Digitalisierung | Betrieb + Praxis

Messen, messen, messen

Robert Kneschke/Adobe Stock ©
Umsatz zu teuer erkauft? Kennzahlen prüfen lohnt sich

Shopsoftware und Warenwirtschaftssystem liefern jede Menge wertvolle Informationen – wenn man sie nutzt. Wie der Blick auf die richtigen Kennzahlen Onlinehändlern hilft, profitabler zu werden.

EVA ELISABETH ERNST, Ausgabe 11/2022

Black-Friday-Sonderaktionen, Adventsangebote, Weihnachtsrabatte: In den letzten umsatzstarken Monaten des Jahres wirbt der Onlinehandel sehr intensiv. »Doch ob sich der Aufwand tatsächlich gelohnt hat und welche Maßnahmen besonders erfolgreich waren, wird von kleineren und mittelständischen Händlern noch viel zu selten überprüft«, stellt Oliver Lucas (50), Geschäftsführer der E-Commerce-Beratung ecom consulting GmbH, immer wieder fest.

Umsatzzahlen sind nicht ausreichend zur Erfolgskontrolle

»Zur Erfolgskontrolle betrachten viele kleine und mittelständische Händler nämlich zu wenig die vor- und nachgelagerten E-Commerce-Kennzahlen, sondern vor allem den Umsatz und das Umsatzwachstum.« Die Aussagekraft dieser Zahlen hält er für beschränkt. »Schließlich ist es keine große Kunst, zehn Prozent Umsatzwachstum zu erreichen, wenn man dafür die Werbeausgaben um 100 Prozent erhöht.« Und auch die Profitabilität von Absatzkanälen, Produktkategorien oder einzelnen Produkten könne man mit Umsatzzahlen allein nicht beurteilen.

»Datenkompetenz trennt Spreu vom Weizen«

Dabei fallen im E-Commerce jede Menge Daten an, die sich zu aussagekräftigen Kennzahlen verknüpfen lassen. Sie erlauben nicht nur eine Analyse vergangener Geschäftsperioden und Aktionen, sondern bilden auch eine solide Basis für die Planung künftiger Aktivitäten. »Datenkompetenz trennt im digitalen Handel inzwischen die Spreu vom Weizen«, sagt Lucas. »Während einige wenige Player immer mehr Datenanalysten beschäftigen und bei der datengetriebenen Geschäftsentwicklung mit High-End-Tools operieren, ist eine umfassende Datenanalyse im Mittelstand oftmals eine große Herausforderung.«

Überraschend: Topseller lohnen sich oft wenig

Diese Aufgabe können aber auch kleinere Händler erfolgreich angehen. »Je kleiner das Unternehmen, desto mehr verengt sich der Blick auf den Umsatz und das Betriebsergebnis«, beobachtet der langjährige E-Commerce-Berater Peter Höschl. »Häufig fehlt die Erkenntnis, wie wertvoll Controlling ist.« Bei seinen Beratungen habe er oft festgestellt, dass sich in vielen Onlineshops gerade die Topseller am wenigsten lohnen. Sich die Deckungsbeiträge jedes einzelnen Artikels anzusehen, bildet für Höschl eine zentrale Informationsgrundlage: Was bleibt nach Abzug des Einkaufspreises, der Marketing-, Payment- und Logistikkosten tatsächlich übrig? »Insbesondere eine hohe Retourenquote ist im Onlinehandel meist ein Genickbrecher.«

Retouren berücksichtigen

Retouren sollten auch bei der Beurteilung des Erfolgs von Marketingaktionen und Werbekampagnen berücksichtigt werden. Der E-Commerce-Spezialist warnt, sich allein über den dadurch erzielten Umsatz zu freuen. »Messen, messen, messen«, rät er, »um den Erfolg jeder Maßnahme genau und ehrlich zu ermitteln.«

Neben der Analyse der Abverkaufszahlen empfiehlt Höschl dringend, auch den Rohertrag zu berechnen. Schließlich schmelzen die gewohnten Margen durch Werbeausgaben und Rabatte schnell dahin. Um zu beurteilen, ob eine Werbeaktion die richtigen Zielgruppen angesprochen hat, sollte zudem die Conversion Rate ermittelt werden, also die Quote der Besucher, die auch eine Bestellung aufgeben.

Hohe Kosten für Neukundengewinnung

Selbst viele Neukunden sind allein noch kein Grund zum Jubeln: Ob sich eine Kampagne wirklich gelohnt hat, wird maßgeblich von Inhalt und Wert der Warenkörbe, der Retourenquote sowie der Kundenhaltequote bestimmt. »Werden überwiegend nur die rabattierten Aktionsprodukte gekauft und gelingt es nicht, die Kunden zu späteren Einkäufen im Onlineshop zu motivieren, ist die Gefahr groß, dass der Händler unterm Strich draufzahlt«, sagt Berater Lucas. »Denn egal, ob Influencer-Werbung oder Anzeigen auf Google und Social-Media-Plattformen: Die Kosten für die Gewinnung eines Neukunden sind mittlerweile so hoch, dass sich der Aufwand meist erst bei wiederholten Einkäufen lohnt.«

Natürlich erfordert regelmäßiges Controlling Zeit. Dennoch sollten sich auch Betreiber kleinerer Onlineshops nicht nur auf ihr Bauchgefühl verlassen, sondern ihre Zahlen regelmäßig analysieren. »Allein mit Excel-Listen, in die alle relevanten Daten aus dem Shop- oder dem Warenwirtschaftssystem exportiert werden, lässt sich schon viel erreichen«, so Berater Höschl. Ab einer Umsatzgröße von 2,5 Millionen Euro empfiehlt er, in eine spezielle Softwarelösung zu investieren.

»Controlling-Stunden als bestbezahlte Arbeitszeit«

Doch auch dann müssen die Ergebnisse konsequent analysiert werden. »Sich einmal pro Woche zwei bis drei Stunden Zeit für seine Zahlen zu nehmen, lohnt sich auf jeden Fall, weil dadurch viel Optimierungspotenzial erkannt wird«, betont Höschl. Wer dann noch für seine wichtigsten zehn oder 20 Artikel eine ordentliche Preisrecherche durchführe und die eigenen Preise entsprechend anpasse, nutze einen weiteren starken Hebel für die Erhöhung der Profitabilität. »Für die meisten Onlinehändler«, so Höschl, »sind die Controlling-Stunden am Schreibtisch die bestbezahlte Arbeitszeit.«

Vertrauen ist gut, Controlling ist besser

10 wichtige Fragen, die sich Onlinehändler stellen sollten, und passende Kenngrößen:

  • Womit verdienen wir unser Geld? → Deckungsbeitrag pro Produktkategorie/Artikel sowie pro Kunde
  • Über welche Kanäle kommen Besucher? → Analyse der Shopbesucher
  • Wie viele Besucher kaufen wirklich ein? → Conversion Rate: Anzahl der Bestellungen im Verhältnis zur Anzahl der Shopbesucher
  • Welche Produkte werden angeklickt und dann auch bestellt? → Besuchsverläufe
  • Wie häufig kaufen Kunden bei uns ein? → durchschnittliche Anzahl von Bestellungen pro Kunde
  • Wie hoch ist der durchschnittliche Warenkorb pro Kunde? → Warenkorbwert
  • Was hat es gekostet, mit einer Aktion einen Neukunden zu gewinnen? → Marketingkosten pro Neukunde
  • Wie viele der Neukunden bestellen weiterhin bei uns? → Anteil der Wiederholungskäufer
  • Welchen Umsatzanteil erwirtschaften wir mit rabattierten Artikeln? → Anteil Off-Price-Umsatz: Umsatz mit Waren, die deutlich unter dem sonst üblichen Preis verkauft werden
  • Wie lange ist die durchschnittliche Lagerdauer pro Artikel? → Umschlagdauer

Verwandte Themen