Freier Handel | Unternehmen

Gewinner in der Coronakrise

Schreiner Group ©
Hohe Qualitätsansprüche – Schreiner-Produktion im chinesischen Fengpu, in Vor-Corona-Zeiten

Als einzige große Volkswirtschaft konnte China im Krisenjahr 2020 ein Wachstum vorweisen. Vom Potenzial dieses Marktes profitieren auch bayerische Unternehmen.

Mechthilde Gruber, Ausgabe 04/2021

Trotz eines katastrophalen Einbruchs zu Jahresbeginn noch ein Wirtschaftswachstum von über zwei Prozent erzielen? Das kann wohl nur China. Mit radikalen Maßnahmen hat das Land die Pandemie bereits im Frühsommer 2020 weitgehend unter Kontrolle gebracht. Seither sind die Wirtschaftsnachrichten aus China deutlich positiver. Viele Abläufe haben sich normalisiert. Größter Wachstumstreiber ist der Aufschwung der fertigenden Industrie.

Prognose: wieder Wachstum auf Vorkrisenniveau

Exportweltmeister China produziert viele Güter, die in Coronazeiten weltweit gefragt sind: medizinische Masken und Schutzkleidung ebenso wie Laptops und Kommunikationstechnik für das Homeoffice. Der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostiziert China für 2021 wieder ein Wachstum auf Vorkrisenniveau von rund acht Prozent.

Von dieser positiven Wirtschaftsentwicklung können auch bayerische Unternehmen profitieren, sagt Hannes Aurbach, Teamleiter und Chinaexperte bei der IHK für München und Oberbayern. »China könnte für Bayern in absehbarer Zeit zur wichtigsten Exportnation werden, noch vor den USA.« Denn nach dem pandemiebedingten Stillstand treibt die chinesische Regierung den angestrebten Umbau zur Hightech-Nation noch vehementer voran als zuvor.

Deutsche Qualitätsprodukte gefragt

Die Industrieproduktion wird modernisiert, Innovationen intensiv gefördert. Dafür sind deutsche Qualitätsprodukte etwa im Maschinen- und Anlagenbau gefragt, ebenso Beratungsleistungen für Digitalisierung und Industrie 4.0. Auch Umwelttechnologie spielt eine wichtige Rolle, weil Peking die Umweltgesetze verschärft hat und strikt durchsetzt. »Attraktiv ist der Markt aber auch wegen seiner großen, immer kaufkräftigeren Mittelschicht«, sagt IHK-Experte Aurbach. Chinesische Verbraucher legen viel Wert auf Qualität. Innovative Konsumgüter made in Germany haben daher gute Absatzchancen. Im Vergleich zu lokalen Produkten genießen etwa Lebensmittel aus Deutschland einen ausgezeichneten Ruf.

Lizenz zum Brauen

Die traditionsreiche Brauerei König Ludwig International GmbH & Co. KG hat zum Beispiel Lizenzen an zwei Brauereien in der Nähe von Peking und Shanghai vergeben. Die Produktionsstätten wurden zusammen mit chinesischen Investoren neu aufgebaut. »Wir haben seriöse Partner, das funktioniert auch in Zeiten der Pandemie sehr gut«, sagt Geschäftsführer Luitpold Prinz von Bayern (mehr zum Unternehmensbeispiel unten).

Mit den gut qualifizierten Arbeitskräften aus dieser Mittelschicht – sie umfasst mittlerweile mehr als 300 Millionen Menschen – bleibt China auch ein interessanter Produktionsstandort für Unternehmen. Deutschland ist der größte ausländische Investor, rund 6.000 deutsche Unternehmen haben sich bisher in China niedergelassen.

Für die meisten dieser Firmen hat sich das Chinageschäft während der Coronakrise als wichtige Stütze erwiesen. Das geht aus der aktuellen Geschäftsklima-Umfrage der Deutschen Handelskammer (AHK) in China hervor. Umsatzrückgänge in Europa und den USA seien durch das im zweiten Halbjahr 2020 wieder anziehende Geschäft im Reich der Mitte teilweise kompensiert worden.

Einer der anspruchsvollsten Märkte weltweit

Bei all diesen positiven Ausblicken sollten Unternehmen allerdings beachten: China bleibt einer der anspruchsvollsten Märkte weltweit, so IHK-Experte Aurbach. Dies gilt sowohl für China als Beschaffungs- und Absatzmarkt als auch für den Produktionsstandort. Eine gute und intensive Vorbereitung ist hier besonders wichtig. Dies beginnt bei der Auswahl der Geschäftspartner, der Klärung der rechtlichen und logistischen Fragen und beinhaltet auch die Berücksichtigung der kulturellen Unterschiede. »So müssen Unternehmen bei Geschäften mit China immer auch politische Konstellationen bedenken«, warnt Aurbach. »Unternehmen sollten deshalb darauf achten, dass sie auch in Asien nicht allein von einem Markt abhängig werden.«

Investitionsabkommen (CAI) geplant

Laut AHK-Umfrage machen derzeit die strengen Reisebeschränkungen, die China wegen der Pandemie verhängt hat und die voraussichtlich 2021 kaum gelockert werden, den Unternehmen die größten Probleme. Aber auch die Anforderungen durch das neue Gesetz für Cybersicherheit, das Sozialkreditsystem sowie das neue Lieferkettengesetz beschäftigen die deutschen Firmen.

Große Erwartungen setzen sie dagegen in das geplante Investitionsabkommen (CAI) zwischen der EU und China, das europäischen Unternehmen mehr Rechtssicherheit, Transparenz und bessere Wettbewerbsbedingungen bringen soll. Die AHK-Umfrage zeigt, dass der Optimismus dominiert: Über 70 Prozent der deutschen Unternehmen rechnen in China auch heuer wieder mit steigenden Umsätzen. Ebenso viele planen weitere Investitionen sowohl in Produktionsanlagen als auch in Forschung und Entwicklung.

Hohe Ansprüche an Qualität und Sauberkeit

Ihren 2016 eröffneten Produktionsstandort in China weiter ausbauen will auch die Schreiner Group GmbH & Co.KG aus Oberschleißheim. Der Geschäftsbereich Schreiner ProTech beliefert von seiner Produktionsstätte in der Region Shanghai aus die großen internationalen Automobilhersteller und ihre Zulieferer in China mit Funktionsteilen auf Folienbasis und Hightech-Label. Entscheidend für den erfolgreichen Aufbau der Produktion und für die Akzeptanz der Kunden waren vor allem die hohen Ansprüche an Qualität und Sauberkeit, sagt Thomas Köberlein (58), Geschäftsbereichsleiter von Schreiner ProTech: »Wir haben in modernste Maschinen, Gebäude und Klimatechnik investiert. Die Konzepte stimmen exakt mit denen in Deutschland überein.« Hier dürfe man keine Kompromisse eingehen. »Wir wollen uns in China ebenso wie in Europa über Qualität und Innovation profilieren«, betont Köberlein.

Umworbene Fachkräfte

Um gute Fachkräfte zu finden, die in der Region Shanghai noch mehr als anderswo umworben sind, ist das Unternehmen eine Kooperation mit der örtlichen Universität eingegangen. »Was wir bieten, sind innovative Produkte, gute Ausbildung und Arbeitsbedingungen, alles Eigenschaften eines typischen deutschen Mittelständlers«, sagt ProTech-Chef Köberlein. »Darauf sind unsere chinesischen Mitarbeiter stolz, die Fluktuation ist bei uns sehr gering.« Eine der größeren Herausforderungen sei es gewesen, sowohl für den Aufbau als auch für den geplanten Ausbau des Produktionsstandorts alle notwendigen Genehmigungen zu bekommen, meint Köberlein.

Guter Draht zur regionalen Regierung hilft

Hilfreich bei allen bürokratischen Angelegenheiten sei ein guter Draht zur regionalen Regierung, auf den das Hightech-Unternehmen von Anfang an viel Wert legt. »Wir sind ständig im persönlichen Kontakt, stellen unsere Produkte vor und erklären unsere Vorhaben.« Da Schreiner ProTech einen von China als Zukunftsindustrie definierten Bereich beliefert, findet das Unternehmen für seine Expansionswünsche gute Argumente gegenüber den Behörden.

In Zukunft will es in China nicht nur wie bisher Produkte für die Automotive-Branche, sondern auch für die Pharmaindustrie herstellen. Viel verspricht sich das Unternehmen zudem von der Entscheidung, die Produktentwicklung für den chinesischen Markt künftig vor Ort durchzuführen. »Für die Bereiche elektrische Antriebe, vernetztes Fahren und autonomes Fahren ist China Vorreiter. Für uns ist es eine Riesenchance, an diesen Entwicklungen teilzunehmen«, sagt Köberlein.

Unternehmensbeispiel: Bier aus Bayern, gebraut in China

»Unser Engagement in China ist eine permanente Herausforderung, die immer neue Überraschungen bringt«, sagt Luitpold Prinz von Bayern (69), Geschäftsführer der König Ludwig International GmbH
& Co. KG.
Nach einigen Versuchen hat die Brauerei aus Kaltenberg vor sechs Jahren das passende Rezept für ihr erfolgreiches Engagement in China gefunden: An zwei Brauereien in der Nähe von Peking und Shanghai hat das oberbayerische Unternehmen Lizenzen vergeben. Die Produktionsstätten wurden im Verbund mit Immobilienprojekten der chinesischen Investoren ganz neu aufgebaut.

An diesen Standorten wird mit deutscher Anlagentechnik strikt nach Vorgabe von König Ludwig International gebraut. »Entscheidend ist, dass wir Produktionsstätten haben, die unser Bier in Topqualität
brauen«, betont Prinz Luitpold. So schulen Braumeister aus Kaltenberg ihre chinesischen Kollegen, regelmäßige Kontrollen sichern die gleichbleibend hohe Qualität. »Wir haben seriöse Partner, das funktioniert auch in Zeiten der Pandemie sehr gut«, sagt Prinz Luitpold.

China als größter Biermarkt der Welt

China ist zwar der größte Biermarkt der Welt, zweistelliges Wachstum gibt es aber nur im Hochpreissegment. »Deshalb ist es wichtig, unser Frischprodukt gegenüber der Importware preislich zu positionieren. Made in Germany darf nicht billig sein«, ist der Brauereichef überzeugt. Auch sei es notwendig, sich selbst intensiv um Vertrieb und Marketing zu kümmern, denn die Lizenzpartner würden den Aufwand dafür unterschätzen. »Das ist eine der großen Herausforderungen in China, dafür muss erhebliches Investment eingeplant werden.«

Trotzdem ist das Unternehmen mit dem bisherigen Erfolg im Reich der Mitte sehr zufrieden, das Engagement will es weiter ausbauen. So biete beispielsweise der Onlinehandel ganz neue Möglichkeiten für den Direktverkauf. Einfach werde es in China jedoch auch in Zukunft nicht, sagt Prinz Luitpold: »Aber es ist spannend und es macht Spaß.«

Verwandte Themen