkettengesetz zum einen eine Chance: »Nicht nur Kunden, sondern zunehmend auch Investoren fordern mehr unternehmerische Verantwortung – wie etwa die Einhaltung der Menschenrechte in der Lieferkette. Die Firmen müssen sich also mehr als bisher in diese Richtung bewegen, wollen sie am Markt bleiben.« Das Gesetz könnte in diesem Sinne ein Impuls sein. Dabei komme den Unternehmen entgegen, dass der Entwurf eine Bemühens- und keine Erfolgspflicht vorgibt: »Damit lässt das Gesetz den Firmen eine gewisse Gestaltungsfreiheit und ermöglicht individuelle Lösungen.«

Zum anderen erkennen die Juristen aber auch Risiken. So nimmt der deutsche Entwurf zwar nur große Unternehmen direkt in die Pflicht. »Kleinere und mittlere Unternehmen geraten jedoch als Lieferanten und Partner in Zugzwang, um ihren betroffenen großen Kunden zu genügen«, warnen die Juristen. »Kleinere Unternehmen mit weniger Marktmacht haben es aber schwerer, das Verhalten ihrer Zulieferer zu beeinflussen.«

Rechtssicherheit notwendig

Als weiteren Knackpunkt kritisieren die Experten, dass manche der im Gesetz verwendeten Begriffe zu unbestimmt seien. So definiere der Gesetzgeber etwa nicht, was er konkret unter Angemessenheit verstehe. »Solche offenen Formulierungen beeinträchtigen die Rechtssicherheit, verunsichern die Unternehmen und erhöhen den Aufwand, bis es behördliche Konkretisierungen gibt.«

Doppelaufwand vermeiden

Die IHK für München und Oberbayern sieht noch weitere Kritikpunkte. »Wenn Deutschland die europäische Lösung nicht abwartet, befürchten wir durch den zu erwartenden Doppelaufwand Wettbewerbsnachteile für unsere Wirtschaft, die sie insbesondere jetzt in der Coronazeit nicht braucht«, sagt Gerti Oswald, IHK-Abteilungsleiterin CSR. »Zudem lässt sich die menschenrechtliche Situation in Produktionsländern oftmals nur unter gemeinsamer Anstrengung verbessern. Zuallererst ist die Staatengemeinschaft gefragt, sich verstärkt für den Schutz der Menschenrechte weltweit einzusetzen. Unsere Unternehmen können dieses Engagement letztendlich nicht ersetzen, sondern nur flankieren.« Unter anderem aus diesen Gründen hat sich die IHK-Vollversammlung 2020 gegen eine nationale Lösung positioniert.

Wie können sich Unternehmen dennoch vorsorglich auf das Gesetz einstellen? Bei einer ersten Bestandsaufnahme hilft das Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte der Bundesregierung. Es stellt mit dem CSR-Risiko-Check und dem KMU-Kompass online wichtige Unterstützungstools für Unternehmen zur Verfügung. Auch das BAFA als kontrollierende Instanz hält Empfehlungen bereit, die bei der konkreten Umsetzung helfen.

»Erste unternehmensinterne praktische Schritte sind, die Achtung der Menschenrechte in den Unternehmensleitlinien, dann im Qualitäts- und Risikomanagement zu verankern«, erläutern die Juristen Depping und Walden. »Wir empfehlen zudem, dies auch in den Verträgen mit den Zulieferern zu berücksichtigen.«

Weitere Tipps: Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Lieferanten und mit Nichtregierungsorganisationen vor Ort, menschenrechtliche Schulungen der Zulieferer sowie Mitgliedschaften in Brancheninitiativen, um voneinander zu lernen.

Erfahrungen aus der Praxis

Unternehmen, die solche oder ähnliche Maßnahmen nutzen, gibt es bereits – zum Beispiel das junge Münchner Schokoladen-Start-up fairafric GmbH. Seine Wertschöpfung und Lieferkette liegen hauptsächlich in Ghana. Die Kakaobohnen kauft das Unternehmen zu fairen Preisen bei den Bio-Kakaobauern der Initiative Yayra Glover in Suhum. Die Initiative prüft regelmäßig die Arbeitsbedingungen auf den einzelnen Farmen, sodass etwa Kinderarbeit ausgeschlossen ist.

Von den Farmen gehen die Bohnen zum Partner Chocomac in der Hafenstadt Tema, der Kakaobutter, -pulver und -masse aus ihnen gewinnt. Auch in dieses Unternehmen hat fairafric einen guten Einblick. »Wir kennen alle unsere Lieferbetriebe sehr gut, teilen mit ihnen dieselben Werte in Bezug auf Fairness und Menschenrechte – das war die Voraussetzung dafür, dass wir mit ihnen kooperieren wollten«, sagt fairafric-Sprecherin Charlotte Knull (29).

Die Schokoladentafeln selbst werden im brandneuen eigenen Werk in Suhum produziert. »Eine eigene Fabrik zu bauen – übrigens mit vielen ghanaischen Dienstleistern –, war uns wichtig«, so Knull. Umso besser könne das Unternehmen auch in diesem Teil der Lieferkette die Arbeitsbedingungen und damit auch die Menschenrechtslage steuern: »Wir beschäftigen nur Ghanaerinnen und Ghanaer, natürlich auch in Führungspositionen, zahlen fair und entwickeln unser Personal weiter unter anderem in unserer eigenen Chocolaterie-Akademie.«

Mehr Wertschöpfung bleibt im Land

Die Sprecherin betont, dass über die Fabrik mehr Wertschöpfung in Ghana bleibe. In Deutschland sitzen nur der Vertrieb und das Marketing. Aktuell wandelt sich fairafric in eine Aktiengesellschaft, damit in Ghana noch mehr Menschen über Anteile Mitbesitzer werden können. Knull: »Unser nächster Schritt zu mehr Fairness!«

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