Freier Handel | Standortpolitik
Wege in den Mega-Markt
Bier, Schraubenschlüssel oder Schreibgeräte – online und im Direktvertrieb: Wie verkaufen bayerische Firmen in China? Über Herausforderungen, bewährte Strategien und Einstiegsmöglichkeiten.
Von Margrit Amelunxen, IHK-Magazin 09/2024
Felix Wendlandt, Mitgründer und Geschäftsführer von Brander Urstoff in Gräfelfing bei München, verkauft bayerisches Bier in China. Das machen viele, doch das Unternehmen hat ein Alleinstellungsmerkmal: Ihr deutscher Braumeister braut in China für China nach dem deutschen Reinheitsgebot mit Hopfen, Malz und Hefe aus Deutschland. Mit Brander Urstoff hat das bayerische Start-up eine traditionelle Marke wiederbelebt und, passend zum Craft-Beer-Trend in China, ab 2016 entsprechend positioniert.
Im selben Jahr zog Geschäftsführer Wendlandt nach Shanghai, um das Vertriebsnetz auszubauen. Obwohl sein Bier als Premiumprodukt hochpreisig war, lief das Geschäft gut an, 2021 war das beste Jahr. Dann dämpfte allerdings die Unsicherheit der chinesischen Verbraucher nach der Coronapandemie das Geschäft.
Beliebt und wachstumsstark
Auch wenn sich manche Rahmenbedingungen verändern – der Riesenmarkt China ist für viele bayerische Unternehmen weiterhin sehr attraktiv, zumal es zahlreiche Einstiegshilfen gibt. Ein Markteintritt über betreute Stores oder die Kooperation mit Vertriebspartnern bietet zum Beispiel die Möglichkeit, das Geschäft in einem der wachstumsstärksten Märkte der Welt auszutesten, ohne selbst gleich den ganzen Schritt gehen zu müssen.
Sorgfältig den Markteintritt vorbereitet hat auch die Gräfelfinger Brauerei. „Bevor wir die WFOE, die Wholly Foreign-Owned Enterprise, gründeten, haben wir überlegt, wie wir dieses Geschäft überhaupt aufbauen wollen. Letztlich war die Idee: Wir lizenzieren uns selbst“, sagt Geschäftsführer Wendlandt. Die Brander Urstoff GmbH in Gräfelfing lizenziert also die chinesische Tochtergesellschaft Shanghai Brander Urstoff Trading Co. Ltd. Der Vorteil: Mit weiteren Lizenznehmern könnte sich Brander Urstoff jederzeit neue Märkte erschließen. Durch das Outsourcen des Brauprozesses an eine chinesische Brauerei sind keine Investitionen für Produktionsstätten nötig.
Extrem starke She-Economy
Im Sortiment sind heute 8 Biersorten, doch 80 Prozent des Umsatzes entstehen mit den 8 Biermischgetränken. „Das funktioniert einfach im Markt. Weniger Alkohol, süßer – und es bedient die in China extrem starke She-Economy“, erklärt Wendlandt. Den Löwenanteil des Umsatzes macht Brander Urstoff im B2B-Bereich. 8 Sales-Mitarbeiter sorgen für Marktabdeckung über Großhändler in ganz China. In Shanghai, wo die Firma im Direktvertrieb arbeitet, sind es 9 Mitarbeiter.
Wachsen will Brander Urstoff nun durch den Ausbau des Vertriebsnetzes, unter anderem durch weitere Listungen in Supermarktketten. „Künftig wollen wir uns breiter aufstellen. Wir haben ein funktionierendes Vertriebsnetz, für das wir zu uns passende Importprodukte suchen. Alles, was in Bars und Restaurants an Getränken konsumiert wird, sofern es kein Wein ist. Und natürlich kein anderes Bier!“
Wissen, wie der Markt tickt
Auf die chinesischen Gepflogenheiten einzugehen, ist auch die Strategie der Hoffmann Group. „Man muss sich von der Vorstellung lösen, dass man in China rein über Technik gewinnen kann. Man muss sich auf den Markt einstellen, auf die Art und Weise, wie hier verkauft und Marketing gemacht wird, dann kann man sehr erfolgreich sein“, sagt Christian Kober, seit 2017 Senior Vice President Asia des Münchner Großhandelsunternehmens für Industrieausstattungen.
Seit 1998 arbeitet der promovierte Chemiker in Shanghai, in verschiedenen Branchen und Funktionen. Fragt man ihn nach Hoffmanns Geschäftsmodell, antwortet er: „Wir sind quasi der Supermarkt für die Metall verarbeitende Industrie mit weltweit über 100.000 Kunden.“ Dabei richtet sich das Unternehmen nicht nur bei der Produktauswahl nach den Kundenwünschen, sondern auch bei der Präsentation. „Unser E-Shop in China blinkt und funkelt, da wandern Taler durch das Bild, da passiert ständig etwas, während der deutsche Shop vergleichsweise nüchtern aussieht.“
Vertriebsstruktur angepasst
In China konzentriere sich Hoffmann inzwischen auf eine mittlere Produktqualität, sagt Kober. „Viele Kunden produzieren heute für Huawei, morgen für Xiaomi, die müssen alle 1 oder 2 Jahre ihre ganze Produktion umrüsten. Teures, langlebigeres Werkzeug macht keinen Sinn, wenn man es nicht lange braucht. Deswegen waren wir anfangs in China sehr fehlgesteuert, weil unser Vertrieb darauf getrimmt war, Top-Qualität zu verkaufen.“
Unter Kober wurde das Geschäft neu ausgerichtet, Vertriebsgebiete stark verkleinert. „Ein Mitarbeiter soll pro Tag 5 Kunden besuchen. Da muss man natürlich möglichst wenig Fahrtzeit haben, wir würden nie zu einem Kunden fliegen.“ Insgesamt hat Hoffmann heute in China circa 140 Mitarbeiter, etwa die Hälfte davon in Shanghai. Inzwischen rekrutiert Hoffmann weniger karriereorientierte, häufig wechselnde Uni-Absolventen, stattdessen mehr Absolventen von Technical Colleges, vor allem aus der Provinz. Für diese sei es immer noch ein Privileg, für eine internationale Firma zu arbeiten.
2023 wuchs Hoffmanns China-Geschäft zweistellig, für dieses Jahr erwartet Kober ein ähnliches Plus. Denn um interne Kosten zu sparen, professionalisieren chinesische Kunden ihr Purchasing und kaufen bei einem zentralen Partner. Staatsunternehmen müssten aus Gründen der Transparenz nun über Plattformen ordern, mit denen Hoffmann kooperiert. Dazu kommt ein wachsender Anteil an chinesischen Privatunternehmen und auch der Bedarf bei deutschen Kunden in China wächst weiter.
AHK hilft beim Einstieg
Wenn es um Einschätzungen zum Markt geht, können Unternehmen auf die Deutsche Auslandshandelskammer (AHK) in Ostchina zukommen. „Jeder kann sich an uns wenden, der Empfehlungen braucht, wie er in diesen Markt kommt. Man braucht kein Vorwissen und wir sind völlig neutral.
Gegebenenfalls sagen wir auch: Das ist eigentlich kein Markt für dich“, sagt Maximilian Butek, geschäftsführendes AHK-Vorstandsmitglied. „Eigene Präsenzen und eine eigene Marke hier aufzubauen, ist sehr aufwendig und kostenintensiv“, so der China-Experte.
Wer Konsumgüter anbietet, kann unter Umständen aber auch eine günstigere Einstiegsvariante nutzen. „Wir als AHK bieten seit 3 Jahren die sogenannten German Pavilion Stores auf der E-Commerce-Plattform JD.com als niederschwelliges Einstiegsangebot an“, sagt Butek. Auf dieser Plattform können deutsche Konsumgüterunternehmen, Einzelhändler und insbesondere kleine und mittlere Firmen ihre Produkte anbieten. Das grenzüberschreitende E-Commerce-Projekt soll ihnen neue Möglichkeiten für ihren Markteintritt und ihre Expansion in China eröffnen.
Flagship-Store für bayerische Produkte
Auf ähnliche Weise funktioniert der Ende 2023 gelaunchte Bayern Selectives Pavilion. Dabei handelt es sich um eine Kooperation der Digitalagentur Hylink GmbH und der Cross-Border-Plattform JD Worldwide von JD.com, unterstützt von der Stadt München. Dieser thematische Flagship-Store soll es chinesischen Verbrauchern ermöglichen, bequem eine Vielzahl bayerischer Produkte und Kulturgüter zu entdecken und zu kaufen. Für den Store schließt man üblicherweise einen Einjahresvertrag mit Hylink. Dafür fällt eine monatliche Gebühr an Hylink an, die unter anderem von der Anzahl der eingestellten Artikel abhängt.
Gemeinsam mit Hylink wählt das Unternehmen Produkte aus und kalkuliert Verkaufspreise, die bereits die JD-Gebühren sowie Logistik-, Zoll- und Versandgebühren beinhalten. Alles Weitere übernimmt die Agentur: Beschreibungen und Bilder einstellen, die chinesischen Käufer ansprechen, Shop-Management, Customer Service. Dazu Marketing und Content-Erstellung zur Steigerung der Markenbekanntheit auf populären chinesischen Social-Media-Kanälen. Firmen schicken die bestellte Ware einfach an einen Hub in Frankfurt, von dort übernimmt JD den weiteren Versand.
Bequemer erster Schritt
Alexander Apfel, Geschäftsführer der ONLINE Schreibgeräte GmbH, ist vom Konzept prinzipiell überzeugt. „Vom Organisatorischen und vom Ablauf her ist das ein sehr bequemer erster Schritt ins China-Geschäft, weil man sich dafür nicht selbst mit dem Markt befassen muss. Ein sehr niederschwelliges Angebot, um zu testen, ob chinesische Kunden an den eigenen Produkten Interesse haben.“
Sein Fazit nach einem halben Jahr? „Die Zusammenarbeit ist tipptopp. Jetzt kommt es darauf an, was das Hylink-Team in China im Vertrieb erwirtschaften kann und wie populär es den Store machen kann. Um weiterzumachen, brauchen wir noch einen deutlichen Umsatzsprung.“ Die Präsenz im Bayern Selectives Pavilion allein ist Apfels Meinung nach keine Garantie für den langfristigen Erfolg in China. Man sei weit entfernt vom Markt und würde diesen so möglicherweise nie vollumfänglich verstehen. Apfel spricht aus Erfahrung. Das Familienunternehmen ist in China schon seit 2015 mit einem zentralen Distributionspartner im stationären und im Onlinehandel aktiv und kennt die Wünsche chinesischer Verbraucher.
Ernüchternde Zwischenbilanz
Dass der Einstieg manchmal holprig verläuft, zeigt das Beispiel ROCKMACHERIN aus Schondorf. Firmenchefin Caroline Lauenstein ist seit April 2024 mit ihrer von Tracht inspirierten, hochwertigen Mode im Bayern Selectives Pavilion online und etwas ernüchtert. Nach Unterstützung durch die Betreiber gab es zwar etwas mehr Traffic, aber noch keine Bestellung. „Die Kosten für die Agentur sind das eine“, sagt sie. „Das andere ist der speziell auf das chinesische Publikum zugeschnittene Warenbestand mit kleineren Größen, den ich wahrscheinlich in der Form nicht mehr loswerde.“
Chinesen mögen deutsche Marken
Als Multi-Brand-Plattform konzipiert, sind im Bayern Selectives Pavilion derzeit 5 Marken vertreten: Neben ONLINE und ROCKMACHERIN sind das die ROECKL GmbH & Co. KG, die Werner Christ GmbH und die Feinkost Käfer GmbH. Wenjing Wang, Geschäftsführerin der Hylink DE Digital Solution GmbH, möchte weitere traditionelle Marken in den Store integrieren, zum Beispiel Kosmetik oder Babyprodukte: „Chinesische Verbraucher sind deutschen Produkten gegenüber grundsätzlich positiv eingestellt. Mit dem Bayern Selectives Pavilion ermöglichen wir kleineren und mittleren bayerischen Marken einen niederschwelligen Zugang zum chinesischen Markt mit moderatem Aufwand und Kosten. Und das nicht nur im E-Commerce, sondern auch auf Social Media.“
IHK-Info zu China
Infos zu Chancen und Markteintritt in China gibt die AHK Greater China.