Mit Wasserstoff zu grünem Stahl

Elektrolyse: Das Münchner Unternehmen Hydrogen Rise hilft im Oman dabei, Stahl mit erneuerbaren Energien herzustellen – mit grünem Wasserstoff.
Von Natascha Plankermann, IHK-Magazin 05-06/2023
Er ist der Stoff, aus dem die Träume von der Zukunftsenergie gemacht sind: grüner Wasserstoff. Das gilt besonders im Oman, dessen Öl- und Gasvorräte schwinden. Dort erregt jetzt ein Pilotprojekt international Aufmerksamkeit: Das junge Münchner Unternehmen Hydrogen Rise AG will Stahl mithilfe von Wasserstoff „vergrünen“.
Der Hintergrund: Die Eisen- und Stahlbranche steht in Sachen Emissionen von Treibhausgasen ganz oben auf der Liste. Laut einer Erhebung des Umweltbundesamts stieß sie 2021 rund 35 Millionen Tonnen CO2-äquivalente Treibhausgase aus. Damit kommen aus dem Bereich knapp 30 Prozent der gesamten Industrieemissionen.
Oman als Wiege der Wasserstoff-Zukunft?
Dass grüner Wasserstoff eine Lösung sein kann, war Olav Carlsen bis vor ein paar Jahren eher vage bewusst. Inzwischen ist er Insider und hat gemeinsam mit anderen Investoren eine 7-stellige Summe in die Hand genommen: Hydrogen Rise heißt die Firma, die er mit den erfahrenen Entrepreneuren Eberhard Färber und Bernd Wiemann vor 5 Jahren in München gründete und deren Finanzvorstand er ist. Die wichtigste Geschäftsgrundlage bildet die Dependance im Oman, die Carlsen als Geschäftsführer leitet. Derzeit brechen dort spannende Zeiten an: Das Land ist dabei, sich als Wiege der Wasserstoff-Zukunft neu zu erfinden (siehe unten).
Grüner Wasserstoff soll Erdgas ersetzen
Für die Niederlassung des indischen Stahlkonzerns Jindal Steel & Power im omanischen Industriehafen Sohar soll eine Elektrolyse-Anlage gebaut werden. Carlsen: „Hydrogen Rise plant, baut und betreibt die Anlage mit überwiegend deutscher Technologie von Partnern wie Siemens Infrastructure und Siemens Energy. Jindal ersetzt mit dem grünen Wasserstoff bisher genutztes Erdgas.“
Erklärtes Ziel ist es, gemeinsam die Technologie auf den Weg zu bringen. Denn der Herstellungsprozess für grünen Wasserstoff und vor allem dessen Anwendung in der Stahlproduktion stecken noch in den Anfängen. „Derzeit bedeutet es einen großen Aufwand, Elektrolyseure für industrielle Prozesse zu bauen, die Sonne, Wind und Wasser nutzen. Dafür sind zu Beginn kleine Schritte und überschaubare Projekte notwendig“, sagt Carlsen. Der deutsche Staat hat für das Vorhaben seiner Firma 15 Millionen Euro in Aussicht gestellt.
Eine der größten Elektrolyse-Anlagen weltweit
Carlsen: „Unsere Anlage wird eine Elektrolysekapazität von 35 Megawatt haben – zur Herstellung von anfänglich 2.000 Tonnen Wasserstoff jährlich. Damit kann man ab 2025 zwar erst 2 bis 3 Prozent der von Jindal hergestellten Stahlmenge ,vergrünen‘. Es wäre aber eine der bisher größten Elektrolyseanlagen weltweit, die in nächster Zeit in Betrieb gehen soll.“
Dabei lernen Deutsche, Omaner und Inder laut Carlsen, an welchen Stellschrauben gedreht werden muss, um von der Energiequelle zum zertifizierten Endprodukt zu gelangen. Bereits jetzt liefert Jindal Stahlprodukte aus dem Werk im Oman in alle Welt – auch nach Deutschland.
Weiteres „grünes“ Stahlwerk in Planung
Für Geschäftsführer Harssha Shetty sind die Europäer, vor allem aber die Deutschen und ihre Auto- und Hausgerätehersteller, künftig die wichtigsten Abnehmer für den grünen Stahl. Deshalb wird bereits ein neues Stahlwerk in der Industrieregion Duqm im Süden Omans geplant, dass schon 2027 rund 5 Millionen Tonnen ausschließlich „grün“ hergestellte Stahlprodukte nach Europa liefern soll – wie den sogenannten Eisenschwamm, der weiter veredelt werden kann.
Potenzial für deutsche Unternehmen
Vorstand Olav Carlsen von Hydrogen Rise betont, dass die Deutschen im Oman auch als Akteure, Projektentwickler und Wissensimporteure gefragt sind. Davon ist ebenso Ruth Prelicz, Expertin für Wasserstoff und erneuerbare Energiesysteme, überzeugt. Sie unterstützt die Wasserstoffdiplomatie (H2Diplo) im Oman und ist ein Anlaufpunkt für deutsche Unternehmen, die Wasserstoffprojekte voranbringen wollen.
„Die Technologieanbieter Siemens, Siemens Energy und der TÜV Süd haben bereits Niederlassungen vor Ort. Vertreter von Thyssenkrupp und die bayerischen Wasserstoffexperten von Hydrogenious kommen ebenfalls regelmäßig. Linde ist an einem grünen Wasserstoff-Ammoniak-Projekt in der Hafenstadt Salalah beteiligt“, sagt Prelicz.
Die Expertin sieht jede Menge Potenzial für deutsche Firmen und nennt ein Beispiel: „Die Anlagen müssen gewartet werden, damit sie problemlos laufen. Dafür ist es notwendig, Personal auszubilden und zu schulen – eine interessante Aufgabe für deutsche Mittelständler“, meint Prelicz.
Stichwort Oman: Beste Voraussetzungen für erneuerbare Energien
Mehr als 2.000 Kilometer Küstenlinie, an der beständig der Wind weht, 8 bis über 10 Sonnenstunden pro Tag und Meerwasser-Entsalzungsanlagen – diese Voraussetzungen für die Produktion von grünem Wasserstoff (H2) machen Oman zu einem vielversprechenden Kandidaten, der die Energiewende in Deutschland unterstützen kann.
Laut dem Wuppertal Institut, einem Thinktank für Nachhaltigkeitsforschung, kann 2030 lediglich bis zu einem Sechstel des erwarteten H2-Bedarfs durch deutsche Produktion gedeckt werden. Der überwiegende Teil müsste importiert werden – dafür sind weltweit Partner im Gespräch.
Ziel: 8,5 Millionen Tonnen grüner Wasserstoff pro Jahr
Im Oman will man ab 2030 pro Jahr 1 Million Tonnen grünen Wasserstoff produzieren, eine Steigerung bis 2050 auf rund 8,5 Millionen Tonnen ist geplant. Bis dahin sollen die CO2-Emissionen Omans komplett heruntergefahren werden. Erneuerbare Energien wie grüner Wasserstoff stehen im Zentrum dieser Strategie. Ein Teil des neuen Energieträgers soll im Land genutzt werden, der Rest kann verschifft werden.
Um den Wandel voranzutreiben, wurde Ende 2022 eine staatliche Institution gegründet: Hydrom. Der geschäftsführende Direktor, Firas Al Abduwani: „Wir planen den grünen Wasserstoffsektor im Oman. Zu unseren Aufgaben gehören die Strukturierung der Projekte, die Entwicklung der gemeinsamen Infrastruktur sowie die Förderung eines geeigneten Geschäftsumfelds.“
Produktion für Eigenbedarf und Export
Im März 2023 wurden die Konditionen für 6 internationale Konsortien festgelegt, die auf einer Gesamtfläche von circa 1.500 Quadratkilometern grünen Wasserstoff und Ammoniak für den Export sowie für den Eigenbedarf produzieren werden. Weitere etwa 1.800 Quadratkilometer Land werden noch in diesem Jahr ausgeschrieben. Zusammen 3.300 Quadratkilometer – zum Vergleich: Das Saarland misst etwa 2.500 Quadratkilometer.
IHK-Service zur AHK Oman und „grünem Wasserstoff“
Die Außenhandelskammer Oman unterhält ein Delegiertenbüro der Deutschen Wirtschaft in Omans Hauptstadt Muscat. Dort geben Sousann El-Faksch und Ruth Prelicz von Hydrogen Diplomacy Auskunft zum Thema grüner Wasserstoff.