Freier Handel | Unternehmen

Strategisch ins Ausland

ViscoTec GmbH ©
„Ein Schlüssel zum Erfolg ist, dass der lokale Geschäftsführer beide Kulturen kennt und die Sprache vor Ort spricht.“ ViscoTec-Geschäftsführer Franz Kamhuber

Auch in Zeiten des geopolitischen Wandels können Mittelständler im Ausland gute Geschäfte machen. Zwei Unternehmen zeigen, mit welcher Strategie sie sich behaupten.

Von Sabine Hölper, IHK-Magazin 10/2023

Krieg in der Ukraine, gestiegene Energiekosten, Materialknappheit, fragile Lieferketten – das sind nur einige Faktoren, die das internationale Geschäft derzeit nicht gerade einfach machen. Dennoch agieren viele bayerische Mittelständler im Ausland höchst erfolgreich. Stellvertretend für sie zeigen hier zwei Firmen aus Oberbayern, wie sie sich auf die Herausforderungen eingestellt haben: Beide Unternehmer berichteten auch bei Veranstaltungen der Roadshow International über ihre Erfahrungen.

ViscoTec GmbH: auf Kundenwunsch nach Atlanta

Die 1997 gegründete ViscoTec GmbH aus Töging legt ein beeindruckendes Tempo bei der Internationalisierung vor. 2009 eröffnete das Unternehmen die erste Niederlassung außerhalb Deutschlands. Heute, 14 Jahre später, erwirtschaftet es bereits die Hälfte des gesamten Umsatzes in den Auslandsstandorten. Zählt man das Geschäft hinzu, das über Händler generiert wird, beträgt der Auslandsumsatz 70 Prozent.

ViscoTec fertigt hochpräzise Dosierpumpen und -systeme für automatisierte Dosieranwendungen. Damit werden zum Beispiel Displays auf Handys oder Rückfahrkameras auf Armaturenbretter geklebt, wird Katzenfutter in kleine Schälchen gefüllt oder die Tomatensauce auf der Tiefkühlpizza verteilt. Weltweit beschäftigt die Firma 350 Mitarbeiter. Der Impuls für die Internationalisierung kam von den Kunden. „Wir haben 2009 unsere erste Niederlassung im US-amerikanischen Atlanta eröffnet, weil wir vermehrt Anfragen von dort erhielten“, sagt ViscoTec-Geschäftsführer Franz Kamhuber (34). Trotzdem sei der erste Schritt herausfordernd gewesen.

Andere Länder, andere Sitten

„Die Amerikaner haben eine gänzliche andere Kultur als wir Deutsche“, so Kamhuber. „Hat ein Kunde ein Problem, muss man auch mitten in der Nacht ans Telefon gehen.“ Für das Unternehmen kam daher nur ein Geschäftsführer für die Niederlassung infrage, der beide Mentalitäten versteht, also ein gebürtiger Deutscher mit jahrelanger USA-Erfahrung. „Das war das A und O, um in Atlanta zu reüssieren“, sagt der Firmenchef des Familienunternehmens. Heute beschäftigen die Oberbayern in Atlanta knapp 30 Mitarbeiter. Der Markt ist für ViscoTec einer der erfolgreichsten weltweit.

Die interne Prämisse, viel Zeit in die Suche des richtigen Leiters zu stecken, der den Markt im Ausland aufbaut, hat ViscoTec bei jedem neuen Gang über die Grenze befolgt. „Gerade in weniger westlich orientierten Ländern ist ein Schlüssel zum Erfolg, dass der Geschäftsführer vor Ort beide Sprachen spricht, zumindest beide Länder kennt“, empfiehlt Kamhuber. 

Außerdem sei es wichtig, über die „industriellen Eigenheiten“ des jeweiligen Landes Bescheid zu wissen. In Asien etwa seien extrem kurze Lieferzeiten bedeutsam. ViscoTec hat mit einem großen Lager auf diese Anforderung reagiert.

Singapur als Tor nach Asien und bald die ganze Welt

Mit diesen beiden Regeln hat das Unternehmen seither alle zwei bis drei Jahre neue Niederlassungen rund um den Globus aufgebaut. 2011 ging es nach Singapur, um in Südostasien Fuß zu fassen. „Mit Singapur bedienen wir auch Märkte wie Vietnam, Malaysia und Thailand“, sagt Kamhuber. Es folgten China, Indien, Frankreich und Hongkong. Im nächsten Jahr soll die Expansion weitergehen.

BAUCH Engineering: flexibel in dynamischen Märkten

Über reichlich Erfahrung im China-Geschäft verfügt auch Manfred Bauch (64), Geschäftsführer der BAUCH Engineering GmbH & Co. KG. Sein Unternehmen in Eitensheim bei Ingolstadt plant und realisiert Fertigungs-, Montage-, Mess- und Prüfanlagen für die Automobilindustrie, Luftfahrt, Eisenbahn und Windkraft. Seit der Gründung 1993 ist es in China vertreten. Bauch war zuvor als Angestellter in der Automobilindustrie in China tätig und kannte den Markt. Er wusste: „Wir haben Lösungen für den Bedarf in China.“ Die Anfangsjahre liefen entsprechend gut. Das Unternehmen arbeitete mit Dax-Konzernen im Land zusammen.

Unternehmer Bauch weiß aber auch, dass Märkte dynamisch sind. So entwickelte sich sein China-Geschäft mit der Zeit immer schlechter. Der Importbedarf ging zurück, denn die Chinesen produzierten zunehmend selbst. Der Markt brach für das Unternehmen ein. Die logische Konsequenz für die Oberbayern: Sie erkundeten neue Absatzgebiete. 2015 war es der Iran, 2016 Russland. Nach den ersten Erfolgen war auch dort Flexibilität gefragt. Der Iran forderte plötzlich zusätzliche Ausfuhrprüfungen, Russland griff die Ukraine an.

Präsenz gefragt im Senegal

Das Unternehmen suchte folglich neue Märkte: 2021 ging es nach Kasachstan, vor wenigen Monaten in den Senegal. „Im Senegal stellt der Staat die wesentliche Nachfrage“, erläutert Bauch. Dennoch sei der Eintritt nicht leicht. „Wir müssen gegen etablierte, französisch dominierte Lieferketten anbieten.“ Bauch ist daher viel im Senegal unterwegs. Vor Ort, gemeinsam mit türkischen Partnern, ließen sich Dinge besser beurteilen als vom heimischen Schreibtisch aus.

Tipp: „Umsatz häppchenweise in vielen Märkte generieren“

Der Unternehmer rät nach 30 Jahren im internationalen Geschäft: Weil es kaum mehr die in jeder Hinsicht lukrativen Zielmärkte gebe, sei es wichtig, „viele Märkte zu testen und den Umsatz häppchenweise zu holen, wo er sich anbietet“. Für die Firmengruppe bedeutet das auch, sich an internationalen Start-ups zu beteiligen, etwa in China und in der Türkei. Außerdem hält das Unternehmen an Fertigungsaktivitäten im Ausland fest. Und an einer Regel, die wohl auch ViscoTec-Chef Kamhuber unterschreiben würde: „Entscheidend für eine erfolgreiche Internationalisierung ist die Person vor Ort, die den Markt betreut.“

IHK-Service: Internationalisierung

Weitere Infos rund ums internationale Geschäft gibt es auf der IHK-Website zur Internationalisierung.

Verwandte Themen