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Digitalisierung – Faktor für Wettbewerbsfähigkeit

Eine ifo-Studie hat den Stand der Digitalisierung in verschiedenen Ländern untersucht. Deutschland schneidet dabei nur durchschnittlich ab. Handlungsbedarf gibt es in zahlreichen Feldern.

Josef Stelzer, Ausgabe 02/2022

Die Digitalisierung umfasst eine Vielzahl miteinander verwobener Aspekte, vom Ausbau digitaler Netze über E-Government bis hin zur Entwicklung plattformbasierter Geschäftsmodelle. All dies verbessert die unternehmerische Innovationsfähigkeit, trägt zu Produktivitätssteigerungen bei und sorgt für Wirtschaftswachstum. Doch wenn der digitale Wandel nicht vorankommt, drohen Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen Ländern.

Wo steht Deutschland dabei im internationalen Vergleich? Und in welchen Bereichen muss jetzt nachgebessert werden? Diesen Fragen ging die im Auftrag der IHK für München und Oberbayern erstellte ifo-Studie »Benchmarking – Digitalisierung in Deutschland« nach. Ergebnis: Deutschland ist nur digitales Mittelmaß.

Mangel bei digitalen Schlüsseltechnologien

Oliver Falck (47), Leiter des ifo Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien in München, warnt: »Für den Wirtschafts- und vor allem den Innovationsstandort ist besorgniserregend, dass Deutschland im internationalen Vergleich besonders in Bereichen schlecht abschneidet, welche auch die zukünftigen Potenziale für Innovation und Wachstum bestimmen.« Deutschland sei zwar immer noch einer der führenden Innovationsstandorte in Europa, »in digitalen Schlüsseltechnologien kann Deutschland jedoch mit der rapiden Entwicklung in den USA und zunehmend in Südkorea oder China nicht mithalten.«

Andere Länder wie die Niederlande oder Irland sind zudem in der Datenproduktion und -nutzung deutlich besser. Zum einen sind die administrativen Hürden dort relativ niedrig. Zum anderen unterstützt die Politik das Tech- und Innovationsumfeld aktiv mit Anreizen für Forschung und Entwicklung sowie mit dem deutlichen Fokus auf technologische Entwicklungen.

IKT-Sektor relativ klein

Deutschlands vergleichsweise wenig ausgeprägte Rolle als Datenproduzent und -nutzer zeigt sich unter anderem an einem relativ kleinen IKT-Sektor: Die Informations- und Kommunikationstechnologie hat hierzulande einen weitaus geringeren Anteil an der Wertschöpfung als beispielsweise in Israel oder Südkorea.

Bei den grundlegenden digitalen Kompetenzen steht Deutschland zwar gut da. Doch gerade bei den Spitzenkompetenzen, die für weitere Digitalisierungsfortschritte zentral sind, fällt Deutschland deutlich ab. Ifo-Forscher Falck ist überzeugt: »Deutschland muss eine Reihe bedeutender Lücken schließen, wenn es verhindern will, dass der Abstand zu den digitalen Spitzenreitern noch größer wird.«

Gründungsrate als Manko

Falck betont einen gravierenden Schwachpunkt: »Ein besonderes Manko ist die sehr niedrige und darüber hinaus sogar noch sinkende Gründungsrate, denn junge und innovative Unternehmen sorgen auch langfristig für die Verbreitung von digitalen Geschäftsmodellen und Technologien in Wirtschaft und Gesellschaft.«

Die Zahl der Unternehmensgründungen im IKT-Sektor geht seit 2008 sogar zurück, während der Vergleichswert im EU-Durchschnitt zumindest stagniert. »Wir brauchen viel mehr Gründungsmentalität«, sagt Franziska Neuberger, IHK-Referatsleiterin Digitalisierung und IKT, »hierzu ist schon in den Schulen anzusetzen.« Zudem sollte der Venture-Capital-Markt gestärkt werden – für alle Finanzierungsphasen.

Punkten mit Spezialisierung

Weit abgeschlagen sind Deutschland und Europa bei den plattformbasierten Geschäftsmodellen. Die größten und kommerziell erfolgreichsten digitalen Plattformen wie etwa Amazon, Facebook, Alibaba oder Tencent sind in den USA sowie im asiatisch-pazifischen Raum angesiedelt. Punkten können digitale Plattformen aus Deutschland vor allem durch ihre Spezialisierung auf lokale Märkte oder bestimmte Branchen.

Grundsätzlich positiv ist hierzulande die Einstellung zur Digitalisierung und generell zu neuen Technologien. Wobei der Nutzen für die Wirtschaft im Vordergrund steht, weniger indes der persönliche Vorteil, der aus der Digitalisierung resultiert.

Allerdings sorgen sich die Deutschen mehr um ihre persönlichen Daten als die meisten anderen Europäer, zudem ist der Wunsch nach einem restriktiveren Datenschutz hierzulande stärker ausgeprägt. »Vor diesem Hintergrund erscheint es wichtig, die aus den Datenschutzvorgaben resultierenden Kosten für die Wirtschaft samt möglicher Wettbewerbsnachteile verstärkt zu diskutieren«, so Neuberger.

Nur 1 Drittel der Firmen mit Glasfaseranschluss

Deutlich unter dem Durchschnitt liegt Deutschland beim Ausbau der leitungsgebundenen Gigabit-Netze, die Datenübertragungsraten von mindestens einem Gigabit pro Sekunde ermöglichen. Oft fehlt aber auch schlichtweg die Nachfrage. Einen vorhandenen Glasfaseranschluss nutzten im Jahr 2020 nur 37 Prozent der Haushalte in Deutschland. Die Ursachen hierfür liegen unter anderem in hohen Preisen und fehlenden digitalen Angeboten.

Ausbau der Infrastruktur gefordert

IHK-Expertin Neuberger empfiehlt, die digitale Infrastruktur mit 5G- und Gigabit-Netzen weiter ambitioniert auszubauen. Wenn der Infrastrukturausbau wie bisher vorrangig privatwirtschaftlich forciert werde, sei der Kundennutzen durch überzeugende Angebote klarer hervorzuheben, die grundlegende Digitalisierung sollte gestärkt werden. Förderprogramme seien stärker entsprechend der Nachfrage auszurichten.

Durchweg unterdurchschnittlich schneidet Deutschland laut Studie im internationalen E-Government-Vergleich ab. Nachholbedarf besteht vor allem bei der Nutzerfreundlichkeit der digitalen Verwaltungsangebote. Diese sind nicht ausreichend bekannt und werden – falls vorhanden – kaum genutzt.

Verbesserungsmöglichkeiten

Wie kann Deutschland hier besser werden? »Das digitale Verwaltungsangebot muss dringend nutzerorientiert sowie zügig ausgebaut und das Onlinezugangsgesetz OZG sowohl konsequent als auch fristgerecht umgesetzt werden«, fordert Neuberger. Dabei sollten Unternehmen gewissermaßen als Power-User im Fokus stehen. Das OZG verpflichtet Bund, Länder und Kommunen, ihre Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 auch digital über Verwaltungsportale anzubieten.

Neubergers Fazit aus der ifo-Studie: »Jetzt gilt es, mit der neuen Bundesregierung aufzuholen – mit digitaler Kompetenz und Mindset, schneller Infrastruktur, innovativen Rahmenbedingungen sowie einer nutzerorientierten digitalen Verwaltung.«

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